Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.unter der "Leitung" von Regierungsbeamten angefertigt. Und zur gemüthlichen Lebt wohl, meine Wiener Freunde, lebt wohl. Ihr wundert Euch, daß ich Criuneruugen aus Galizien. Es war in der Dämmerstunde eines Julimorgens, als wir Krakau, mit dem In Galizien begegneten Polens Herrcsaufgebote unzählige Male den unge¬ unter der „Leitung" von Regierungsbeamten angefertigt. Und zur gemüthlichen Lebt wohl, meine Wiener Freunde, lebt wohl. Ihr wundert Euch, daß ich Criuneruugen aus Galizien. Es war in der Dämmerstunde eines Julimorgens, als wir Krakau, mit dem In Galizien begegneten Polens Herrcsaufgebote unzählige Male den unge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279605"/> <p xml:id="ID_179" prev="#ID_178"> unter der „Leitung" von Regierungsbeamten angefertigt. Und zur gemüthlichen<lb/> Erinnerung an die vormärzliche Zeit sind die „Grenzlwten" hier streng verpönt,—<lb/> als eine „Kloake des Radikalismus und Republikanismus." In Deutschland,<lb/> wo man Ihre grünen Blätter besser kennt, mag man daraus entnehmen, was die<lb/> hohen Herrn in Wien unter Preßfreiheit verstehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_180"> Lebt wohl, meine Wiener Freunde, lebt wohl. Ihr wundert Euch, daß ich<lb/> gehe, da doch der Belagerungszustand nächstens aufhören soll. Seid nicht allzu<lb/> sanguinisch. Zwar wird die Regierung mit dem Scheinconstitutionalismus, den<lb/> sie in petto hat, auch keine hundert Jahre lang tantalisireu. Das Volk durch¬<lb/> schaut den leeren Schein gar bald, es lernt daran kennen, was ihm gebricht und<lb/> greift allmälig nach dem Wesen. Aber eine harte und lange Schule habt auch<lb/> Ihr durchzumachen, Ihr werdet kämpfen, tapfer und manchmal unklug, und dann<lb/> werdet Ihr gransame, halb unverdiente Schläge bekommen. Ich will nicht zusehn,<lb/> wie der Haselstock des Gesetzes Euch zu ruhmvollen Märtyrern macht. Euer<lb/> Geschrei werde ich laut genug auch in der Ferne hören.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Criuneruugen aus Galizien.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_181"> Es war in der Dämmerstunde eines Julimorgens, als wir Krakau, mit dem<lb/> Schritt über die Weichsel verließen. Die Straßen der Stadt und die ganze Ge¬<lb/> gend hinter uns war todtenstill. Der ganze Freistaat lag im süßesten Schlummer,<lb/> und Niemand träumte von seinem nahen Untergänge. Vor uns lag Galizien,<lb/> von Nebeln bedeckt, und als diese zerflossen, befanden wir uns schon ziemlich tief<lb/> in dem Lande.</p><lb/> <p xml:id="ID_182" next="#ID_183"> In Galizien begegneten Polens Herrcsaufgebote unzählige Male den unge¬<lb/> heuren Kriegerschwärmen der Tataren, hier erlitten die Moskowiter ihre empfind¬<lb/> lichsten Niederlagen, hier entwirrte sich der Knäuel der kosakischen Nevvlutivns-<lb/> knege, hier feierte Sobieski seine glänzendsten Siege über die Tataren und Türken.<lb/> Die schwersten Kriegsgewitter kamen der polnischen Republik seit alten Zeiten von<lb/> Südost, daher Galizien dem Reiche als Vormauer, als Brustwehr dienen mußte,<lb/> wozu ihm seine Gebirge die beste Fähigkeit verliehen. Eine Folge davon aber<lb/> war, daß das Volk oft in eine wirre Bewegung gerieth, und sich dabei fremde<lb/> Elemente eindrängten und festen Sitz gewannen. Daher schreiben sich die vielen<lb/> kleinen Völkerschaften in Galizien: eine Erscheinung, die in dem übrigen altpolui-<lb/> schen Reiche nicht wahrgenommen wird. Dort kennt man niemand weiter als Po¬<lb/> len und Fremde. In Galizien dagegen treten einem eine Menge verschiedener</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
unter der „Leitung" von Regierungsbeamten angefertigt. Und zur gemüthlichen
Erinnerung an die vormärzliche Zeit sind die „Grenzlwten" hier streng verpönt,—
als eine „Kloake des Radikalismus und Republikanismus." In Deutschland,
wo man Ihre grünen Blätter besser kennt, mag man daraus entnehmen, was die
hohen Herrn in Wien unter Preßfreiheit verstehen.
Lebt wohl, meine Wiener Freunde, lebt wohl. Ihr wundert Euch, daß ich
gehe, da doch der Belagerungszustand nächstens aufhören soll. Seid nicht allzu
sanguinisch. Zwar wird die Regierung mit dem Scheinconstitutionalismus, den
sie in petto hat, auch keine hundert Jahre lang tantalisireu. Das Volk durch¬
schaut den leeren Schein gar bald, es lernt daran kennen, was ihm gebricht und
greift allmälig nach dem Wesen. Aber eine harte und lange Schule habt auch
Ihr durchzumachen, Ihr werdet kämpfen, tapfer und manchmal unklug, und dann
werdet Ihr gransame, halb unverdiente Schläge bekommen. Ich will nicht zusehn,
wie der Haselstock des Gesetzes Euch zu ruhmvollen Märtyrern macht. Euer
Geschrei werde ich laut genug auch in der Ferne hören.
Criuneruugen aus Galizien.
Es war in der Dämmerstunde eines Julimorgens, als wir Krakau, mit dem
Schritt über die Weichsel verließen. Die Straßen der Stadt und die ganze Ge¬
gend hinter uns war todtenstill. Der ganze Freistaat lag im süßesten Schlummer,
und Niemand träumte von seinem nahen Untergänge. Vor uns lag Galizien,
von Nebeln bedeckt, und als diese zerflossen, befanden wir uns schon ziemlich tief
in dem Lande.
In Galizien begegneten Polens Herrcsaufgebote unzählige Male den unge¬
heuren Kriegerschwärmen der Tataren, hier erlitten die Moskowiter ihre empfind¬
lichsten Niederlagen, hier entwirrte sich der Knäuel der kosakischen Nevvlutivns-
knege, hier feierte Sobieski seine glänzendsten Siege über die Tataren und Türken.
Die schwersten Kriegsgewitter kamen der polnischen Republik seit alten Zeiten von
Südost, daher Galizien dem Reiche als Vormauer, als Brustwehr dienen mußte,
wozu ihm seine Gebirge die beste Fähigkeit verliehen. Eine Folge davon aber
war, daß das Volk oft in eine wirre Bewegung gerieth, und sich dabei fremde
Elemente eindrängten und festen Sitz gewannen. Daher schreiben sich die vielen
kleinen Völkerschaften in Galizien: eine Erscheinung, die in dem übrigen altpolui-
schen Reiche nicht wahrgenommen wird. Dort kennt man niemand weiter als Po¬
len und Fremde. In Galizien dagegen treten einem eine Menge verschiedener
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