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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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artigen Bahnen zwischen Wien und Frankfurt, zwischen dein grvßdentschcn und dem
demokratischen Pole hin und her, jetzt das unbedingte Festhalten an der Frank¬
furter Reichsverfassung gebieterisch fordernd, und jetzt wieder die Kammer beschwö¬
rend, doch ja nicht das EinignngSwerk ohne die östreichischen Brüder abzuschließen,
-- als ob dies möglich wäre bei jener Verfassung! -- jetzt das Werk der Na¬
tionalversammlung als das einzig heilbringende preisend, und gleich darauf, im
Unmuthe über die preußische Politik, dieser Versammlung vorwerfend, sie habe dem
König von Preußen die Krone angetragen, "nicht wissend, was sie that." Er
schloß mit dem Antrage: Die Kammer möge erklären, daß sie an der von der
Nationalversammlung verkündeten Verfassung unverbrüchlich festhalte und nur diese
als rechtögiltig anerkenne.

Nach Wigand sprach ein Redner des Centrums, Kalb.

ES ist das derselbe Pfarrer vou Wechselburg, der in seiner offenen und derben,
den süddeutschen Ursprung des Mannes verrathenden Weise an den sogenannten
Unverstandölandtag im vorigen Jahre, als dieser partieularistische Opposition
gegen Frankfurt machte, jene vielbesprochene Adresse richtete, die so anfing: "In
Erwägung, daß es Unrecht und Unsinn wäre, dem sächsischen Volke zuzumuthen,
ans seiner rechten Tasche Nationalvertrcter in Frankfurt zu bezahlen, um eine
Verfassung für Deutschland zu Stande zu bringen, und aus seiner linken Tasche
Volksvertreter in Dresden, um diese Verfassung wieder zu Schanden zumachen", s. w."
In großen Zügen zeichnete er jetzt Deutschlands Vergangenheit und die Ur¬
sachen seines Verfalles und schloß diese Skizze mit den Worten: "Was beweist
dies Alles für unsere Frage? daß alle deutschen Staaten gegen Deutschland
eine alte Schuld abzutragen haben und mehr nach ihrer Pflicht gegen das¬
selbe als nach ihrem Recht in demselben fragen sollen, damit allen gründlich ge¬
holfen werde." Dann auf die Frage unserer Stellung zu Oestreich eingehend,
sprach er die treffende Wahrheit ans: "daß dem deutschen Elemente in Oest¬
reich die beste Unterstützung dann zu Theil werde, wenn man hier ein kräftiges
Nationalbewußtsein erzeuge und pflege." "Wenn uns aber Pfordten'sche unprak¬
tische Schulweisheit rath, dem deutscheu kosmopolitischen Zug zu folgen und unsre
deutsche Kultur nach den: Osten zu tragen, so muß ich warnen vor solcher schön¬
geistigen und politischen Lockspeise, Deutschland ist lange genng zu, schlimm dabei
gefahren, uur'immer das Cultnrdüngnngsmittel für's Ausland zu liefern;
es hat seine politische Selbstständigkeit dabei eingebüßt und nur Haß dafür ge-
erntet." Weiter kam der Redner auf die Hindernisse des Bundesstaates zu sprechen.
"Die leidige Stanuueseifersucht, der dynastische Stolz und das aristokratische In¬
teresse der vier .Königreiche" -- "Ja" rief er aus, "es ist ein unvergessenes
Wort: ich unterordue mich keinem Hohenzollern! Wollen wir warten, bis ein
Deutscher als personificirter Gattungsbegriff vom Himmel fällt, der keinem be¬
sondern Lande angehört und allen Parteien recht ist, so werden wir warten bis


artigen Bahnen zwischen Wien und Frankfurt, zwischen dein grvßdentschcn und dem
demokratischen Pole hin und her, jetzt das unbedingte Festhalten an der Frank¬
furter Reichsverfassung gebieterisch fordernd, und jetzt wieder die Kammer beschwö¬
rend, doch ja nicht das EinignngSwerk ohne die östreichischen Brüder abzuschließen,
— als ob dies möglich wäre bei jener Verfassung! — jetzt das Werk der Na¬
tionalversammlung als das einzig heilbringende preisend, und gleich darauf, im
Unmuthe über die preußische Politik, dieser Versammlung vorwerfend, sie habe dem
König von Preußen die Krone angetragen, „nicht wissend, was sie that." Er
schloß mit dem Antrage: Die Kammer möge erklären, daß sie an der von der
Nationalversammlung verkündeten Verfassung unverbrüchlich festhalte und nur diese
als rechtögiltig anerkenne.

Nach Wigand sprach ein Redner des Centrums, Kalb.

ES ist das derselbe Pfarrer vou Wechselburg, der in seiner offenen und derben,
den süddeutschen Ursprung des Mannes verrathenden Weise an den sogenannten
Unverstandölandtag im vorigen Jahre, als dieser partieularistische Opposition
gegen Frankfurt machte, jene vielbesprochene Adresse richtete, die so anfing: „In
Erwägung, daß es Unrecht und Unsinn wäre, dem sächsischen Volke zuzumuthen,
ans seiner rechten Tasche Nationalvertrcter in Frankfurt zu bezahlen, um eine
Verfassung für Deutschland zu Stande zu bringen, und aus seiner linken Tasche
Volksvertreter in Dresden, um diese Verfassung wieder zu Schanden zumachen», s. w."
In großen Zügen zeichnete er jetzt Deutschlands Vergangenheit und die Ur¬
sachen seines Verfalles und schloß diese Skizze mit den Worten: „Was beweist
dies Alles für unsere Frage? daß alle deutschen Staaten gegen Deutschland
eine alte Schuld abzutragen haben und mehr nach ihrer Pflicht gegen das¬
selbe als nach ihrem Recht in demselben fragen sollen, damit allen gründlich ge¬
holfen werde." Dann auf die Frage unserer Stellung zu Oestreich eingehend,
sprach er die treffende Wahrheit ans: „daß dem deutschen Elemente in Oest¬
reich die beste Unterstützung dann zu Theil werde, wenn man hier ein kräftiges
Nationalbewußtsein erzeuge und pflege." „Wenn uns aber Pfordten'sche unprak¬
tische Schulweisheit rath, dem deutscheu kosmopolitischen Zug zu folgen und unsre
deutsche Kultur nach den: Osten zu tragen, so muß ich warnen vor solcher schön¬
geistigen und politischen Lockspeise, Deutschland ist lange genng zu, schlimm dabei
gefahren, uur'immer das Cultnrdüngnngsmittel für's Ausland zu liefern;
es hat seine politische Selbstständigkeit dabei eingebüßt und nur Haß dafür ge-
erntet." Weiter kam der Redner auf die Hindernisse des Bundesstaates zu sprechen.
„Die leidige Stanuueseifersucht, der dynastische Stolz und das aristokratische In¬
teresse der vier .Königreiche" — „Ja" rief er aus, „es ist ein unvergessenes
Wort: ich unterordue mich keinem Hohenzollern! Wollen wir warten, bis ein
Deutscher als personificirter Gattungsbegriff vom Himmel fällt, der keinem be¬
sondern Lande angehört und allen Parteien recht ist, so werden wir warten bis


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[0132] artigen Bahnen zwischen Wien und Frankfurt, zwischen dein grvßdentschcn und dem demokratischen Pole hin und her, jetzt das unbedingte Festhalten an der Frank¬ furter Reichsverfassung gebieterisch fordernd, und jetzt wieder die Kammer beschwö¬ rend, doch ja nicht das EinignngSwerk ohne die östreichischen Brüder abzuschließen, — als ob dies möglich wäre bei jener Verfassung! — jetzt das Werk der Na¬ tionalversammlung als das einzig heilbringende preisend, und gleich darauf, im Unmuthe über die preußische Politik, dieser Versammlung vorwerfend, sie habe dem König von Preußen die Krone angetragen, „nicht wissend, was sie that." Er schloß mit dem Antrage: Die Kammer möge erklären, daß sie an der von der Nationalversammlung verkündeten Verfassung unverbrüchlich festhalte und nur diese als rechtögiltig anerkenne. Nach Wigand sprach ein Redner des Centrums, Kalb. ES ist das derselbe Pfarrer vou Wechselburg, der in seiner offenen und derben, den süddeutschen Ursprung des Mannes verrathenden Weise an den sogenannten Unverstandölandtag im vorigen Jahre, als dieser partieularistische Opposition gegen Frankfurt machte, jene vielbesprochene Adresse richtete, die so anfing: „In Erwägung, daß es Unrecht und Unsinn wäre, dem sächsischen Volke zuzumuthen, ans seiner rechten Tasche Nationalvertrcter in Frankfurt zu bezahlen, um eine Verfassung für Deutschland zu Stande zu bringen, und aus seiner linken Tasche Volksvertreter in Dresden, um diese Verfassung wieder zu Schanden zumachen», s. w." In großen Zügen zeichnete er jetzt Deutschlands Vergangenheit und die Ur¬ sachen seines Verfalles und schloß diese Skizze mit den Worten: „Was beweist dies Alles für unsere Frage? daß alle deutschen Staaten gegen Deutschland eine alte Schuld abzutragen haben und mehr nach ihrer Pflicht gegen das¬ selbe als nach ihrem Recht in demselben fragen sollen, damit allen gründlich ge¬ holfen werde." Dann auf die Frage unserer Stellung zu Oestreich eingehend, sprach er die treffende Wahrheit ans: „daß dem deutschen Elemente in Oest¬ reich die beste Unterstützung dann zu Theil werde, wenn man hier ein kräftiges Nationalbewußtsein erzeuge und pflege." „Wenn uns aber Pfordten'sche unprak¬ tische Schulweisheit rath, dem deutscheu kosmopolitischen Zug zu folgen und unsre deutsche Kultur nach den: Osten zu tragen, so muß ich warnen vor solcher schön¬ geistigen und politischen Lockspeise, Deutschland ist lange genng zu, schlimm dabei gefahren, uur'immer das Cultnrdüngnngsmittel für's Ausland zu liefern; es hat seine politische Selbstständigkeit dabei eingebüßt und nur Haß dafür ge- erntet." Weiter kam der Redner auf die Hindernisse des Bundesstaates zu sprechen. „Die leidige Stanuueseifersucht, der dynastische Stolz und das aristokratische In¬ teresse der vier .Königreiche" — „Ja" rief er aus, „es ist ein unvergessenes Wort: ich unterordue mich keinem Hohenzollern! Wollen wir warten, bis ein Deutscher als personificirter Gattungsbegriff vom Himmel fällt, der keinem be¬ sondern Lande angehört und allen Parteien recht ist, so werden wir warten bis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/132>, abgerufen am 25.08.2024.