Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.kommen, da möchte einen ein unheimliches Gefühl begleichen und man beinahe Was haben Sie für ein kurzes Gedächtniß! Jener Spruch, in's Verständ- Wo Gedanken fehlen, da stellt ein Wort zu rechter Zeit sich ein. Ich komme 11*
kommen, da möchte einen ein unheimliches Gefühl begleichen und man beinahe Was haben Sie für ein kurzes Gedächtniß! Jener Spruch, in's Verständ- Wo Gedanken fehlen, da stellt ein Wort zu rechter Zeit sich ein. Ich komme 11*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0087" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279635"/> <p xml:id="ID_273" prev="#ID_272"> kommen, da möchte einen ein unheimliches Gefühl begleichen und man beinahe<lb/> glauben, eine bekannte Partei, die sich fast vorzugsweise gern die deutsche, natio¬<lb/> nale nennt, habe, einen berühmt gewordenen Spruch travestirend, auf ihre<lb/> Fahnen geschrieben, Ein Preußen, ein Oestreich, aber kein einiges Deutschland!"</p><lb/> <p xml:id="ID_274"> Was haben Sie für ein kurzes Gedächtniß! Jener Spruch, in's Verständ-<lb/> liche übersetzt, lautet folgendermaßen: ein unabhängiges Oestreich, ein unabhän¬<lb/> giger Bundesstaat mit Preußen als Vorort, und zwischen beiden nur eine völker¬<lb/> rechtliche Verbindung. Diesen Grundsatz hat nicht nur unsere Partei in Frank¬<lb/> furt und Gotha ganz offen und bestimmt als den leitenden Gedanken ihrer Poli¬<lb/> tik hingestellt, nicht nur die preußische Regierung hat ihn adoptirt, sondern Sie<lb/> selber, Herr F.! haben es gethan, oder Ihr Client, die sächsische Regierung, als<lb/> sie das Bündniß vom 26. Mai unterzeichnete! Freilich reicht Ihr Gedächtniß auch<lb/> in andern Dingen nicht aus. „Soviel uns bekannt, hat Oestreich Deutschland<lb/> gegenüber noch nichts verlangt, als wozu es dem klaren Inhalte bestehender Ver¬<lb/> träge nach unzweifelhaft berechtigt wäre." — Du sprichst ein großes Wort gelassen<lb/> aus!— Also ist es Ihnen nicht bekannt, daß Oestreich in demselben Augenblick ge¬<lb/> gen die Nechtsgiltigkeit des Dreikönigsbündnisses Protest einlegte, als die säch¬<lb/> sische Regierung es unterzeichnete? Und doch behaupten Sie noch heute, daß die<lb/> sächsische Regierung damals Recht gehabt hat. Wie stimmt das zusammen?</p><lb/> <p xml:id="ID_275" next="#ID_276"> Wo Gedanken fehlen, da stellt ein Wort zu rechter Zeit sich ein. Ich komme<lb/> auf den von Ihnen citirten Spruch zurück. Die öffentliche Meinung legte dem<lb/> Erzherzog Johann den Toast in den Mund: „kein Oestreich, kein Preußen, ein<lb/> einiges freies Deutschland!" Das ist ein sehr bestimmter politischer Grundsatz, den<lb/> die deutschen Republikaner mit Vergnügen adoptiren, den aber weder der Erz¬<lb/> herzog, noch Sie, verehrter Herr! in seinen Consequenzen anerkennen werden.<lb/> Laut offizieller Berichtigung hat der Trinkspruch vielmehr gelautet: „Ein Oestreich!<lb/> Ein Preußen! Ein einiges Deutschland!" Ein schöner Trinkspruch, bei dem man<lb/> sich aber gerade soviel denken kann, als bei Ihrem Vorwurf, daß wir „aus dem<lb/> Gegensatz von Oestreich und Preußen nicht Herauskommen!" Man kann nur da¬<lb/> durch aus dem Gegensatz herauskommen, daß man die Angen zudrückt, wie es<lb/> einem Ihrer Freunde begegnet, einem großdeutschen Diplomaten in der D. A. Z.,<lb/> der sich also vernehmen läßt: „Die Romantik des Schwerts muß sich den bür¬<lb/> gerlichen Bedürfnissen unterordnen; die edle Freiheit, nach der heute die Welt<lb/> verlangt, muß und soll als Blüthe des Ganzen wesentlich aus der Selbstbestim¬<lb/> mung und Selbstbeschränkung der Individuen und doch zum Theil fast in-<lb/> stinctartig hervorgehn." Wie glücklich ist doch ein Diplomat! In einem Augen¬<lb/> blick, wo überall das Schwert entschieden hat, was gelten soll, setzt er das<lb/> Schwert zur Romantik herab! Bajonnette existiren nur noch in der Einbildung! Um<lb/> die politischen und socialen Probleme zu lösen, bedarf es nur eine „zum Theil</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 11*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
kommen, da möchte einen ein unheimliches Gefühl begleichen und man beinahe
glauben, eine bekannte Partei, die sich fast vorzugsweise gern die deutsche, natio¬
nale nennt, habe, einen berühmt gewordenen Spruch travestirend, auf ihre
Fahnen geschrieben, Ein Preußen, ein Oestreich, aber kein einiges Deutschland!"
Was haben Sie für ein kurzes Gedächtniß! Jener Spruch, in's Verständ-
liche übersetzt, lautet folgendermaßen: ein unabhängiges Oestreich, ein unabhän¬
giger Bundesstaat mit Preußen als Vorort, und zwischen beiden nur eine völker¬
rechtliche Verbindung. Diesen Grundsatz hat nicht nur unsere Partei in Frank¬
furt und Gotha ganz offen und bestimmt als den leitenden Gedanken ihrer Poli¬
tik hingestellt, nicht nur die preußische Regierung hat ihn adoptirt, sondern Sie
selber, Herr F.! haben es gethan, oder Ihr Client, die sächsische Regierung, als
sie das Bündniß vom 26. Mai unterzeichnete! Freilich reicht Ihr Gedächtniß auch
in andern Dingen nicht aus. „Soviel uns bekannt, hat Oestreich Deutschland
gegenüber noch nichts verlangt, als wozu es dem klaren Inhalte bestehender Ver¬
träge nach unzweifelhaft berechtigt wäre." — Du sprichst ein großes Wort gelassen
aus!— Also ist es Ihnen nicht bekannt, daß Oestreich in demselben Augenblick ge¬
gen die Nechtsgiltigkeit des Dreikönigsbündnisses Protest einlegte, als die säch¬
sische Regierung es unterzeichnete? Und doch behaupten Sie noch heute, daß die
sächsische Regierung damals Recht gehabt hat. Wie stimmt das zusammen?
Wo Gedanken fehlen, da stellt ein Wort zu rechter Zeit sich ein. Ich komme
auf den von Ihnen citirten Spruch zurück. Die öffentliche Meinung legte dem
Erzherzog Johann den Toast in den Mund: „kein Oestreich, kein Preußen, ein
einiges freies Deutschland!" Das ist ein sehr bestimmter politischer Grundsatz, den
die deutschen Republikaner mit Vergnügen adoptiren, den aber weder der Erz¬
herzog, noch Sie, verehrter Herr! in seinen Consequenzen anerkennen werden.
Laut offizieller Berichtigung hat der Trinkspruch vielmehr gelautet: „Ein Oestreich!
Ein Preußen! Ein einiges Deutschland!" Ein schöner Trinkspruch, bei dem man
sich aber gerade soviel denken kann, als bei Ihrem Vorwurf, daß wir „aus dem
Gegensatz von Oestreich und Preußen nicht Herauskommen!" Man kann nur da¬
durch aus dem Gegensatz herauskommen, daß man die Angen zudrückt, wie es
einem Ihrer Freunde begegnet, einem großdeutschen Diplomaten in der D. A. Z.,
der sich also vernehmen läßt: „Die Romantik des Schwerts muß sich den bür¬
gerlichen Bedürfnissen unterordnen; die edle Freiheit, nach der heute die Welt
verlangt, muß und soll als Blüthe des Ganzen wesentlich aus der Selbstbestim¬
mung und Selbstbeschränkung der Individuen und doch zum Theil fast in-
stinctartig hervorgehn." Wie glücklich ist doch ein Diplomat! In einem Augen¬
blick, wo überall das Schwert entschieden hat, was gelten soll, setzt er das
Schwert zur Romantik herab! Bajonnette existiren nur noch in der Einbildung! Um
die politischen und socialen Probleme zu lösen, bedarf es nur eine „zum Theil
11*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |