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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Stämmen gleich geachtet, unerbittlich streng gegen seine Freunde und mild gegen
den besiegten Feind, berechnend im Entwurf nud energisch in der Ausführung,
verband er die Biederkeit des Deutschen mit der Großmut!) und glühenden Vater¬
landsliebe des Magyaren. Es ist bekannt, daß ihm die Magyaren den Besitz der
Festung Leopoldstadt verdankten, welche später Ordody verrathen hat, daß eriuComorn
während des Bombardements durch Weiden lag, und daß er als ein echter Sohn
seines Vaterlandes kämpfte und unter der Hand des Henkers endete. Damals
verwaltete er sein Amt noch in des Königs Namen und trat unter seiner Autorität
dem rohen Aufstand entgegen. Eilboten flogen nach allen Richtungen, die Beamten¬
schaft, der junge Adel, die Studenten, die ncuorgauisirten Nationalgarten, Frei¬
willige aus allen Standen eilten zusammen, um mit deu Waffen die Feinde der
geschlichen Ordnung und des Eigenthums in ihre Schlupfwinkel zurückzutreiben.
Es war fast kein Dorf in der Gespauuschaft, auch kein slovakisches, das nicht sein
kleines Contingent zu diesem Zuge gestellt hätte, natürlich das Nest Hnrban's in
der Gegend von Miava ausgenommen.

Als ich vou einem Ausfluge in meinem Geburtsort, einem Dorf von 1500 Ein¬
wohnern, ankam, faud ich die guten Leute in höchst kriegerischer Aufregung; die
Männer eilten zum Theil in der Uniform der ungarischen Nationalgarten, die Gewehre
in der Hand, auf deu Sammelplatz, die Weiber liefen vou Haus zu Haus und zu¬
meist nachher Schenke mit den Feldflaschen ihrer Männer bewaffnet, und ein großer
Hause von Kindern rannte mit rothen Backen und offenen Mäulern hinter jedem Ein¬
zelnen der Helden her, welche für das Vaterland ausziehen sollten. Der kriegerische
Lärm in meinem friedlichen Dorfe vernichtete mit wunderbarer Schnelligkeit meine
guten Vorsätze; ich nahm meine Büchse von der Wand, setzte einen ungarischen
Schlapphut auf meinen Kopf und eilte zu der geräuschvollen Schaar, welche mir
ihre Freude darüber zu erkennen gab, daß ich zu ihrem Lieutenant ernannt
worden war. Als Unterlieutenant einer Compagnie Landsturm zog ich mit 84
wackern Burschen uuter Anführung eines Hauptmannes der Nationalgarde in den
Bürgerkrieg. Die Dorfbewohner begleiteten uns bis an die letzten Häuser und
riefen uns deu Schcidegruß zu: "LIM a'Im/a," "es lebe das Vaterland!" --
Ich werde keine Schlachten beschreiben und keine Heldenthaten erzählen, der unga¬
rische Krieg hat so viele Detailschilderuugeu und eine solche Fluth vou Büchern
verursacht, daß die Erlebnisse und Leiden meines Volkes den Vorzug fast verloren
haben, die deutschen Leser zu unterhalten. Was diesen Schilderungen nordslavischer
Verhältnisse vielleicht einigen Antheil erwirbt, ist gerade der Umstand, daß der
Erzähler keine Heldenthaten von sich und seinen Freunden zu berichten hat, ja
eher das Gegentheil.

Am 17. Septbr. zog meine herzhafte Compagnie von Osztro her in der Stadt
Verb" ein, wo sich der Landsturm ans der Gegend zusammenzog. Aus deu nahen
Dörfern, welche dem Anfall der Räuber am meisten ausgesetzt waren, fanden wir


Stämmen gleich geachtet, unerbittlich streng gegen seine Freunde und mild gegen
den besiegten Feind, berechnend im Entwurf nud energisch in der Ausführung,
verband er die Biederkeit des Deutschen mit der Großmut!) und glühenden Vater¬
landsliebe des Magyaren. Es ist bekannt, daß ihm die Magyaren den Besitz der
Festung Leopoldstadt verdankten, welche später Ordody verrathen hat, daß eriuComorn
während des Bombardements durch Weiden lag, und daß er als ein echter Sohn
seines Vaterlandes kämpfte und unter der Hand des Henkers endete. Damals
verwaltete er sein Amt noch in des Königs Namen und trat unter seiner Autorität
dem rohen Aufstand entgegen. Eilboten flogen nach allen Richtungen, die Beamten¬
schaft, der junge Adel, die Studenten, die ncuorgauisirten Nationalgarten, Frei¬
willige aus allen Standen eilten zusammen, um mit deu Waffen die Feinde der
geschlichen Ordnung und des Eigenthums in ihre Schlupfwinkel zurückzutreiben.
Es war fast kein Dorf in der Gespauuschaft, auch kein slovakisches, das nicht sein
kleines Contingent zu diesem Zuge gestellt hätte, natürlich das Nest Hnrban's in
der Gegend von Miava ausgenommen.

Als ich vou einem Ausfluge in meinem Geburtsort, einem Dorf von 1500 Ein¬
wohnern, ankam, faud ich die guten Leute in höchst kriegerischer Aufregung; die
Männer eilten zum Theil in der Uniform der ungarischen Nationalgarten, die Gewehre
in der Hand, auf deu Sammelplatz, die Weiber liefen vou Haus zu Haus und zu¬
meist nachher Schenke mit den Feldflaschen ihrer Männer bewaffnet, und ein großer
Hause von Kindern rannte mit rothen Backen und offenen Mäulern hinter jedem Ein¬
zelnen der Helden her, welche für das Vaterland ausziehen sollten. Der kriegerische
Lärm in meinem friedlichen Dorfe vernichtete mit wunderbarer Schnelligkeit meine
guten Vorsätze; ich nahm meine Büchse von der Wand, setzte einen ungarischen
Schlapphut auf meinen Kopf und eilte zu der geräuschvollen Schaar, welche mir
ihre Freude darüber zu erkennen gab, daß ich zu ihrem Lieutenant ernannt
worden war. Als Unterlieutenant einer Compagnie Landsturm zog ich mit 84
wackern Burschen uuter Anführung eines Hauptmannes der Nationalgarde in den
Bürgerkrieg. Die Dorfbewohner begleiteten uns bis an die letzten Häuser und
riefen uns deu Schcidegruß zu: „LIM a'Im/a," „es lebe das Vaterland!" —
Ich werde keine Schlachten beschreiben und keine Heldenthaten erzählen, der unga¬
rische Krieg hat so viele Detailschilderuugeu und eine solche Fluth vou Büchern
verursacht, daß die Erlebnisse und Leiden meines Volkes den Vorzug fast verloren
haben, die deutschen Leser zu unterhalten. Was diesen Schilderungen nordslavischer
Verhältnisse vielleicht einigen Antheil erwirbt, ist gerade der Umstand, daß der
Erzähler keine Heldenthaten von sich und seinen Freunden zu berichten hat, ja
eher das Gegentheil.

Am 17. Septbr. zog meine herzhafte Compagnie von Osztro her in der Stadt
Verb» ein, wo sich der Landsturm ans der Gegend zusammenzog. Aus deu nahen
Dörfern, welche dem Anfall der Räuber am meisten ausgesetzt waren, fanden wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/118>, abgerufen am 25.08.2024.