Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.der römijche Tribun, der gerne noch einmal und glücklicher den Rienzi copiren ge¬ der römijche Tribun, der gerne noch einmal und glücklicher den Rienzi copiren ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0076" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279624"/> <p xml:id="ID_241" prev="#ID_240" next="#ID_242"> der römijche Tribun, der gerne noch einmal und glücklicher den Rienzi copiren ge¬<lb/> wollt hat. Deutsche genug in Lausanne, aber wenige von Distinction. Doch<lb/> nein, Einer ist heute angelangt, der Viele aufwiegt; sehen Sie, dort kommt er,<lb/> eine wunderhübsche Frau am Arm, er nähert sich dem Jtalier, sie schütteln sich<lb/> die Hände — kennen Sie nicht diesen runden Glatzkopf mit dem breiten, rauhen<lb/> und unedlen Gesicht? Es ist Struve, der Held des Oberlands, welchen Hecker's<lb/> Lorbeeren nicht schlafen gelassen hatten. Dieser sonderbare, kranke Mann hat sich<lb/> so thöricht und giftig in die Idee des blutigsten Jacobinismus verbissen, daß ihm<lb/> ihre Verwirklichung mit dem Knebel aus den Zähnen gerissen werden mußte.<lb/> Er ist zu Allem sähig, wen» Sie ihm im Hintergrund eine rothe phrygische<lb/> Mütze auf einer hohen Stange und am Fuß derselben einen zerschmetterten Thron<lb/> zeigen. Wie er, glüht Keiner für die Republik — natürlich ist nur er als Prä¬<lb/> sident derselben denkbar — und er würde sengen und brennen, rauben und mor¬<lb/> den ohne Scheu und Gnade, um dies sein Ziel nur auf eine Stunde lang zu<lb/> erreiche». Sein ungeheuerster Stolz würde sein, wenn die Leute ängstlich mit den<lb/> Fingern nach ihm zeigten und sagten: da geht der deutsche Robespierre! Aber er<lb/> irrt sich, Struve würde es auch unter den günstigsten Umständen nicht weiter,<lb/> als bis zum Marat bringen. Mit wahrer Leidenschaft treibt der Mann neben<lb/> dem Revvlutioniren eine sehr zweifelhafte Wissenschaft, die Phrenologie. Ich<lb/> möchte nur wissen, zu welchen Resultaten er bei Betasten seines eigenen Schädels<lb/> gelangt ist? Sicherlich wäre, wenn die Gewalt in seine Hände gekommen,<lb/> Niemand mehr seines Lebens sicher gewesen. — Jedem hätte der Dictator nur<lb/> den Schädel zu untersuche» gebraucht, um sogleich zu wisse», weß Geistes Kind, ob<lb/> Aristokrat oder Demokrat, er sei. Die mit aristokratischen Schädeln zur Guillo¬<lb/> tine, die Andern laßt laufen! Jetzt beschwert sich der edle Zollcasscustürmer über<lb/> das summarische Verfahren seines ehemaligen Freundes James Fazy, der ihn ohne<lb/> Weiteres von Landjägern aufgreife» und über die Grenzen des Cantons bringen<lb/> ließ. Aufsehen machte, auch uuter den wenigen Anhängern des Agitators, der<lb/> Ausruf des Genfers: Russischer Spion -- man weiß, daß Struves Bruder ein<lb/> russischer Diplomat ist. Der Verfolgte wünscht nach Amerika auszuwandern, aber<lb/> dazu fehlt ihm bis jetzt noch die Hauptsache, das Geld. Da ist Meister Goegg<lb/> doch besser daran, er zieht von Genf durch Frankreich und über den Ocean; seine<lb/> Mittel erlauben ihm das — man ist aber auch uicht umsonst Finanzminister des<lb/> Freistaates Baden und Autokrat der großherzoglichen Kassen gewesen. Wollen Sie<lb/> mich nach Gens begleiten, um den alten Knaben Heinzen zu sehen, der sich dort<lb/> mit Händen und Füßen gegen die Ausweisung wehrt? Bleiben wir, der Anblick<lb/> und die Bekanntschaft sind der Mühe nicht werth. Von allen Republikanern ist Karl<lb/> Heinzen der erbärmlichste. Er ist ein Tollhäusler, der in den wüstenTiraden seinem Haß<lb/> gegen Fürsten und Volk Luft macht, aber zugleich so feig ist, daß er wohl in der<lb/> Freiheit betteln, aber uicht für sie fechten will. In irgend einem versteckten Winkel</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
der römijche Tribun, der gerne noch einmal und glücklicher den Rienzi copiren ge¬
wollt hat. Deutsche genug in Lausanne, aber wenige von Distinction. Doch
nein, Einer ist heute angelangt, der Viele aufwiegt; sehen Sie, dort kommt er,
eine wunderhübsche Frau am Arm, er nähert sich dem Jtalier, sie schütteln sich
die Hände — kennen Sie nicht diesen runden Glatzkopf mit dem breiten, rauhen
und unedlen Gesicht? Es ist Struve, der Held des Oberlands, welchen Hecker's
Lorbeeren nicht schlafen gelassen hatten. Dieser sonderbare, kranke Mann hat sich
so thöricht und giftig in die Idee des blutigsten Jacobinismus verbissen, daß ihm
ihre Verwirklichung mit dem Knebel aus den Zähnen gerissen werden mußte.
Er ist zu Allem sähig, wen» Sie ihm im Hintergrund eine rothe phrygische
Mütze auf einer hohen Stange und am Fuß derselben einen zerschmetterten Thron
zeigen. Wie er, glüht Keiner für die Republik — natürlich ist nur er als Prä¬
sident derselben denkbar — und er würde sengen und brennen, rauben und mor¬
den ohne Scheu und Gnade, um dies sein Ziel nur auf eine Stunde lang zu
erreiche». Sein ungeheuerster Stolz würde sein, wenn die Leute ängstlich mit den
Fingern nach ihm zeigten und sagten: da geht der deutsche Robespierre! Aber er
irrt sich, Struve würde es auch unter den günstigsten Umständen nicht weiter,
als bis zum Marat bringen. Mit wahrer Leidenschaft treibt der Mann neben
dem Revvlutioniren eine sehr zweifelhafte Wissenschaft, die Phrenologie. Ich
möchte nur wissen, zu welchen Resultaten er bei Betasten seines eigenen Schädels
gelangt ist? Sicherlich wäre, wenn die Gewalt in seine Hände gekommen,
Niemand mehr seines Lebens sicher gewesen. — Jedem hätte der Dictator nur
den Schädel zu untersuche» gebraucht, um sogleich zu wisse», weß Geistes Kind, ob
Aristokrat oder Demokrat, er sei. Die mit aristokratischen Schädeln zur Guillo¬
tine, die Andern laßt laufen! Jetzt beschwert sich der edle Zollcasscustürmer über
das summarische Verfahren seines ehemaligen Freundes James Fazy, der ihn ohne
Weiteres von Landjägern aufgreife» und über die Grenzen des Cantons bringen
ließ. Aufsehen machte, auch uuter den wenigen Anhängern des Agitators, der
Ausruf des Genfers: Russischer Spion -- man weiß, daß Struves Bruder ein
russischer Diplomat ist. Der Verfolgte wünscht nach Amerika auszuwandern, aber
dazu fehlt ihm bis jetzt noch die Hauptsache, das Geld. Da ist Meister Goegg
doch besser daran, er zieht von Genf durch Frankreich und über den Ocean; seine
Mittel erlauben ihm das — man ist aber auch uicht umsonst Finanzminister des
Freistaates Baden und Autokrat der großherzoglichen Kassen gewesen. Wollen Sie
mich nach Gens begleiten, um den alten Knaben Heinzen zu sehen, der sich dort
mit Händen und Füßen gegen die Ausweisung wehrt? Bleiben wir, der Anblick
und die Bekanntschaft sind der Mühe nicht werth. Von allen Republikanern ist Karl
Heinzen der erbärmlichste. Er ist ein Tollhäusler, der in den wüstenTiraden seinem Haß
gegen Fürsten und Volk Luft macht, aber zugleich so feig ist, daß er wohl in der
Freiheit betteln, aber uicht für sie fechten will. In irgend einem versteckten Winkel
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