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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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wandelte sich der kleine despotische Staat, das Schiff, in eine große Familie um;
Die Matrosen verlernte" das Saufen und das Fluchen. In den Zwischendecken
wurden Schulen eingerichtet, wo einige Offiziere die Mannschaft im Lesen, Schreiben
und Rechnen unterrichteten; die Begabteren und Weitervorgeschrittencn erhielten
Stunden in der Geometrie und in der Schifffahrtskunde. Sonntag wurde Gottes¬
dienst gehalten; bei heiterem Wetter kam man zu gemeinschaftlichen Spielen zu¬
sammen. Weihnachten und Neujahr wurden durch doppelte Nationen gefeiert;
der erste Festtag "och überdies durch das orthodoxe Roastbeef (die Engländer der
anglikanischen Kirche beobachten den religiösen Gebrauch, am ersten Wcihnachstage
Roastbeef und, wo möglich, auch noch Puterbratcu und Plumpudding zu essen).
Die Woche über wurde ein Theil der Mannschaft mit dem Anfertigen von Schlitten
für die im Frühjahr zu veranstaltenden Landreisen beschäftigt, während Andere
.Kies herbeiholten, den sie über das Eis streuten, damir dasselbe durch die Son¬
nenstrahlen erwärmt werde, das Eis mürbe machen und so das Zersägen desselben
erleichtere. Man hatte nämlich vor, einen Kanal durch das Eis zu ziehen, was
bei dessen Dicke --die (doch wohl nur an einzelnen Punkten ?) 5 Fuß betrug -- ein
sehr schwieriges Unternehmen war. Doch erlangte derselbe eine Breite von 50 Fuß
und eine Länge von 1!!,000 Fuß.

Von den Znsaunneukünfteu mit den Eskimos erwähnt der Bericht Nichts.
Vierfüßige Thiere sah man, mit Ausnahme der weißen Füchse und einiger Bären,
nicht; eine Anzahl Füchse fing man in Fallen, schenkte ihnen jedoch die Freiheit,
.nachdem man sie mit einem kupfernen Halsbande versehen, das den Namen des
Schisses und die Angabe der Orte enthielt, an welche Vorräthe niedergelegt wor¬
den waren. Man hoffte, es werde ein solcher "l'von-^vim^-I'ostm-in" -- wie
die Matrosen diese Briefträger nannten -- von Franklin's Mannschaft, falls die¬
selbe sich noch am Leben befinden sollte, eingefangen werden und die Kunde ge¬
ben von Dem, was für ihre Rettung gethan sei. Es wurden nämlich an meh-
vcrn Stellen Vorräthe niedergelegt, an einigen Punkten förmliche Magazine zu
Kohlen und Lebensmitteln gebant und angefüllt; in Port Leopold sogar ein höl¬
zernes Haus mit Vorräthen für ein Jahr, auch wurde hier eine Dampfmaschine
zurückgelassen und eine Schaluppe, welche hinreichend groß war, um Franklin's
gesammte Mannschaft nach dem nächsten bewohnten Hasen zu bringen.

Als die Jahreszeit etwas gelinder geworden war, wurden einzelne Abthei¬
lungen zur Untersuchung der Umgegend ausgesandt; eine Hanptcxpedition unter-
nahm Capitän Roß selbst, begleitet von einem Lieutnant und zwölf Matrosen.
Die Gesellschaft zog 240 Miles die Küste entlang, zuerst 100 gegen Westen, so¬
dann noch 140 gegen Süden. Kein menschliches Wesen wurde angetroffen, eine
verfallene Eskimvhütte war die einzige Spur eines solchen. Man war aber nun
zur Umkehr genöthigt, da die mitgenommenen Vorräthe auf die Neige gingen
und ein Theil der Mannschaft dnrch Frost und Augenentzündung so entkräftet war,


wandelte sich der kleine despotische Staat, das Schiff, in eine große Familie um;
Die Matrosen verlernte» das Saufen und das Fluchen. In den Zwischendecken
wurden Schulen eingerichtet, wo einige Offiziere die Mannschaft im Lesen, Schreiben
und Rechnen unterrichteten; die Begabteren und Weitervorgeschrittencn erhielten
Stunden in der Geometrie und in der Schifffahrtskunde. Sonntag wurde Gottes¬
dienst gehalten; bei heiterem Wetter kam man zu gemeinschaftlichen Spielen zu¬
sammen. Weihnachten und Neujahr wurden durch doppelte Nationen gefeiert;
der erste Festtag »och überdies durch das orthodoxe Roastbeef (die Engländer der
anglikanischen Kirche beobachten den religiösen Gebrauch, am ersten Wcihnachstage
Roastbeef und, wo möglich, auch noch Puterbratcu und Plumpudding zu essen).
Die Woche über wurde ein Theil der Mannschaft mit dem Anfertigen von Schlitten
für die im Frühjahr zu veranstaltenden Landreisen beschäftigt, während Andere
.Kies herbeiholten, den sie über das Eis streuten, damir dasselbe durch die Son¬
nenstrahlen erwärmt werde, das Eis mürbe machen und so das Zersägen desselben
erleichtere. Man hatte nämlich vor, einen Kanal durch das Eis zu ziehen, was
bei dessen Dicke —die (doch wohl nur an einzelnen Punkten ?) 5 Fuß betrug — ein
sehr schwieriges Unternehmen war. Doch erlangte derselbe eine Breite von 50 Fuß
und eine Länge von 1!!,000 Fuß.

Von den Znsaunneukünfteu mit den Eskimos erwähnt der Bericht Nichts.
Vierfüßige Thiere sah man, mit Ausnahme der weißen Füchse und einiger Bären,
nicht; eine Anzahl Füchse fing man in Fallen, schenkte ihnen jedoch die Freiheit,
.nachdem man sie mit einem kupfernen Halsbande versehen, das den Namen des
Schisses und die Angabe der Orte enthielt, an welche Vorräthe niedergelegt wor¬
den waren. Man hoffte, es werde ein solcher „l'von-^vim^-I'ostm-in" — wie
die Matrosen diese Briefträger nannten — von Franklin's Mannschaft, falls die¬
selbe sich noch am Leben befinden sollte, eingefangen werden und die Kunde ge¬
ben von Dem, was für ihre Rettung gethan sei. Es wurden nämlich an meh-
vcrn Stellen Vorräthe niedergelegt, an einigen Punkten förmliche Magazine zu
Kohlen und Lebensmitteln gebant und angefüllt; in Port Leopold sogar ein höl¬
zernes Haus mit Vorräthen für ein Jahr, auch wurde hier eine Dampfmaschine
zurückgelassen und eine Schaluppe, welche hinreichend groß war, um Franklin's
gesammte Mannschaft nach dem nächsten bewohnten Hasen zu bringen.

Als die Jahreszeit etwas gelinder geworden war, wurden einzelne Abthei¬
lungen zur Untersuchung der Umgegend ausgesandt; eine Hanptcxpedition unter-
nahm Capitän Roß selbst, begleitet von einem Lieutnant und zwölf Matrosen.
Die Gesellschaft zog 240 Miles die Küste entlang, zuerst 100 gegen Westen, so¬
dann noch 140 gegen Süden. Kein menschliches Wesen wurde angetroffen, eine
verfallene Eskimvhütte war die einzige Spur eines solchen. Man war aber nun
zur Umkehr genöthigt, da die mitgenommenen Vorräthe auf die Neige gingen
und ein Theil der Mannschaft dnrch Frost und Augenentzündung so entkräftet war,


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[0467] wandelte sich der kleine despotische Staat, das Schiff, in eine große Familie um; Die Matrosen verlernte» das Saufen und das Fluchen. In den Zwischendecken wurden Schulen eingerichtet, wo einige Offiziere die Mannschaft im Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichteten; die Begabteren und Weitervorgeschrittencn erhielten Stunden in der Geometrie und in der Schifffahrtskunde. Sonntag wurde Gottes¬ dienst gehalten; bei heiterem Wetter kam man zu gemeinschaftlichen Spielen zu¬ sammen. Weihnachten und Neujahr wurden durch doppelte Nationen gefeiert; der erste Festtag »och überdies durch das orthodoxe Roastbeef (die Engländer der anglikanischen Kirche beobachten den religiösen Gebrauch, am ersten Wcihnachstage Roastbeef und, wo möglich, auch noch Puterbratcu und Plumpudding zu essen). Die Woche über wurde ein Theil der Mannschaft mit dem Anfertigen von Schlitten für die im Frühjahr zu veranstaltenden Landreisen beschäftigt, während Andere .Kies herbeiholten, den sie über das Eis streuten, damir dasselbe durch die Son¬ nenstrahlen erwärmt werde, das Eis mürbe machen und so das Zersägen desselben erleichtere. Man hatte nämlich vor, einen Kanal durch das Eis zu ziehen, was bei dessen Dicke —die (doch wohl nur an einzelnen Punkten ?) 5 Fuß betrug — ein sehr schwieriges Unternehmen war. Doch erlangte derselbe eine Breite von 50 Fuß und eine Länge von 1!!,000 Fuß. Von den Znsaunneukünfteu mit den Eskimos erwähnt der Bericht Nichts. Vierfüßige Thiere sah man, mit Ausnahme der weißen Füchse und einiger Bären, nicht; eine Anzahl Füchse fing man in Fallen, schenkte ihnen jedoch die Freiheit, .nachdem man sie mit einem kupfernen Halsbande versehen, das den Namen des Schisses und die Angabe der Orte enthielt, an welche Vorräthe niedergelegt wor¬ den waren. Man hoffte, es werde ein solcher „l'von-^vim^-I'ostm-in" — wie die Matrosen diese Briefträger nannten — von Franklin's Mannschaft, falls die¬ selbe sich noch am Leben befinden sollte, eingefangen werden und die Kunde ge¬ ben von Dem, was für ihre Rettung gethan sei. Es wurden nämlich an meh- vcrn Stellen Vorräthe niedergelegt, an einigen Punkten förmliche Magazine zu Kohlen und Lebensmitteln gebant und angefüllt; in Port Leopold sogar ein höl¬ zernes Haus mit Vorräthen für ein Jahr, auch wurde hier eine Dampfmaschine zurückgelassen und eine Schaluppe, welche hinreichend groß war, um Franklin's gesammte Mannschaft nach dem nächsten bewohnten Hasen zu bringen. Als die Jahreszeit etwas gelinder geworden war, wurden einzelne Abthei¬ lungen zur Untersuchung der Umgegend ausgesandt; eine Hanptcxpedition unter- nahm Capitän Roß selbst, begleitet von einem Lieutnant und zwölf Matrosen. Die Gesellschaft zog 240 Miles die Küste entlang, zuerst 100 gegen Westen, so¬ dann noch 140 gegen Süden. Kein menschliches Wesen wurde angetroffen, eine verfallene Eskimvhütte war die einzige Spur eines solchen. Man war aber nun zur Umkehr genöthigt, da die mitgenommenen Vorräthe auf die Neige gingen und ein Theil der Mannschaft dnrch Frost und Augenentzündung so entkräftet war,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/467>, abgerufen am 15.01.2025.