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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Grafen Karl Zay, von dem Kirche"rathe zu Preßburg "lehr"ials verwarnt, und
endlich von seine": Amte suspendirt. So traf ihn die Revolution, persönlich ge¬
tränkt durch die Magyaren, fanatisirt durch die slavischen Träume des Jahres 1848,
von Natur grimmig und gewaltsam, ohne Grundsätze und ohne Bildung. Seine
rohe Beredtsamkeit hatte ihm die Seelen der wilden Bergbewohner unterworfen,
er hielt in der Schenke und vom bretternen Gerüst seiue Predigten für einen
slavischen Kreuzzug gegen die Ungarn. Nach Miava strömten die Einwohner von
Stara Tura und Ludim, Einige von Brezova und Szobotist und die Leute aus
den einsamen Weilern des Grenzgebirges zusammen, der Schmuggler trug sein
Gewehr bei Hellem Tag auf dem Marktplatz, der Schnitter wetzte seiue Sense
und der Fuhrmann legte einen alten Neitersattel auf sein Lastpferd, um gegen den
Feind seines Glaubens auszureiten. Das ganze Volk der Grenze, abenteuerlich
und thatcnlnstig, war sehr lüstern in die südlichen Gegenden, wo es sich sein Brot
durch saure Arbeit verdient hatte, einen Kriegszug zu unternehmen. Und Hurban
verstand sie zu begeistern, er predigte von dem großen Slaveureich uuter Svatopluk
und Libnssa, von den schönen El'eilen, welche die rebellischen Magyaren dem
Slavenreich entrissen haben, indem sie höhnend dem slavischen Könige ein
weißes Pferd als Kaufpreis gaben. Jetzt sei der Tag gekommen, das alte Eigen¬
thum zurück zu holen, in Pesth werde der Slovak die Arme seiner südlichem Brü¬
der geöffnet finde", der Serbe" und Kroate", welche damals uuter Jellachich über
die Dra" gezogen waren. Gute Helfer faud Hurbau uuter dem stvvakischeu
Baueruadel, der in dem District von Miava sehr zahlreich und mit deu ungarischen
Reformen sehr unzufrieden war.

Dieser adelige Pöbel hatte unter der alten Constitution nur zwei Privilegien,
die für ihn Werth haben konnten, nämlich das Recht bei einer Beamten- oder
Deputirtenwahl des Comitats sein Votum der einen oder der audern Partei für
10 Halbe Wein und 2 Gulden Münze zu verkaufe", und außerdem die Steuer¬
freiheit. Der Preßburger Landtag vou 184Z halte ihm die Steuerfreiheit genom¬
men, indem er die gleiche Besteuerung für alle Landesbewohner aussprach, sein
Stnmurecht wurde durch das allgemeine, nnr dnrch einen kleine" Census beschränkte
Stünmrecht, welches derselbe Landtag aussprach, werth- und nutzlos gemacht.
Zu dem unliebenswürdigen Gemisch von slavischen und räuberischen Gelüsten und
östreichische Gutgcsinntheit kam so bei dem Baueradel noch die romantisch-ritterliche
Idee der Vertheidigung von alten vielverbrieften LehcnSrechten. Die Miavaner,
praktische Köpfe, benutzten die Lehren ihres Meisters zuerst für ihren eigenen
Nutzen, und erschienen erst dann in dem Lager ihres Apostels, nachdem sie i"
ihrer Heimat einige herrschaftliche Schlösser und die Judengemeinden in Wagueu-
stadtl, Brezova, Szobotist und a. O. überfalle" und ausgeplündert hatten. So
eingeweiht u"d mit Beute versehen, sollte der Zug dieser slovatische" Bande"
nach Süden über Verbo, Wagneustadtl und Neutra gegen Pesth beginne".


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Grafen Karl Zay, von dem Kirche»rathe zu Preßburg »lehr»ials verwarnt, und
endlich von seine»: Amte suspendirt. So traf ihn die Revolution, persönlich ge¬
tränkt durch die Magyaren, fanatisirt durch die slavischen Träume des Jahres 1848,
von Natur grimmig und gewaltsam, ohne Grundsätze und ohne Bildung. Seine
rohe Beredtsamkeit hatte ihm die Seelen der wilden Bergbewohner unterworfen,
er hielt in der Schenke und vom bretternen Gerüst seiue Predigten für einen
slavischen Kreuzzug gegen die Ungarn. Nach Miava strömten die Einwohner von
Stara Tura und Ludim, Einige von Brezova und Szobotist und die Leute aus
den einsamen Weilern des Grenzgebirges zusammen, der Schmuggler trug sein
Gewehr bei Hellem Tag auf dem Marktplatz, der Schnitter wetzte seiue Sense
und der Fuhrmann legte einen alten Neitersattel auf sein Lastpferd, um gegen den
Feind seines Glaubens auszureiten. Das ganze Volk der Grenze, abenteuerlich
und thatcnlnstig, war sehr lüstern in die südlichen Gegenden, wo es sich sein Brot
durch saure Arbeit verdient hatte, einen Kriegszug zu unternehmen. Und Hurban
verstand sie zu begeistern, er predigte von dem großen Slaveureich uuter Svatopluk
und Libnssa, von den schönen El'eilen, welche die rebellischen Magyaren dem
Slavenreich entrissen haben, indem sie höhnend dem slavischen Könige ein
weißes Pferd als Kaufpreis gaben. Jetzt sei der Tag gekommen, das alte Eigen¬
thum zurück zu holen, in Pesth werde der Slovak die Arme seiner südlichem Brü¬
der geöffnet finde», der Serbe» und Kroate», welche damals uuter Jellachich über
die Dra» gezogen waren. Gute Helfer faud Hurbau uuter dem stvvakischeu
Baueruadel, der in dem District von Miava sehr zahlreich und mit deu ungarischen
Reformen sehr unzufrieden war.

Dieser adelige Pöbel hatte unter der alten Constitution nur zwei Privilegien,
die für ihn Werth haben konnten, nämlich das Recht bei einer Beamten- oder
Deputirtenwahl des Comitats sein Votum der einen oder der audern Partei für
10 Halbe Wein und 2 Gulden Münze zu verkaufe», und außerdem die Steuer¬
freiheit. Der Preßburger Landtag vou 184Z halte ihm die Steuerfreiheit genom¬
men, indem er die gleiche Besteuerung für alle Landesbewohner aussprach, sein
Stnmurecht wurde durch das allgemeine, nnr dnrch einen kleine» Census beschränkte
Stünmrecht, welches derselbe Landtag aussprach, werth- und nutzlos gemacht.
Zu dem unliebenswürdigen Gemisch von slavischen und räuberischen Gelüsten und
östreichische Gutgcsinntheit kam so bei dem Baueradel noch die romantisch-ritterliche
Idee der Vertheidigung von alten vielverbrieften LehcnSrechten. Die Miavaner,
praktische Köpfe, benutzten die Lehren ihres Meisters zuerst für ihren eigenen
Nutzen, und erschienen erst dann in dem Lager ihres Apostels, nachdem sie i»
ihrer Heimat einige herrschaftliche Schlösser und die Judengemeinden in Wagueu-
stadtl, Brezova, Szobotist und a. O. überfalle» und ausgeplündert hatten. So
eingeweiht u»d mit Beute versehen, sollte der Zug dieser slovatische» Bande»
nach Süden über Verbo, Wagneustadtl und Neutra gegen Pesth beginne».


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/115>, abgerufen am 22.07.2024.