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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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ein Lob seiner Klugheit. Mit welcher Stirn wagt das Kabinet Schwarzenberg
der Union gegenüber auf den alten Bund zu pochen, während Oestreich sich selbst,
zuerst, sehr auffällig und unfreundlich schon im Sommer 48 von dem deutschen
Bund losgesagt hat, während sich dasselbe Kabinet durch sein eigenes Programm
und seine von ihm selbst vclrvyirte Berfassnng von der alten Bundesverfassung
losgesagt hat? In der ungeschickten Note vom l2> November behauptet das Mi¬
nisterium!, der alte Bund habe auch im Jahre 48 mit allen Rechten und Pflichten
der Bundesmitglieder fortbestanden und die provisorische Centralgewalt sei nur
die veränderte Form deö gemeinsamen Buudcsvrgaus gewesen. Nun denn, wie
hat Oestreich seine BundcSpflichteu gegen das Reichsministerium erfüllt? Hat es
je seinen Anordnungen Gehorsam, auch nur Beachtung geschenkt? Hat es damals
seine Beiträge, wo sie von der Centralgewalt gefordert wurden, zur "Bundeskasse"
bezahlt? Hat es seine Beiträge zur Flotte gezahlt, welche das "veränderte Organ
des gemeinsamen Bundes" von ihm erbat? Ja noch mehr, hat es selbst in den
Fällen, wo der alte Bund wirklich etwas zu bedeuten hatte, bei den Veränderun-
gen in seiner Militärorganisation, dem Organ verfassungsmäßige Anzeige gemacht?
Hat es sich bei seinen Kriegen in Ungarn und Italien irgend um den "Bund"
gekümmert, wäre es auch uur durch eine höfliche Notifikation gewesen? Ja noch
mehr, das "veränderte Organ des gemeinsamen Bundes" führte damals eiuen
Krieg mit Dänemark, wo Tausende von Buudessöhuen für eine Bnndcssache starben,
welchen Theil hat wohl Oestreich an dem Kriege genommen? Es hat den König
von Dänemark, den damaligen Kriegsfeind des fortbestehenden Bundes gerade
damals seiner Freundschaft und Zuneigung versichert, es hat sich gerade damals
einen dänischen Seeoffizier zur Restauration seiner zerfallenen Flotte ausgebeten.
-- Wahrlich, diese Rücksichtslosigkeit verdiente schon damals, wo Oestreich sich
eigenmächtig und hochmüthig von den deutschen Angelegenheiten isolirt hatte und
so angesehen sein wollte, eine ernste Rüge; wie kann man das jetzt nennen? Es
gibt anch für Regierungen Etwas von dem, was man im Privatleben Ehre nennt,
und nicht nur der Einzelne kann seine Ehre verlieren. -- Aber weiter: Oestreich
hatte sich faktisch losgelöst von den Pflichten eines Bnndesgliedes, da kam der
treuherzige Minister, welcher jetzt für den alten Bund schwärmt, und erklärte dies
auch ausdrücklich. In dem Antritts-Programm des Ministeriums Schwarzenberg
ist deutlich und mit Emphase Folgendes ausgesprochen: Erst wenn das ver¬
jüngte' Oestreich und das verjüngte Deutschland zu neuen und
feste" Formen gelangt sind, wird es möglich sein, ihre beidersei¬
tigen Beziehungen staatlich zu bestimmen. Das ist deutlich genug, ja
und auch männlich und ehrlich gesprochen. Freilich verspricht das Ministerium
gleich dahinter, bis zur Ordnung der schwebenden Verhältnisse seine Bundespflicht
zu erfüllen, was es seit einem halben Jahr nicht mehr gethan hatte und


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ein Lob seiner Klugheit. Mit welcher Stirn wagt das Kabinet Schwarzenberg
der Union gegenüber auf den alten Bund zu pochen, während Oestreich sich selbst,
zuerst, sehr auffällig und unfreundlich schon im Sommer 48 von dem deutschen
Bund losgesagt hat, während sich dasselbe Kabinet durch sein eigenes Programm
und seine von ihm selbst vclrvyirte Berfassnng von der alten Bundesverfassung
losgesagt hat? In der ungeschickten Note vom l2> November behauptet das Mi¬
nisterium!, der alte Bund habe auch im Jahre 48 mit allen Rechten und Pflichten
der Bundesmitglieder fortbestanden und die provisorische Centralgewalt sei nur
die veränderte Form deö gemeinsamen Buudcsvrgaus gewesen. Nun denn, wie
hat Oestreich seine BundcSpflichteu gegen das Reichsministerium erfüllt? Hat es
je seinen Anordnungen Gehorsam, auch nur Beachtung geschenkt? Hat es damals
seine Beiträge, wo sie von der Centralgewalt gefordert wurden, zur „Bundeskasse"
bezahlt? Hat es seine Beiträge zur Flotte gezahlt, welche das „veränderte Organ
des gemeinsamen Bundes" von ihm erbat? Ja noch mehr, hat es selbst in den
Fällen, wo der alte Bund wirklich etwas zu bedeuten hatte, bei den Veränderun-
gen in seiner Militärorganisation, dem Organ verfassungsmäßige Anzeige gemacht?
Hat es sich bei seinen Kriegen in Ungarn und Italien irgend um den „Bund"
gekümmert, wäre es auch uur durch eine höfliche Notifikation gewesen? Ja noch
mehr, das „veränderte Organ des gemeinsamen Bundes" führte damals eiuen
Krieg mit Dänemark, wo Tausende von Buudessöhuen für eine Bnndcssache starben,
welchen Theil hat wohl Oestreich an dem Kriege genommen? Es hat den König
von Dänemark, den damaligen Kriegsfeind des fortbestehenden Bundes gerade
damals seiner Freundschaft und Zuneigung versichert, es hat sich gerade damals
einen dänischen Seeoffizier zur Restauration seiner zerfallenen Flotte ausgebeten.
— Wahrlich, diese Rücksichtslosigkeit verdiente schon damals, wo Oestreich sich
eigenmächtig und hochmüthig von den deutschen Angelegenheiten isolirt hatte und
so angesehen sein wollte, eine ernste Rüge; wie kann man das jetzt nennen? Es
gibt anch für Regierungen Etwas von dem, was man im Privatleben Ehre nennt,
und nicht nur der Einzelne kann seine Ehre verlieren. — Aber weiter: Oestreich
hatte sich faktisch losgelöst von den Pflichten eines Bnndesgliedes, da kam der
treuherzige Minister, welcher jetzt für den alten Bund schwärmt, und erklärte dies
auch ausdrücklich. In dem Antritts-Programm des Ministeriums Schwarzenberg
ist deutlich und mit Emphase Folgendes ausgesprochen: Erst wenn das ver¬
jüngte' Oestreich und das verjüngte Deutschland zu neuen und
feste» Formen gelangt sind, wird es möglich sein, ihre beidersei¬
tigen Beziehungen staatlich zu bestimmen. Das ist deutlich genug, ja
und auch männlich und ehrlich gesprochen. Freilich verspricht das Ministerium
gleich dahinter, bis zur Ordnung der schwebenden Verhältnisse seine Bundespflicht
zu erfüllen, was es seit einem halben Jahr nicht mehr gethan hatte und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/454>, abgerufen am 15.01.2025.