Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.erbot" er sich und wendete sich gegen L. mit der Versicherung und Frage: er habe Ein Nein wäre eine gefährliche Antwort gewesen. L. ergab sich dem Schicksal Dieses Spiel dauerte nicht weniger als neun Tage lang, und als L. dann Am nächsten Tage versäumte L. nicht dem Adjuncten einen Silberrubel in die Es ging ihm bei dem Petitionsschreiber nicht um el" Haar anders als bei erbot» er sich und wendete sich gegen L. mit der Versicherung und Frage: er habe Ein Nein wäre eine gefährliche Antwort gewesen. L. ergab sich dem Schicksal Dieses Spiel dauerte nicht weniger als neun Tage lang, und als L. dann Am nächsten Tage versäumte L. nicht dem Adjuncten einen Silberrubel in die Es ging ihm bei dem Petitionsschreiber nicht um el» Haar anders als bei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279596"/> <p xml:id="ID_139" prev="#ID_138"> erbot» er sich und wendete sich gegen L. mit der Versicherung und Frage: er habe<lb/> sich fast zu Schanden gearbeitet; ob er nicht Lust habe, mit hinab in die<lb/> Schenkwirthschaft zu kommen?</p><lb/> <p xml:id="ID_140"> Ein Nein wäre eine gefährliche Antwort gewesen. L. ergab sich dem Schicksal<lb/> und sättigte den Beamten in der splendidesten Weise, unterließ es aber nicht,<lb/> dabei dringend um die Abfertigung seiner Angelegenheit zu bitten. Der Beamte<lb/> betheuerte seine Willfährigkeit mit einem Ernst, welche dem Petenten das beste<lb/> Vertrauen einflößte; allein als er am andern Morgen in das Amt kam, erklärte<lb/> der Adjunct mit der harmlosesten Trockenheit, es sei eben Frühstückszeit. L, war<lb/> abermals gezwungen, den russischen Staatsdiener in die im Erdgeschoß des Hauses<lb/> befindliche SchenÜvirthschaft zu begleiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_141"> Dieses Spiel dauerte nicht weniger als neun Tage lang, und als L. dann<lb/> immer noch nicht zum Ziele gelangt war und dem befreundeten Advokaten seine<lb/> Noth klagte, lachte dieser laut auf und meinte: er (L.) solle doch dem Manne<lb/> lieber einen Rubel Geld in die Hand drücken oder irgend ein Geschenk versprechen.<lb/> Uebrigens bedürfe es ja zu allererst einer aus eine» Stempelbogen geschriebenen<lb/> Petition, denn nach dem Gesetz dürfe von den Aemtern keine Angelegenheit, wel¬<lb/> cher Art und welches Gewichts sie auch sei, ohne eine aus einem Stempelbogen<lb/> abgefaßte Petition angenommen werden. Doch alles dieses werde ihm der Präfi-<lb/> dialadjuuct schon mittheilen, sobald er dazu seine Zeit ersehn oder Lust bekomme.</p><lb/> <p xml:id="ID_142"> Am nächsten Tage versäumte L. nicht dem Adjuncten einen Silberrubel in die<lb/> Hand zu drücken, und wirklich geschah nnn etwas in der Sache. Der Adjunct<lb/> hieß nämlich L. sich einen Stempelbogen zu 20 polnische Groschen besorgen und<lb/> wies ihn an einen untergeordneten, wie es schien, eigends zur Verfassung von<lb/> Petitionen angestellten Beamten.</p><lb/> <p xml:id="ID_143"> Es ging ihm bei dem Petitionsschreiber nicht um el» Haar anders als bei<lb/> dem Adjuncten. Fünf Tage lang füllte er diesen Menschen mit Speisen und Ge¬<lb/> tränke» ; fünf Tage lang wurde er von ihm immer wieder ans eine andere Stunde<lb/> bestellt, und als L. Beschwerde bei dem Adjuncten führte und erklärte, daß er<lb/> unter solchen Umständen in drei Jahren noch keinen Paß haben und gestorben<lb/> sein werde, ehe noch an eine Reise in das Bad zu denken sei, antwortete dieser<lb/> mit wohlwollendem Ernst: „Lassen Sie nur gut sein, Ihre Sache wird schon be¬<lb/> seitigt werden." Endlich wurde die Petitiousaugelegenheit wirklich beseitigt, und<lb/> zwar kraft eines Schnupftuchs. Der Pctitionsschreiber erklärte, daß er da an dem<lb/> Fenster eines AusschnittladenS rothe Schnupftücher mit der Abbildung Kratans<lb/> habe hängen sehen und ein solches für sei» Leben gern zu besitzen wünsche. L.<lb/> schwur ihm eins dieser Schnupftücher zu verehren, sobald die Petition geschrieben<lb/> sein werde. Es wurde ein förmlicher Accord geschlossen: um drei Uhr Nachmit¬<lb/> tags sollte die Petition fertig und das Schnupftuch zur Ueberreichung bereit sein.<lb/> Beide Contrahenten kamen ihrer Verpflichtung nach.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
erbot» er sich und wendete sich gegen L. mit der Versicherung und Frage: er habe
sich fast zu Schanden gearbeitet; ob er nicht Lust habe, mit hinab in die
Schenkwirthschaft zu kommen?
Ein Nein wäre eine gefährliche Antwort gewesen. L. ergab sich dem Schicksal
und sättigte den Beamten in der splendidesten Weise, unterließ es aber nicht,
dabei dringend um die Abfertigung seiner Angelegenheit zu bitten. Der Beamte
betheuerte seine Willfährigkeit mit einem Ernst, welche dem Petenten das beste
Vertrauen einflößte; allein als er am andern Morgen in das Amt kam, erklärte
der Adjunct mit der harmlosesten Trockenheit, es sei eben Frühstückszeit. L, war
abermals gezwungen, den russischen Staatsdiener in die im Erdgeschoß des Hauses
befindliche SchenÜvirthschaft zu begleiten.
Dieses Spiel dauerte nicht weniger als neun Tage lang, und als L. dann
immer noch nicht zum Ziele gelangt war und dem befreundeten Advokaten seine
Noth klagte, lachte dieser laut auf und meinte: er (L.) solle doch dem Manne
lieber einen Rubel Geld in die Hand drücken oder irgend ein Geschenk versprechen.
Uebrigens bedürfe es ja zu allererst einer aus eine» Stempelbogen geschriebenen
Petition, denn nach dem Gesetz dürfe von den Aemtern keine Angelegenheit, wel¬
cher Art und welches Gewichts sie auch sei, ohne eine aus einem Stempelbogen
abgefaßte Petition angenommen werden. Doch alles dieses werde ihm der Präfi-
dialadjuuct schon mittheilen, sobald er dazu seine Zeit ersehn oder Lust bekomme.
Am nächsten Tage versäumte L. nicht dem Adjuncten einen Silberrubel in die
Hand zu drücken, und wirklich geschah nnn etwas in der Sache. Der Adjunct
hieß nämlich L. sich einen Stempelbogen zu 20 polnische Groschen besorgen und
wies ihn an einen untergeordneten, wie es schien, eigends zur Verfassung von
Petitionen angestellten Beamten.
Es ging ihm bei dem Petitionsschreiber nicht um el» Haar anders als bei
dem Adjuncten. Fünf Tage lang füllte er diesen Menschen mit Speisen und Ge¬
tränke» ; fünf Tage lang wurde er von ihm immer wieder ans eine andere Stunde
bestellt, und als L. Beschwerde bei dem Adjuncten führte und erklärte, daß er
unter solchen Umständen in drei Jahren noch keinen Paß haben und gestorben
sein werde, ehe noch an eine Reise in das Bad zu denken sei, antwortete dieser
mit wohlwollendem Ernst: „Lassen Sie nur gut sein, Ihre Sache wird schon be¬
seitigt werden." Endlich wurde die Petitiousaugelegenheit wirklich beseitigt, und
zwar kraft eines Schnupftuchs. Der Pctitionsschreiber erklärte, daß er da an dem
Fenster eines AusschnittladenS rothe Schnupftücher mit der Abbildung Kratans
habe hängen sehen und ein solches für sei» Leben gern zu besitzen wünsche. L.
schwur ihm eins dieser Schnupftücher zu verehren, sobald die Petition geschrieben
sein werde. Es wurde ein förmlicher Accord geschlossen: um drei Uhr Nachmit¬
tags sollte die Petition fertig und das Schnupftuch zur Ueberreichung bereit sein.
Beide Contrahenten kamen ihrer Verpflichtung nach.
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