Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.einen weitern Horizont und große Gesichtspunkte findet, hier nur kleinstädtische Sachsen ist, als souveräner Staat betrachtet, ein viel haltloseres Ganze, als Aus diesem Grunde konnte die polizeiliche Thätigkeit der Staatsgewalt viel Sachsen ist berufen, eine herrliche Rolle zu spielen als Theil eines größern Denken Sie sich die Herstellung des alten Bundes. Ist Oestreich und Preu¬ einen weitern Horizont und große Gesichtspunkte findet, hier nur kleinstädtische Sachsen ist, als souveräner Staat betrachtet, ein viel haltloseres Ganze, als Aus diesem Grunde konnte die polizeiliche Thätigkeit der Staatsgewalt viel Sachsen ist berufen, eine herrliche Rolle zu spielen als Theil eines größern Denken Sie sich die Herstellung des alten Bundes. Ist Oestreich und Preu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0091" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279639"/> <p xml:id="ID_291" prev="#ID_290"> einen weitern Horizont und große Gesichtspunkte findet, hier nur kleinstädtische<lb/> Interessen, das Herz des ganzen Volks wird in Berlin sein, und jeder strebsame<lb/> und ehrgeizige Kopf wird herüberwandern, wo er allein einen angemessenen Schau¬<lb/> platz findet. Schon zu den Zeiten des Central-Landtags hat sich die sächsische<lb/> Publicistik weit mehr mit Berlin beschäftigt, als mit Dresden. Zuletzt wird in<lb/> den sächsischen Kammern Niemand mehr sitzen wollen, als die kleinen Winkel¬<lb/> radikalen, die in derartigen Interessen ganz zu Hause sind, und dann mögen Sie<lb/> zusehn, wie Sie mit ihnen fertig werden. Zum zweite» Mal wird Preußen nach<lb/> seiner jetzigen Erfahrung nicht die Rolle des uneigennützigen Friedensstifters spielen.</p><lb/> <p xml:id="ID_292"> Sachsen ist, als souveräner Staat betrachtet, ein viel haltloseres Ganze, als<lb/> selbst Hamburg oder Lübeck. Diese Staaten haben wenigstens die See, Sachsen<lb/> liegt ja aber ganz in mächtige Nachbarstaaten eingekeilt. Dagegen steht Sachsen in<lb/> einer Beziehung allen übrigen deutschen Staaten voraus: in dem Sinn sür Ord¬<lb/> nung und Gesetzlichkeit, dem auch die letzten radikalen Bewegungen nicht Abbruch<lb/> gethan haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_293"> Aus diesem Grunde konnte die polizeiliche Thätigkeit der Staatsgewalt viel<lb/> humaner und milder in Sachsen sich äußern, als in dem benachbarten Preußen,<lb/> das, Dank sei es den weisen Urhebern der Wiener Verträge! eben seiner un¬<lb/> vollkommenen Abrundung wegen, ein permanentes Kriegslager bilden mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_294"> Sachsen ist berufen, eine herrliche Rolle zu spielen als Theil eines größern<lb/> Ganzen, daß es durch seine ehrenwerthen Kräfte ergänzt und mitbildct; als<lb/> Ganzes ist es eine höchst klägliche Figur, nicht nur seines kleinen Umfangs und<lb/> seiner Lage wegen, die ihm die größere Politik verschließt, sondern auch wegen<lb/> der Gleichartigkeit seiner Elemente, die so wenig wesentliche Differenzen darbietet,<lb/> daß eine einseitige Clique, Vaterlandsvereine, im Stande sein könnte, es auf<lb/> Jahre zu beherrschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_295"> Denken Sie sich die Herstellung des alten Bundes. Ist Oestreich und Preu¬<lb/> ßen einig, so wird Sachsen einfach gehorchen müssen, wie es früher gehorcht hat:<lb/> Liegen aber beide Staaten in Zwiespalt, so glauben Sie vielleicht, Sachsen werde<lb/> den Ausschlag geben? Weit gefehlt! Oestreich und Preußen werden heftige Mani¬<lb/> feste gegen einander erlassen, wie sie es jetzt thun, aber sie werden nicht so ein¬<lb/> fältig sein, sich ernsthaft zu befehden. Vielmehr wird Preußen die erste Gelegen¬<lb/> heit ergreifen, sein Müthchen an dem „kleinen Geist" zu kühlen, der sich „zwischen<lb/> die entbrannten Degenspitzen mächtigerer Gegner drängt", und Oestreich wird sich<lb/> dadurch revangiren, daß es bei der zweiten Gelegenheit dasselbe thut. HuiäPiiä<lb/> üeIir.Me i-e^of, plectuntur ^ciüvi! Das ist zu natürlich, um es zu vermeiden.<lb/> Zuletzt wird Alles, was politische Bildung und allgemeine Ideen hat, sich zu<lb/> Preußen hinneigen, und der Staat ist in seinem moralischen Fundament erschüttert.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0091]
einen weitern Horizont und große Gesichtspunkte findet, hier nur kleinstädtische
Interessen, das Herz des ganzen Volks wird in Berlin sein, und jeder strebsame
und ehrgeizige Kopf wird herüberwandern, wo er allein einen angemessenen Schau¬
platz findet. Schon zu den Zeiten des Central-Landtags hat sich die sächsische
Publicistik weit mehr mit Berlin beschäftigt, als mit Dresden. Zuletzt wird in
den sächsischen Kammern Niemand mehr sitzen wollen, als die kleinen Winkel¬
radikalen, die in derartigen Interessen ganz zu Hause sind, und dann mögen Sie
zusehn, wie Sie mit ihnen fertig werden. Zum zweite» Mal wird Preußen nach
seiner jetzigen Erfahrung nicht die Rolle des uneigennützigen Friedensstifters spielen.
Sachsen ist, als souveräner Staat betrachtet, ein viel haltloseres Ganze, als
selbst Hamburg oder Lübeck. Diese Staaten haben wenigstens die See, Sachsen
liegt ja aber ganz in mächtige Nachbarstaaten eingekeilt. Dagegen steht Sachsen in
einer Beziehung allen übrigen deutschen Staaten voraus: in dem Sinn sür Ord¬
nung und Gesetzlichkeit, dem auch die letzten radikalen Bewegungen nicht Abbruch
gethan haben.
Aus diesem Grunde konnte die polizeiliche Thätigkeit der Staatsgewalt viel
humaner und milder in Sachsen sich äußern, als in dem benachbarten Preußen,
das, Dank sei es den weisen Urhebern der Wiener Verträge! eben seiner un¬
vollkommenen Abrundung wegen, ein permanentes Kriegslager bilden mußte.
Sachsen ist berufen, eine herrliche Rolle zu spielen als Theil eines größern
Ganzen, daß es durch seine ehrenwerthen Kräfte ergänzt und mitbildct; als
Ganzes ist es eine höchst klägliche Figur, nicht nur seines kleinen Umfangs und
seiner Lage wegen, die ihm die größere Politik verschließt, sondern auch wegen
der Gleichartigkeit seiner Elemente, die so wenig wesentliche Differenzen darbietet,
daß eine einseitige Clique, Vaterlandsvereine, im Stande sein könnte, es auf
Jahre zu beherrschen.
Denken Sie sich die Herstellung des alten Bundes. Ist Oestreich und Preu¬
ßen einig, so wird Sachsen einfach gehorchen müssen, wie es früher gehorcht hat:
Liegen aber beide Staaten in Zwiespalt, so glauben Sie vielleicht, Sachsen werde
den Ausschlag geben? Weit gefehlt! Oestreich und Preußen werden heftige Mani¬
feste gegen einander erlassen, wie sie es jetzt thun, aber sie werden nicht so ein¬
fältig sein, sich ernsthaft zu befehden. Vielmehr wird Preußen die erste Gelegen¬
heit ergreifen, sein Müthchen an dem „kleinen Geist" zu kühlen, der sich „zwischen
die entbrannten Degenspitzen mächtigerer Gegner drängt", und Oestreich wird sich
dadurch revangiren, daß es bei der zweiten Gelegenheit dasselbe thut. HuiäPiiä
üeIir.Me i-e^of, plectuntur ^ciüvi! Das ist zu natürlich, um es zu vermeiden.
Zuletzt wird Alles, was politische Bildung und allgemeine Ideen hat, sich zu
Preußen hinneigen, und der Staat ist in seinem moralischen Fundament erschüttert.
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