Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schen Sache, zum Theil wohl auch der Einfluß, deu die Stimmung um Lande
lind die speziellen Wünsche ihrer Wahlkreise auf sie übten, daß sie trotz jener
Rücksichten dennoch gegen das Ministerium sich erklärten. Von nicht geringem
Einfluß ans diesen Theil der Rechten war das Beispiel der ehemaligen Minister
Braun und Held, desgleichen Har kort's, eines Mannes von streng conser-
vativen und höchst achtbaren Charakter, der, ein getreuer Anhänger des Mini¬
steriums in allen innern Fragen, dennoch in dieser Frage sich von ihm trennte.

Es hatte sich seit dem Anfange des neuen Jahres unter Kling er's und
Fnnkhänel's Leitung ein Centrum gebildet. Dasselbe zählte zwar nur acht Mit¬
glieder in der zweiten Kammer, von denen drei bis dahin der Linken, fünf der
Rechten angehört hatten. Allein diese kleine Zahl war ausschlaggebend durch festes
Zusammenhalten und durch die Stellung, die sie zwischen den beiden, numerisch
sast ganz gleichen Hauptparteien einnahm. Dieses Centrum nun stand in der dent-
schen Frage wie ein Mann für alle Anträge der AuSschnßmehrheit, wirkte durch
seine entschlossene Haltung auch auf die Linke, der es seinen Persönlichkeiten wie
seinen Principien nach näher steht, als der Rechten, bedeutend ein und zog mehrere
Mitglieder dieser zur Anschlußpartei herüber. Ohnehin war die Linke in der zweiten
Kammer bei Weitem nicht so entschieden in ihrem Widerstande gegen den preußisch-
deutscheu Bundesstaat, wie ihre Parteigenossen in der ersten Kammer. Ja es schien
beinahe, als bekämpfe sie ihn nnr widerstrebend, um das Princip und ihr Gewissen
zu retten, aber ohne selbst ernstlich ihren Sieg oder die Niederlage der Bundes-
staatSpartci zu wünschen -- tsunqMin M vwcere nollonl. Nur die äußerste Linke
machte davon eine Ausnahme. Es zeigte sich daher auch aus Seiten der Linken
eine gewisse Courtoisie im Gebrauche der Waffen gegen die BnudeöstaatSpartei,
welche von dieser letztem erwiedert ward und vou welcher selbst die äußerste Lücke
sich nicht ganz entfernte, so daß ein eigentlich feindseliger nud erbitterter Kampf
nnr zwischen der Bnndesstaatöpartei und dein Ministerium sammt seinen Anhängern,
zum Theil auch zwischen diesem und der Linken geführt ward. Denn die Linke
in der zweiten Kammer beging nicht den Fehler, den die Linke in der ersten
Kammer sich hatte zu Schulden kommen lassen: die Regierung zu schonen, wohl
gar zu loben -- ans Haß gegen die Bnndesstaatspartei.

Schon der Beginn der Verhandlungen zeigte die wesentlich günstigeren Ad-
speeten für die deutsche Sache in dieser Kammer. Von achtzehn im Voraus au¬
gemeldeten Sprechern waren dreizehn für und nur fünf gegen die Anträge der
Ausschnßmchrheit eingeschrieben. Von den letztern gehörten vier der Linken, einer
der äußersten Rechten an. Auf Seiten der Linken eröffnete den Kampf Wigand
ans Leipzig, der bekannte Herausgeber der weiland Halleschen Jahrbücher, ein
feuriger Redner, aber häufig ohne Klarheit und sichern Zusammenhang in seinen
Reden wie in den Anträgen, durch welche er oft seine eigene Partei überrascht.
Auch seine heutige Rede bewegte sich mit kühnem Schwunge, aber in eometen-


16*

schen Sache, zum Theil wohl auch der Einfluß, deu die Stimmung um Lande
lind die speziellen Wünsche ihrer Wahlkreise auf sie übten, daß sie trotz jener
Rücksichten dennoch gegen das Ministerium sich erklärten. Von nicht geringem
Einfluß ans diesen Theil der Rechten war das Beispiel der ehemaligen Minister
Braun und Held, desgleichen Har kort's, eines Mannes von streng conser-
vativen und höchst achtbaren Charakter, der, ein getreuer Anhänger des Mini¬
steriums in allen innern Fragen, dennoch in dieser Frage sich von ihm trennte.

Es hatte sich seit dem Anfange des neuen Jahres unter Kling er's und
Fnnkhänel's Leitung ein Centrum gebildet. Dasselbe zählte zwar nur acht Mit¬
glieder in der zweiten Kammer, von denen drei bis dahin der Linken, fünf der
Rechten angehört hatten. Allein diese kleine Zahl war ausschlaggebend durch festes
Zusammenhalten und durch die Stellung, die sie zwischen den beiden, numerisch
sast ganz gleichen Hauptparteien einnahm. Dieses Centrum nun stand in der dent-
schen Frage wie ein Mann für alle Anträge der AuSschnßmehrheit, wirkte durch
seine entschlossene Haltung auch auf die Linke, der es seinen Persönlichkeiten wie
seinen Principien nach näher steht, als der Rechten, bedeutend ein und zog mehrere
Mitglieder dieser zur Anschlußpartei herüber. Ohnehin war die Linke in der zweiten
Kammer bei Weitem nicht so entschieden in ihrem Widerstande gegen den preußisch-
deutscheu Bundesstaat, wie ihre Parteigenossen in der ersten Kammer. Ja es schien
beinahe, als bekämpfe sie ihn nnr widerstrebend, um das Princip und ihr Gewissen
zu retten, aber ohne selbst ernstlich ihren Sieg oder die Niederlage der Bundes-
staatSpartci zu wünschen — tsunqMin M vwcere nollonl. Nur die äußerste Linke
machte davon eine Ausnahme. Es zeigte sich daher auch aus Seiten der Linken
eine gewisse Courtoisie im Gebrauche der Waffen gegen die BnudeöstaatSpartei,
welche von dieser letztem erwiedert ward und vou welcher selbst die äußerste Lücke
sich nicht ganz entfernte, so daß ein eigentlich feindseliger nud erbitterter Kampf
nnr zwischen der Bnndesstaatöpartei und dein Ministerium sammt seinen Anhängern,
zum Theil auch zwischen diesem und der Linken geführt ward. Denn die Linke
in der zweiten Kammer beging nicht den Fehler, den die Linke in der ersten
Kammer sich hatte zu Schulden kommen lassen: die Regierung zu schonen, wohl
gar zu loben — ans Haß gegen die Bnndesstaatspartei.

Schon der Beginn der Verhandlungen zeigte die wesentlich günstigeren Ad-
speeten für die deutsche Sache in dieser Kammer. Von achtzehn im Voraus au¬
gemeldeten Sprechern waren dreizehn für und nur fünf gegen die Anträge der
Ausschnßmchrheit eingeschrieben. Von den letztern gehörten vier der Linken, einer
der äußersten Rechten an. Auf Seiten der Linken eröffnete den Kampf Wigand
ans Leipzig, der bekannte Herausgeber der weiland Halleschen Jahrbücher, ein
feuriger Redner, aber häufig ohne Klarheit und sichern Zusammenhang in seinen
Reden wie in den Anträgen, durch welche er oft seine eigene Partei überrascht.
Auch seine heutige Rede bewegte sich mit kühnem Schwunge, aber in eometen-


16*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0131" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185467"/>
          <p xml:id="ID_367" prev="#ID_366"> schen Sache, zum Theil wohl auch der Einfluß, deu die Stimmung um Lande<lb/>
lind die speziellen Wünsche ihrer Wahlkreise auf sie übten, daß sie trotz jener<lb/>
Rücksichten dennoch gegen das Ministerium sich erklärten. Von nicht geringem<lb/>
Einfluß ans diesen Theil der Rechten war das Beispiel der ehemaligen Minister<lb/>
Braun und Held, desgleichen Har kort's, eines Mannes von streng conser-<lb/>
vativen und höchst achtbaren Charakter, der, ein getreuer Anhänger des Mini¬<lb/>
steriums in allen innern Fragen, dennoch in dieser Frage sich von ihm trennte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_368"> Es hatte sich seit dem Anfange des neuen Jahres unter Kling er's und<lb/>
Fnnkhänel's Leitung ein Centrum gebildet. Dasselbe zählte zwar nur acht Mit¬<lb/>
glieder in der zweiten Kammer, von denen drei bis dahin der Linken, fünf der<lb/>
Rechten angehört hatten. Allein diese kleine Zahl war ausschlaggebend durch festes<lb/>
Zusammenhalten und durch die Stellung, die sie zwischen den beiden, numerisch<lb/>
sast ganz gleichen Hauptparteien einnahm. Dieses Centrum nun stand in der dent-<lb/>
schen Frage wie ein Mann für alle Anträge der AuSschnßmehrheit, wirkte durch<lb/>
seine entschlossene Haltung auch auf die Linke, der es seinen Persönlichkeiten wie<lb/>
seinen Principien nach näher steht, als der Rechten, bedeutend ein und zog mehrere<lb/>
Mitglieder dieser zur Anschlußpartei herüber. Ohnehin war die Linke in der zweiten<lb/>
Kammer bei Weitem nicht so entschieden in ihrem Widerstande gegen den preußisch-<lb/>
deutscheu Bundesstaat, wie ihre Parteigenossen in der ersten Kammer. Ja es schien<lb/>
beinahe, als bekämpfe sie ihn nnr widerstrebend, um das Princip und ihr Gewissen<lb/>
zu retten, aber ohne selbst ernstlich ihren Sieg oder die Niederlage der Bundes-<lb/>
staatSpartci zu wünschen &#x2014; tsunqMin M vwcere nollonl. Nur die äußerste Linke<lb/>
machte davon eine Ausnahme. Es zeigte sich daher auch aus Seiten der Linken<lb/>
eine gewisse Courtoisie im Gebrauche der Waffen gegen die BnudeöstaatSpartei,<lb/>
welche von dieser letztem erwiedert ward und vou welcher selbst die äußerste Lücke<lb/>
sich nicht ganz entfernte, so daß ein eigentlich feindseliger nud erbitterter Kampf<lb/>
nnr zwischen der Bnndesstaatöpartei und dein Ministerium sammt seinen Anhängern,<lb/>
zum Theil auch zwischen diesem und der Linken geführt ward. Denn die Linke<lb/>
in der zweiten Kammer beging nicht den Fehler, den die Linke in der ersten<lb/>
Kammer sich hatte zu Schulden kommen lassen: die Regierung zu schonen, wohl<lb/>
gar zu loben &#x2014; ans Haß gegen die Bnndesstaatspartei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_369" next="#ID_370"> Schon der Beginn der Verhandlungen zeigte die wesentlich günstigeren Ad-<lb/>
speeten für die deutsche Sache in dieser Kammer. Von achtzehn im Voraus au¬<lb/>
gemeldeten Sprechern waren dreizehn für und nur fünf gegen die Anträge der<lb/>
Ausschnßmchrheit eingeschrieben. Von den letztern gehörten vier der Linken, einer<lb/>
der äußersten Rechten an. Auf Seiten der Linken eröffnete den Kampf Wigand<lb/>
ans Leipzig, der bekannte Herausgeber der weiland Halleschen Jahrbücher, ein<lb/>
feuriger Redner, aber häufig ohne Klarheit und sichern Zusammenhang in seinen<lb/>
Reden wie in den Anträgen, durch welche er oft seine eigene Partei überrascht.<lb/>
Auch seine heutige Rede bewegte sich mit kühnem Schwunge, aber in eometen-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 16*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0131] schen Sache, zum Theil wohl auch der Einfluß, deu die Stimmung um Lande lind die speziellen Wünsche ihrer Wahlkreise auf sie übten, daß sie trotz jener Rücksichten dennoch gegen das Ministerium sich erklärten. Von nicht geringem Einfluß ans diesen Theil der Rechten war das Beispiel der ehemaligen Minister Braun und Held, desgleichen Har kort's, eines Mannes von streng conser- vativen und höchst achtbaren Charakter, der, ein getreuer Anhänger des Mini¬ steriums in allen innern Fragen, dennoch in dieser Frage sich von ihm trennte. Es hatte sich seit dem Anfange des neuen Jahres unter Kling er's und Fnnkhänel's Leitung ein Centrum gebildet. Dasselbe zählte zwar nur acht Mit¬ glieder in der zweiten Kammer, von denen drei bis dahin der Linken, fünf der Rechten angehört hatten. Allein diese kleine Zahl war ausschlaggebend durch festes Zusammenhalten und durch die Stellung, die sie zwischen den beiden, numerisch sast ganz gleichen Hauptparteien einnahm. Dieses Centrum nun stand in der dent- schen Frage wie ein Mann für alle Anträge der AuSschnßmehrheit, wirkte durch seine entschlossene Haltung auch auf die Linke, der es seinen Persönlichkeiten wie seinen Principien nach näher steht, als der Rechten, bedeutend ein und zog mehrere Mitglieder dieser zur Anschlußpartei herüber. Ohnehin war die Linke in der zweiten Kammer bei Weitem nicht so entschieden in ihrem Widerstande gegen den preußisch- deutscheu Bundesstaat, wie ihre Parteigenossen in der ersten Kammer. Ja es schien beinahe, als bekämpfe sie ihn nnr widerstrebend, um das Princip und ihr Gewissen zu retten, aber ohne selbst ernstlich ihren Sieg oder die Niederlage der Bundes- staatSpartci zu wünschen — tsunqMin M vwcere nollonl. Nur die äußerste Linke machte davon eine Ausnahme. Es zeigte sich daher auch aus Seiten der Linken eine gewisse Courtoisie im Gebrauche der Waffen gegen die BnudeöstaatSpartei, welche von dieser letztem erwiedert ward und vou welcher selbst die äußerste Lücke sich nicht ganz entfernte, so daß ein eigentlich feindseliger nud erbitterter Kampf nnr zwischen der Bnndesstaatöpartei und dein Ministerium sammt seinen Anhängern, zum Theil auch zwischen diesem und der Linken geführt ward. Denn die Linke in der zweiten Kammer beging nicht den Fehler, den die Linke in der ersten Kammer sich hatte zu Schulden kommen lassen: die Regierung zu schonen, wohl gar zu loben — ans Haß gegen die Bnndesstaatspartei. Schon der Beginn der Verhandlungen zeigte die wesentlich günstigeren Ad- speeten für die deutsche Sache in dieser Kammer. Von achtzehn im Voraus au¬ gemeldeten Sprechern waren dreizehn für und nur fünf gegen die Anträge der Ausschnßmchrheit eingeschrieben. Von den letztern gehörten vier der Linken, einer der äußersten Rechten an. Auf Seiten der Linken eröffnete den Kampf Wigand ans Leipzig, der bekannte Herausgeber der weiland Halleschen Jahrbücher, ein feuriger Redner, aber häufig ohne Klarheit und sichern Zusammenhang in seinen Reden wie in den Anträgen, durch welche er oft seine eigene Partei überrascht. Auch seine heutige Rede bewegte sich mit kühnem Schwunge, aber in eometen- 16*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/131
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/131>, abgerufen am 01.10.2024.