Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.überzeugt davon, daß keiner unserer Minister ans östreichischen, keiner auf preu¬ Bleiben wir also lediglich bei dem sächsischen Standpunkt. Von diesem aus Sie behaupten: "Der Berliner Verfassungsentwurf verlangt von Sachsen sehr Freilich hat Sachsen einmal kraft souveräner Machtvollkommenheit dem Kaiser Das war also die Souveränität des sächsischen Staats in den goldenen Zeiten überzeugt davon, daß keiner unserer Minister ans östreichischen, keiner auf preu¬ Bleiben wir also lediglich bei dem sächsischen Standpunkt. Von diesem aus Sie behaupten: „Der Berliner Verfassungsentwurf verlangt von Sachsen sehr Freilich hat Sachsen einmal kraft souveräner Machtvollkommenheit dem Kaiser Das war also die Souveränität des sächsischen Staats in den goldenen Zeiten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0090" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279638"/> <p xml:id="ID_286" prev="#ID_285"> überzeugt davon, daß keiner unserer Minister ans östreichischen, keiner auf preu¬<lb/> ßischem, sondern alle, da sie sächsische Minister sind, zunächst auf sächsischem, und<lb/> sodann, da Sachsen zur Zeit weder ein Theil von Oestreich, noch ein Theil von<lb/> Preußen, sondern ein Theil von Dentschland ist, ans deutschem Standpunkte stehn."<lb/> Ich gehe sogar noch weiter als Sie, und erkläre den letzten Zusatz für überflüssig.<lb/> Denn der deutsche Standpunkt ist ein sehr schwankender, jeder einzelne denkt sich<lb/> nach seiner Neigung oder nach seinem Interesse etwas anderes dabei, und Deutsch¬<lb/> land liegt nicht außerhalb seiner einzelnen Staaten, es realistrt sich nur im ge-<lb/> funden Egoismus seiner Stämme.</p><lb/> <p xml:id="ID_287"> Bleiben wir also lediglich bei dem sächsischen Standpunkt. Von diesem aus<lb/> behaupte ich zweierlei. 1) Für Sachsen ist die Anschlußfrage keine freie Wahl,<lb/> sondern eine gebieterische Nothwendigkeit; 2) es gehen ihm aus dem Anschluß nur<lb/> die wesentlichsten Vortheile und keine Nachtheile hervor.</p><lb/> <p xml:id="ID_288"> Sie behaupten: „Der Berliner Verfassungsentwurf verlangt von Sachsen sehr<lb/> große Opfer, nicht blos von der Krone und der Negierung, sondern namentlich<lb/> auch von der Kammer, deren Rechte zu einem großen Theile auf das Parlament<lb/> übertragen werden sollen." Man sollte wirklich glauben, daß zu den Zeiten des<lb/> Bundestags die sächsische Regierung eine souveräne Großmacht in der Art Eng¬<lb/> lands und Frankreichs gewesen wäre, und daß die sächsischen Kammern den aller-<lb/> freiesten Horizont von der Welt gehabt hätten. Und doch ist der diplomatische<lb/> Verkehr Sachsens mit dem Auslande über Gebnrtstagsgratulationen u. tgi. nicht<lb/> herausgegangen, und doch warf man unermüdlich den Kammern, wenn sie irgend einen<lb/> Beschluß von Erheblichkeit fassen wollten, das Verbot des Bundestages, d. h.<lb/> Oestreichs und Preußens entgegen. ES ging so weit, daß der sächsische Minister<lb/> einen bedenklichen Bittsteller zuweilen an den preußischen Gesandten verwies. In<lb/> jedem Augenblick stand es in Oestreichs und Preußens Macht, den Leipziger Buch¬<lb/> handel zu unterdrücken, und es lag nur in dem guten Willen dieser Großmächte,<lb/> wenn sie ähnliche Maßregeln nicht auch auf weitere Industriezweige ausdehnen<lb/> wollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_289"> Freilich hat Sachsen einmal kraft souveräner Machtvollkommenheit dem Kaiser<lb/> Napoleon Vasallendienste geleistet. Aber damals war Sachsen mächtiger als jetzt,<lb/> ein ähnlicher Versuch würde verhängnißvolle Folgen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_290" next="#ID_291"> Das war also die Souveränität des sächsischen Staats in den goldenen Zeiten<lb/> des Bundestags. Aber die Sache steht jetzt viel schlimmer. Damals war Preußen<lb/> ein absoluter Staat und drückte nur mit äußerlicher Gewalt auf das Nachbarland,<lb/> jetzt ist es ein constitutioneller, und wird auch moralisch die Kräfte Sachsens ab-<lb/> sorbiren. Jeder Gebildete wird sich weit mehr für die Verhandlungen der preu¬<lb/> ßischen Kammern interesstren, als für die seines eigenen Landes, weil er dort</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0090]
überzeugt davon, daß keiner unserer Minister ans östreichischen, keiner auf preu¬
ßischem, sondern alle, da sie sächsische Minister sind, zunächst auf sächsischem, und
sodann, da Sachsen zur Zeit weder ein Theil von Oestreich, noch ein Theil von
Preußen, sondern ein Theil von Dentschland ist, ans deutschem Standpunkte stehn."
Ich gehe sogar noch weiter als Sie, und erkläre den letzten Zusatz für überflüssig.
Denn der deutsche Standpunkt ist ein sehr schwankender, jeder einzelne denkt sich
nach seiner Neigung oder nach seinem Interesse etwas anderes dabei, und Deutsch¬
land liegt nicht außerhalb seiner einzelnen Staaten, es realistrt sich nur im ge-
funden Egoismus seiner Stämme.
Bleiben wir also lediglich bei dem sächsischen Standpunkt. Von diesem aus
behaupte ich zweierlei. 1) Für Sachsen ist die Anschlußfrage keine freie Wahl,
sondern eine gebieterische Nothwendigkeit; 2) es gehen ihm aus dem Anschluß nur
die wesentlichsten Vortheile und keine Nachtheile hervor.
Sie behaupten: „Der Berliner Verfassungsentwurf verlangt von Sachsen sehr
große Opfer, nicht blos von der Krone und der Negierung, sondern namentlich
auch von der Kammer, deren Rechte zu einem großen Theile auf das Parlament
übertragen werden sollen." Man sollte wirklich glauben, daß zu den Zeiten des
Bundestags die sächsische Regierung eine souveräne Großmacht in der Art Eng¬
lands und Frankreichs gewesen wäre, und daß die sächsischen Kammern den aller-
freiesten Horizont von der Welt gehabt hätten. Und doch ist der diplomatische
Verkehr Sachsens mit dem Auslande über Gebnrtstagsgratulationen u. tgi. nicht
herausgegangen, und doch warf man unermüdlich den Kammern, wenn sie irgend einen
Beschluß von Erheblichkeit fassen wollten, das Verbot des Bundestages, d. h.
Oestreichs und Preußens entgegen. ES ging so weit, daß der sächsische Minister
einen bedenklichen Bittsteller zuweilen an den preußischen Gesandten verwies. In
jedem Augenblick stand es in Oestreichs und Preußens Macht, den Leipziger Buch¬
handel zu unterdrücken, und es lag nur in dem guten Willen dieser Großmächte,
wenn sie ähnliche Maßregeln nicht auch auf weitere Industriezweige ausdehnen
wollten.
Freilich hat Sachsen einmal kraft souveräner Machtvollkommenheit dem Kaiser
Napoleon Vasallendienste geleistet. Aber damals war Sachsen mächtiger als jetzt,
ein ähnlicher Versuch würde verhängnißvolle Folgen haben.
Das war also die Souveränität des sächsischen Staats in den goldenen Zeiten
des Bundestags. Aber die Sache steht jetzt viel schlimmer. Damals war Preußen
ein absoluter Staat und drückte nur mit äußerlicher Gewalt auf das Nachbarland,
jetzt ist es ein constitutioneller, und wird auch moralisch die Kräfte Sachsens ab-
sorbiren. Jeder Gebildete wird sich weit mehr für die Verhandlungen der preu¬
ßischen Kammern interesstren, als für die seines eigenen Landes, weil er dort
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