Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.sagen: "nein, meine Familie hat des Herrn Vater erst aufgenommen -- ferner: Es mag nun gut sein, daß der Bauer das vom Herrn zur Benutzung erhal¬ Das Bewußtsein, im Besitze gesichert zu sein, läßt aber natürlich allmälig die Der Edelmann aber ist desto mehr gezwungen, ihn an das wahre Verhält¬ sagen: „nein, meine Familie hat des Herrn Vater erst aufgenommen — ferner: Es mag nun gut sein, daß der Bauer das vom Herrn zur Benutzung erhal¬ Das Bewußtsein, im Besitze gesichert zu sein, läßt aber natürlich allmälig die Der Edelmann aber ist desto mehr gezwungen, ihn an das wahre Verhält¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0064" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279612"/> <p xml:id="ID_205" prev="#ID_204"> sagen: „nein, meine Familie hat des Herrn Vater erst aufgenommen — ferner:<lb/> nein, meine Familie hat des Herrn Urgroßvater aufgenommen - der Dritte:<lb/> nein, ich war vor zwei Jahren noch Knecht bei dem Herrn und fremd hier; da<lb/> ich mich aber gern verheirathen, er mich aber nicht des Brotes berauben wollte,<lb/> so hat er mir ein Häuschen und Ställe aufrichten lassen, dem eine Feldfläche bei¬<lb/> gefügt und mich somit zum Bauer gemacht. Darin finden Sie vollkommen das<lb/> Verhältniß des Bauers zum Edelmann. Der Bauer ist ursprünglich ein leibeige¬<lb/> nes Wesen gewesen wie ein Thier. Durch die persönliche Freiheit ist er ein Tage¬<lb/> löhner geworden; und da der Edelmann für seine persönlichen Bedürfnisse nicht<lb/> sorgen und seine DienstliMnngen nicht in baarem Gelde bezahlen wollte, so hat<lb/> er ihm Haus, Hof und Feld gegeben; aber Haus, Hof und Feld sind das voll¬<lb/> kommenste Eigenthum des Grundherrn.</p><lb/> <p xml:id="ID_206"> Es mag nun gut sein, daß der Bauer das vom Herrn zur Benutzung erhal¬<lb/> tene Capital erblich und fest besitze. Die Landwirthschaft kann sich dadurch rascher<lb/> cultiviren, der Bauer selbst kann dadurch ein nützlicheres Wesen werden. Die jetzige<lb/> Regierung hat es gewollt, und der Bauer ist nun unabhängiger Nutznießer seiner<lb/> Wirthschaft; allein deshalb können seine Verpflichtungen gegen den Edelmann nicht<lb/> aufhören. Er hat ihm nichts für Hans und Feld bezahlt, also ist er der Schuldner<lb/> des Edelmanns und hat ihm das erhaltene Capital zu verzinsen und zwar durch<lb/> Dienste, denn der Hilfeleistung halber nahm der Edelmann den Bauer auf seine<lb/> Besitzung und gab ihm das Capital. Dies hat natürlich auch die Regierung nicht<lb/> bestreiten können, und so ist der Bauer noch zu denselben Diensten verpflichtet wie<lb/> ehedem, als er Grund und Boden ohne andere Rechte benutzte als die, welche ihn<lb/> die Gnade des Herrn verlieh.</p><lb/> <p xml:id="ID_207"> Das Bewußtsein, im Besitze gesichert zu sein, läßt aber natürlich allmälig die<lb/> gerechte Ursache der Dienstpflicht aus der Erinnerung des Bauers verschwinden.<lb/> Dem Bauer werden daher die Pflichten immer lästiger und erscheinen ihm mehr<lb/> und mehr als eine willkürliche Bedrückung.</p><lb/> <p xml:id="ID_208" next="#ID_209"> Der Edelmann aber ist desto mehr gezwungen, ihn an das wahre Verhält¬<lb/> niß nud seine Pflicht zu mahnen. Schon dieses Verhältniß hat sein Schlimmes.<lb/> Es wird aber noch schlimmer, indem der Bauer von Seiten der deutschen Regie-<lb/> rung in seiner Nachlässigkeit und falschen Meinung bestärkt wird. Es wäre kein<lb/> Wunder, wenn er schon jetzt den rechtlichen Grund seiner Dienstverpflichtung nicht<lb/> mehr kennte und die Dienste verweigerte. Der Bauer ist natürlich geneigter der<lb/> Regierung Glanben zu schenken, welche seinem Wunsche freundlich ist, als dem<lb/> Edelmann, der ihn an die Pflichtige Arbeit mahnt. Die Meinungen, „der Adel<lb/> verlange über das Recht," oder: „wenn es darauf ankäme, würde er nicht einmal<lb/> sein Recht durchsetzen können, denn die Negierung werde sich seiner nicht anneh¬<lb/> men ," setzen sich immer fester und gewinnen immer mehr Macht. Es kann bei<lb/> Gott zu einem Zusammenstoß der Bauern mit dem Adel kommen, dem Unerhörte-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
sagen: „nein, meine Familie hat des Herrn Vater erst aufgenommen — ferner:
nein, meine Familie hat des Herrn Urgroßvater aufgenommen - der Dritte:
nein, ich war vor zwei Jahren noch Knecht bei dem Herrn und fremd hier; da
ich mich aber gern verheirathen, er mich aber nicht des Brotes berauben wollte,
so hat er mir ein Häuschen und Ställe aufrichten lassen, dem eine Feldfläche bei¬
gefügt und mich somit zum Bauer gemacht. Darin finden Sie vollkommen das
Verhältniß des Bauers zum Edelmann. Der Bauer ist ursprünglich ein leibeige¬
nes Wesen gewesen wie ein Thier. Durch die persönliche Freiheit ist er ein Tage¬
löhner geworden; und da der Edelmann für seine persönlichen Bedürfnisse nicht
sorgen und seine DienstliMnngen nicht in baarem Gelde bezahlen wollte, so hat
er ihm Haus, Hof und Feld gegeben; aber Haus, Hof und Feld sind das voll¬
kommenste Eigenthum des Grundherrn.
Es mag nun gut sein, daß der Bauer das vom Herrn zur Benutzung erhal¬
tene Capital erblich und fest besitze. Die Landwirthschaft kann sich dadurch rascher
cultiviren, der Bauer selbst kann dadurch ein nützlicheres Wesen werden. Die jetzige
Regierung hat es gewollt, und der Bauer ist nun unabhängiger Nutznießer seiner
Wirthschaft; allein deshalb können seine Verpflichtungen gegen den Edelmann nicht
aufhören. Er hat ihm nichts für Hans und Feld bezahlt, also ist er der Schuldner
des Edelmanns und hat ihm das erhaltene Capital zu verzinsen und zwar durch
Dienste, denn der Hilfeleistung halber nahm der Edelmann den Bauer auf seine
Besitzung und gab ihm das Capital. Dies hat natürlich auch die Regierung nicht
bestreiten können, und so ist der Bauer noch zu denselben Diensten verpflichtet wie
ehedem, als er Grund und Boden ohne andere Rechte benutzte als die, welche ihn
die Gnade des Herrn verlieh.
Das Bewußtsein, im Besitze gesichert zu sein, läßt aber natürlich allmälig die
gerechte Ursache der Dienstpflicht aus der Erinnerung des Bauers verschwinden.
Dem Bauer werden daher die Pflichten immer lästiger und erscheinen ihm mehr
und mehr als eine willkürliche Bedrückung.
Der Edelmann aber ist desto mehr gezwungen, ihn an das wahre Verhält¬
niß nud seine Pflicht zu mahnen. Schon dieses Verhältniß hat sein Schlimmes.
Es wird aber noch schlimmer, indem der Bauer von Seiten der deutschen Regie-
rung in seiner Nachlässigkeit und falschen Meinung bestärkt wird. Es wäre kein
Wunder, wenn er schon jetzt den rechtlichen Grund seiner Dienstverpflichtung nicht
mehr kennte und die Dienste verweigerte. Der Bauer ist natürlich geneigter der
Regierung Glanben zu schenken, welche seinem Wunsche freundlich ist, als dem
Edelmann, der ihn an die Pflichtige Arbeit mahnt. Die Meinungen, „der Adel
verlange über das Recht," oder: „wenn es darauf ankäme, würde er nicht einmal
sein Recht durchsetzen können, denn die Negierung werde sich seiner nicht anneh¬
men ," setzen sich immer fester und gewinnen immer mehr Macht. Es kann bei
Gott zu einem Zusammenstoß der Bauern mit dem Adel kommen, dem Unerhörte-
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