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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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und Mancher zog sich dadurch unangenehme polizeiliche Inquisitionen zu, weil
man in solchem Gedankenanötansche Versuche zur Verführung der fremden Truppen
erkennen wollte.

Wenn wir als Laie" uns ein Urtheil über die russischen Tnippcu erlaube"
dürsten, so würden wir der Cavallerie weitaus vor dem Fußvvlke de" Vorzug
gebe". Es ist in der That eine tüchtige Truppe, diese russische Cavallerie, starke
kräftige Leute und trefflich beritten. Der Reichthum des Landes an schönen Pfer¬
den bietet eine große Auswahl, und es wird streng darauf gesehen, daß alle Pferde
eines Regiments geuau von einer und derselben Farbe sind, das eine hat Rappen
das andere Füchse, ein drittes Schimmel u. s. w. Das gehört mit zur Uniform,
man erkennt das Regiment daran etwa wie bei uns an den Aufschlägen. Nur bei
den Kosaken ist es nicht der Fall. Sie nehmen sich jedoch in ihren einfachen
schmucklosen Blousen weit besser aus als die audern in ihren glänzenden Unifor¬
men. Denn es ist ein schöner schlanker Menschenschlag, dieses Sleppenvvlk, und
treffliche Reiter. Auch sehen sie besser genährt, lebhafter und munterer ans als
die andern, haben auch nicht jenes stumpfe, niedergedrückte Wesen, das sonst den
russischen Soldaten eigen ist. Gedrillt sind nach dem Urtheile Sachverständiger
Menschen und Pferde sehr gut und unsere Militärs haben sich über die Leistun¬
gen beider sehr anerkennend ausgesprochen, besonders die Dragoner sollen zu
Pferd wie zu Fuß mit bewunderusiverther Präcision exerzirt haben. Dagegen
sind unsere Husaren viel tüchtiger. Es ist mehr Leben und mehr kriegerischer Geist
in ihnen als in den Russen, die für reguläre leichte Cavallerie viel zu wenig
Feuer, zu viel Maschinenhaftes haben. Ihre Husaren sahen entschieden unecht
aus, und die Schnüre ans ihren Dolmans gemähnten uns an englische Etiketten
auf heimischen Fabrikaten. Dies mochte auch der "treugcbliebene" ungarische Hu¬
sar gefühlt haben, der beim Anblick eines solchen vorbeiziehenden Regiments
ziemlich laut bemerkte, daß seine Landsleute da sehr schöne Pferde gratis
bekommen. .....^ ,

Eine sehr interessante Erscheinung waren ein Paar Hundert irreguläre Reiter,
die mau uns als Tscherkessen bezeichnete; Mohamedaner in der kleidsamen Tracht
des Morgenlandes ans kleinen, aber sehr feurige" Pferdchen, die sie trefflich wie
Kunstreiter zu tummeln wußten, und es waren allerdings Viele darunter, die
durch Schönheit der Gesichtszüge, Ebenmaß der Gestalt, einen gewissen Adel und
natürlichen Anstand den Anspruch auf kaukasische Herkunft rechtfertigten ; aber auch
viele Gesichter vou abschreckender Häßlichkeit, die eher unserer Vorstellung von
Tartaren oder Kalmücken entsprachen. Das Volk wollte in diesen Leuten durchaus
Juden .erkennen, wozu freilich die stattlichen Bärte das ihrige beitragen mochten.
In den Quartieren machten sie viel größere Ansprüche als wir an den andern
Russen gewöhnt waren. Sie wollten alle gleich und als Gentlemen behandelt
sein, Wd nahmen es besonders sehr übel, wenn man ihren Offizieren mehr Auf-


und Mancher zog sich dadurch unangenehme polizeiliche Inquisitionen zu, weil
man in solchem Gedankenanötansche Versuche zur Verführung der fremden Truppen
erkennen wollte.

Wenn wir als Laie» uns ein Urtheil über die russischen Tnippcu erlaube»
dürsten, so würden wir der Cavallerie weitaus vor dem Fußvvlke de» Vorzug
gebe«. Es ist in der That eine tüchtige Truppe, diese russische Cavallerie, starke
kräftige Leute und trefflich beritten. Der Reichthum des Landes an schönen Pfer¬
den bietet eine große Auswahl, und es wird streng darauf gesehen, daß alle Pferde
eines Regiments geuau von einer und derselben Farbe sind, das eine hat Rappen
das andere Füchse, ein drittes Schimmel u. s. w. Das gehört mit zur Uniform,
man erkennt das Regiment daran etwa wie bei uns an den Aufschlägen. Nur bei
den Kosaken ist es nicht der Fall. Sie nehmen sich jedoch in ihren einfachen
schmucklosen Blousen weit besser aus als die audern in ihren glänzenden Unifor¬
men. Denn es ist ein schöner schlanker Menschenschlag, dieses Sleppenvvlk, und
treffliche Reiter. Auch sehen sie besser genährt, lebhafter und munterer ans als
die andern, haben auch nicht jenes stumpfe, niedergedrückte Wesen, das sonst den
russischen Soldaten eigen ist. Gedrillt sind nach dem Urtheile Sachverständiger
Menschen und Pferde sehr gut und unsere Militärs haben sich über die Leistun¬
gen beider sehr anerkennend ausgesprochen, besonders die Dragoner sollen zu
Pferd wie zu Fuß mit bewunderusiverther Präcision exerzirt haben. Dagegen
sind unsere Husaren viel tüchtiger. Es ist mehr Leben und mehr kriegerischer Geist
in ihnen als in den Russen, die für reguläre leichte Cavallerie viel zu wenig
Feuer, zu viel Maschinenhaftes haben. Ihre Husaren sahen entschieden unecht
aus, und die Schnüre ans ihren Dolmans gemähnten uns an englische Etiketten
auf heimischen Fabrikaten. Dies mochte auch der „treugcbliebene" ungarische Hu¬
sar gefühlt haben, der beim Anblick eines solchen vorbeiziehenden Regiments
ziemlich laut bemerkte, daß seine Landsleute da sehr schöne Pferde gratis
bekommen. .....^ ,

Eine sehr interessante Erscheinung waren ein Paar Hundert irreguläre Reiter,
die mau uns als Tscherkessen bezeichnete; Mohamedaner in der kleidsamen Tracht
des Morgenlandes ans kleinen, aber sehr feurige» Pferdchen, die sie trefflich wie
Kunstreiter zu tummeln wußten, und es waren allerdings Viele darunter, die
durch Schönheit der Gesichtszüge, Ebenmaß der Gestalt, einen gewissen Adel und
natürlichen Anstand den Anspruch auf kaukasische Herkunft rechtfertigten ; aber auch
viele Gesichter vou abschreckender Häßlichkeit, die eher unserer Vorstellung von
Tartaren oder Kalmücken entsprachen. Das Volk wollte in diesen Leuten durchaus
Juden .erkennen, wozu freilich die stattlichen Bärte das ihrige beitragen mochten.
In den Quartieren machten sie viel größere Ansprüche als wir an den andern
Russen gewöhnt waren. Sie wollten alle gleich und als Gentlemen behandelt
sein, Wd nahmen es besonders sehr übel, wenn man ihren Offizieren mehr Auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/479>, abgerufen am 15.01.2025.