Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.sten auf dem Grund und Boden des alten Polenreichs. Die Sache würde so ge¬ Die Geschichte des bäurischen Besitzes ist allerdings noch nicht so alt, daß So sprach der Edelmann, unter dessen Dache ich zwei Tage wohnte. Er sah Die Folge dieser Verwirrungen dürfte doch anders sein, als die Regierung sten auf dem Grund und Boden des alten Polenreichs. Die Sache würde so ge¬ Die Geschichte des bäurischen Besitzes ist allerdings noch nicht so alt, daß So sprach der Edelmann, unter dessen Dache ich zwei Tage wohnte. Er sah Die Folge dieser Verwirrungen dürfte doch anders sein, als die Regierung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279613"/> <p xml:id="ID_209" prev="#ID_208"> sten auf dem Grund und Boden des alten Polenreichs. Die Sache würde so ge¬<lb/> fährlich nicht werden können, wenn Polen in den Aemtern süßen. Allein mehr<lb/> als ein Drittheil der Amtsstellen ist an Deutsche vergeben, und leider grade die¬<lb/> jenige», welche vorzugsweise vom Bauernstande frequentirt werden. Wir haben<lb/> über 2000 deutsche Beamte hier, und diese Leute thun alles mit Eifer, was sie<lb/> im Sinne der Negierung gewahren. Man konnte diese ihre Landsleute, wie brav<lb/> sie sonst anch sein mögen, die abscheulichsten Aufwühler des Landvolkes gegen den<lb/> Adel nennen. Augenblicklich merkt man es dem Bauer an, wenn er in einem<lb/> Arve gewesen ist. Mißtrauen, Groll und Tücke leuchten ihm ans den Augen<lb/> und ich unterlasse es stets, einen solchen in den nächst ersten Tagen zum Dienst<lb/> bestellen zu lassen. Unter solchen Umständen kommen natürlich oft die tollsten Be¬<lb/> schwerden der Baktern gegell Edelleute vor. Die Beamten sind da natürlich ver¬<lb/> nünftig — vielleicht auch listig — genug, solchen eine körperliche Rechtsfolge nicht<lb/> zu gewähren. Denn entweder würden sie dadurch ihrem heimlichen Verfahren<lb/> offenbare Belege beifügen, oder sie würden durch eine gerechte Entscheidung den<lb/> Bauer veranlassen, sich künftig ihrem Einflusse weniger und vorsichtiger Hinzuge-'<lb/> ben. Daher sind Prozesse der Bauern gegen Edelleute selten, Beschwerden aber,<lb/> welche mündlich und natürlich in der Weise der Aufreizung abgemacht werden,<lb/> desto häufiger. Den Bauern wird es, da sie mündlich stets Recht erhalten, eine<lb/> förmliche Freude mit den Aemtern zu verkehren, und sie überlaufen dieselben auf<lb/> eine tolle Weise.</p><lb/> <p xml:id="ID_210"> Die Geschichte des bäurischen Besitzes ist allerdings noch nicht so alt, daß<lb/> der Bauer schon völlig über die Rechtlichkeit seiner Dienstverpflichtung getäuscht<lb/> sein könnte. Noch weiß er, daß der Edelmann sein Herr oder wenigstens sein<lb/> Gläubiger ist, und Sie sahen es ja selbst, wie der Bauerbursche mich um die<lb/> Einwilligung zu seiner Verheirathung bat. So zeigt der Bauer in der Aus¬<lb/> übung seiner uralten huldigenden Gebräuche immer noch, daß er den Edelmann<lb/> als Herrn anerkennt. Allein es ist eine schlechte, türkische Anerkennung. Er küßt<lb/> dem Herrn die Kniee, und im Herumdrehen sagt er zu sich: ich brauchte es<lb/> wohl auch nicht, wenn ich nicht wollte!</p><lb/> <p xml:id="ID_211"> So sprach der Edelmann, unter dessen Dache ich zwei Tage wohnte. Er sah<lb/> voraus, was sich einige Jahre später ereignete. Interessanter wird seine prophe¬<lb/> tische Auseinandersetzung durch die Nachricht, welche ich im vorigen Herbst zu¬<lb/> fällig erhalten, daß auch er, jedoch uicht auf seinem Gute, sondern auf dem eines<lb/> Freundes, ein Opfer des Bauernaufstandes geworden sei. Sein Sohn befand<lb/> sich während dieser Zeit glücklicher Weise in Wien.</p><lb/> <p xml:id="ID_212" next="#ID_213"> Die Folge dieser Verwirrungen dürfte doch anders sein, als die Regierung<lb/> sie vielleicht erwartet. Wohl war der Bauernaufstand gegen die Edelleute nur der<lb/> erste Theil der Folge. Mit der errungenen Freiheit muß dem Bauernstande wohl</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
sten auf dem Grund und Boden des alten Polenreichs. Die Sache würde so ge¬
fährlich nicht werden können, wenn Polen in den Aemtern süßen. Allein mehr
als ein Drittheil der Amtsstellen ist an Deutsche vergeben, und leider grade die¬
jenige», welche vorzugsweise vom Bauernstande frequentirt werden. Wir haben
über 2000 deutsche Beamte hier, und diese Leute thun alles mit Eifer, was sie
im Sinne der Negierung gewahren. Man konnte diese ihre Landsleute, wie brav
sie sonst anch sein mögen, die abscheulichsten Aufwühler des Landvolkes gegen den
Adel nennen. Augenblicklich merkt man es dem Bauer an, wenn er in einem
Arve gewesen ist. Mißtrauen, Groll und Tücke leuchten ihm ans den Augen
und ich unterlasse es stets, einen solchen in den nächst ersten Tagen zum Dienst
bestellen zu lassen. Unter solchen Umständen kommen natürlich oft die tollsten Be¬
schwerden der Baktern gegell Edelleute vor. Die Beamten sind da natürlich ver¬
nünftig — vielleicht auch listig — genug, solchen eine körperliche Rechtsfolge nicht
zu gewähren. Denn entweder würden sie dadurch ihrem heimlichen Verfahren
offenbare Belege beifügen, oder sie würden durch eine gerechte Entscheidung den
Bauer veranlassen, sich künftig ihrem Einflusse weniger und vorsichtiger Hinzuge-'
ben. Daher sind Prozesse der Bauern gegen Edelleute selten, Beschwerden aber,
welche mündlich und natürlich in der Weise der Aufreizung abgemacht werden,
desto häufiger. Den Bauern wird es, da sie mündlich stets Recht erhalten, eine
förmliche Freude mit den Aemtern zu verkehren, und sie überlaufen dieselben auf
eine tolle Weise.
Die Geschichte des bäurischen Besitzes ist allerdings noch nicht so alt, daß
der Bauer schon völlig über die Rechtlichkeit seiner Dienstverpflichtung getäuscht
sein könnte. Noch weiß er, daß der Edelmann sein Herr oder wenigstens sein
Gläubiger ist, und Sie sahen es ja selbst, wie der Bauerbursche mich um die
Einwilligung zu seiner Verheirathung bat. So zeigt der Bauer in der Aus¬
übung seiner uralten huldigenden Gebräuche immer noch, daß er den Edelmann
als Herrn anerkennt. Allein es ist eine schlechte, türkische Anerkennung. Er küßt
dem Herrn die Kniee, und im Herumdrehen sagt er zu sich: ich brauchte es
wohl auch nicht, wenn ich nicht wollte!
So sprach der Edelmann, unter dessen Dache ich zwei Tage wohnte. Er sah
voraus, was sich einige Jahre später ereignete. Interessanter wird seine prophe¬
tische Auseinandersetzung durch die Nachricht, welche ich im vorigen Herbst zu¬
fällig erhalten, daß auch er, jedoch uicht auf seinem Gute, sondern auf dem eines
Freundes, ein Opfer des Bauernaufstandes geworden sei. Sein Sohn befand
sich während dieser Zeit glücklicher Weise in Wien.
Die Folge dieser Verwirrungen dürfte doch anders sein, als die Regierung
sie vielleicht erwartet. Wohl war der Bauernaufstand gegen die Edelleute nur der
erste Theil der Folge. Mit der errungenen Freiheit muß dem Bauernstande wohl
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