Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.daß Carlowitz seine Anträge aufgegeben und sich denen deö Abgeordneten Die Verhandlungen begannen am 16. Februar; sie währten zwei Tage. Nur daß Carlowitz seine Anträge aufgegeben und sich denen deö Abgeordneten Die Verhandlungen begannen am 16. Februar; sie währten zwei Tage. Nur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185349"/> <p xml:id="ID_20" prev="#ID_19"> daß Carlowitz seine Anträge aufgegeben und sich denen deö Abgeordneten<lb/> Küttner angeschlossen hatte, welche freilich die präcise Fassung jener vermissen<lb/> ließen. Der Berichterstatter Schenck wollte zwar eine Wiederbeschickung des<lb/> Verwaltungsrathes, aber zugleich „solche Abänderungsvorschläge zu dem Entwurf<lb/> vom 26. Mai, welche die Regierung nunmehr für nöthig erachte", und eine Mit¬<lb/> theilung des Resultates dieser Verhandlungen an die Kammer». Bis dahin sollten<lb/> die Anträge des Abgeordneten v. Carlowitz auf sich beruhen. Männer (ein<lb/> Mitglied der ehemaligen Frankfurter Linken) verlangte die Berufung einer neuen<lb/> Rationalversammlung auf Grund des Wahlgesetzes vom 27. Mai 1849 zur Re¬<lb/> vision der in Frankfurt beschlossenen Verfassung, insbesondere des „unausführbar<lb/> gewordenen" Abschnitts vom Rcichsoberhanpte. Ein zweites Mitglied der Linken,<lb/> gleichfalls ein ehemaliger Frankfurter, Joseph, „enthielt sich zur Zeit der<lb/> Stellung specieller Anträge", verfolgte also die beliebte Politik des Abwartens.<lb/> Keiner der Antragsteller, außer dem Berichterstatter, hatte sich die Mühe genom¬<lb/> men, die Motive seiner Anträge und die entscheidenden Momente der Frage,<lb/> worüber Beschluß gesaßt werden sollte, in schriftlicher Auseinandersetzung der Kammer<lb/> vorzulegen. Und doch wäre dies so nöthig gewesen für eine Versammlung,<lb/> von welcher vielleicht mehr als die Hälfte noch ohne klare Vorstellung von der<lb/> eigentlichen Sachlage, auch kaum im Stande war, eine solche aus den dickleibigen<lb/> und dennoch unvollständigen Vorlagen der Negierung zu gewinnen. Der Bericht<lb/> selbst war eine äußerst durstige Arbeit. Er schloß sich fast in allen Punkten den<lb/> Ansichten und Behauptungen der Regierung an, ohne tiefer eingehende selbst¬<lb/> ständige Prüfung, ohne höheres politisches und staatsrechtliches Urtheil; er hieß<lb/> Alles gut, was die Regierung gethan, ein paar unbedeutende formelle Aus¬<lb/> stellungen abgerechnet. In deu Kammern eirculirte das Wihwort: es sei ein<lb/> Druckfehler auf dem Titel des Berichts; statt: „Berichterstatter Schenck" müsse<lb/> es heißen: „Berichterstatter Beust."</p><lb/> <p xml:id="ID_21" next="#ID_22"> Die Verhandlungen begannen am 16. Februar; sie währten zwei Tage. Nur<lb/> drei Redner erklärten sich fest und bestimmt, ohne „Wenn's" »ud „Wie's", für<lb/> den Anschluß an Preußen, die beiden Antragsteller Küttner und v. Carlowitz<lb/> und neben ihnen der Abgeordnete Kretschmar. Die Rede, in welcher v. Ear-<lb/> lowitz seine Anträge begründete, war ein vratorisches Kunstwerk im edelsten Style.<lb/> Die ganze altbewährte Meisterschaft des gewaltigen Redners leuchtete daraus her¬<lb/> vor, noch verklärt durch das Medium des großen patriotischen Gedankens, in dessen<lb/> reinem und warmem Aether sich diese Rede bewegte. In seinem frühern parla¬<lb/> mentarischen Wirten war Herr v. Carlowitz durch seinen Standpunkt, den des<lb/> historischen Rechts, vorzugsweise ans die Politik des Widerstandes gegen die vor¬<lb/> wärtsdrängenden Tagesmeinungen angewiesen. Die „Maßlosigkeit" des Jahres<lb/> 1848 (wie er es freimüthig nannte) fand daher begreiflicher Weise an ihm keinen<lb/> sonderlichen Freund und Bewunderer. Aber ein großer schöpferischer Gedanke,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
daß Carlowitz seine Anträge aufgegeben und sich denen deö Abgeordneten
Küttner angeschlossen hatte, welche freilich die präcise Fassung jener vermissen
ließen. Der Berichterstatter Schenck wollte zwar eine Wiederbeschickung des
Verwaltungsrathes, aber zugleich „solche Abänderungsvorschläge zu dem Entwurf
vom 26. Mai, welche die Regierung nunmehr für nöthig erachte", und eine Mit¬
theilung des Resultates dieser Verhandlungen an die Kammer». Bis dahin sollten
die Anträge des Abgeordneten v. Carlowitz auf sich beruhen. Männer (ein
Mitglied der ehemaligen Frankfurter Linken) verlangte die Berufung einer neuen
Rationalversammlung auf Grund des Wahlgesetzes vom 27. Mai 1849 zur Re¬
vision der in Frankfurt beschlossenen Verfassung, insbesondere des „unausführbar
gewordenen" Abschnitts vom Rcichsoberhanpte. Ein zweites Mitglied der Linken,
gleichfalls ein ehemaliger Frankfurter, Joseph, „enthielt sich zur Zeit der
Stellung specieller Anträge", verfolgte also die beliebte Politik des Abwartens.
Keiner der Antragsteller, außer dem Berichterstatter, hatte sich die Mühe genom¬
men, die Motive seiner Anträge und die entscheidenden Momente der Frage,
worüber Beschluß gesaßt werden sollte, in schriftlicher Auseinandersetzung der Kammer
vorzulegen. Und doch wäre dies so nöthig gewesen für eine Versammlung,
von welcher vielleicht mehr als die Hälfte noch ohne klare Vorstellung von der
eigentlichen Sachlage, auch kaum im Stande war, eine solche aus den dickleibigen
und dennoch unvollständigen Vorlagen der Negierung zu gewinnen. Der Bericht
selbst war eine äußerst durstige Arbeit. Er schloß sich fast in allen Punkten den
Ansichten und Behauptungen der Regierung an, ohne tiefer eingehende selbst¬
ständige Prüfung, ohne höheres politisches und staatsrechtliches Urtheil; er hieß
Alles gut, was die Regierung gethan, ein paar unbedeutende formelle Aus¬
stellungen abgerechnet. In deu Kammern eirculirte das Wihwort: es sei ein
Druckfehler auf dem Titel des Berichts; statt: „Berichterstatter Schenck" müsse
es heißen: „Berichterstatter Beust."
Die Verhandlungen begannen am 16. Februar; sie währten zwei Tage. Nur
drei Redner erklärten sich fest und bestimmt, ohne „Wenn's" »ud „Wie's", für
den Anschluß an Preußen, die beiden Antragsteller Küttner und v. Carlowitz
und neben ihnen der Abgeordnete Kretschmar. Die Rede, in welcher v. Ear-
lowitz seine Anträge begründete, war ein vratorisches Kunstwerk im edelsten Style.
Die ganze altbewährte Meisterschaft des gewaltigen Redners leuchtete daraus her¬
vor, noch verklärt durch das Medium des großen patriotischen Gedankens, in dessen
reinem und warmem Aether sich diese Rede bewegte. In seinem frühern parla¬
mentarischen Wirten war Herr v. Carlowitz durch seinen Standpunkt, den des
historischen Rechts, vorzugsweise ans die Politik des Widerstandes gegen die vor¬
wärtsdrängenden Tagesmeinungen angewiesen. Die „Maßlosigkeit" des Jahres
1848 (wie er es freimüthig nannte) fand daher begreiflicher Weise an ihm keinen
sonderlichen Freund und Bewunderer. Aber ein großer schöpferischer Gedanke,
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