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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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der ganzen ungarischen Armee, als diese trefflich exercirte, todesmuthige Truppe,
welche vom Hauptmann Kraus befehligt wurde.

Ein Major aus Görgeys Stab sprengt heran, aber statt die Ordre des Comman¬
danten an den Hauptmattn auszurichten, ruft er den Soldaten zu: Nit ultvlc ir tulc-
ii^osoli! was steht Ihr da, Ihr Lumpenpack. (Notzkerle)

Hauptmann Kraus trat sogleich hervor und verwies dem Major die Schmähung
und Beschimpfung. Hier stehen brave Soldaten, sagte er, und zwar von Dom Miguel
Infanterie, und die hätten gar nicht Roth, solche Schmach zu dulden.

Vielleicht daß diese Berufung auf die früheren Verhältnisse den magyarischen Ma¬
jor reizte, die Discusston wurde heftig zwischen beiden Offizieren und fluchend ritt
Letzterer davon.

Schon nach wenigen Minuten kam Görgey heran und frug in deutscher Sprache:
Wo ist der Hund?

Der begleitende Major wies mit der Hand aus Kraus.

Görgey ritt zornentbrannt aus ihn los und hieb mit dem Degen nach dem Haupt¬
mann, daß er besinnungslos mit einer tiefen Kopfwunde zusammensank. -- Der Gene¬
ral und seine Suite entfernten sich im Galopp.

Hauptmann Kraus war nicht blos ein von seiner Mannschaft geliebter Offizier,
sondern ein von Allen, die ihn kannten, geachteter Mann, man war daher auf eine
eclatante Satisfaction gefaßt, die auch nicht ausgeblieben wäre, wenn die Ereignisse
Zeit gelassen hätten. Aber das gekränkte Ehrgefühl der Soldaten suchte nach Gele¬
genheit, sich zu rächen, und sonderbarerweise übernahm ein Husur das Amt der Ver¬
geltung. In solchen Momenten zeigte sich in der Armee der Ungarn, wo die Disciplin
streng aufrecht gehalten wurde, was selbst der so schmähende Gegner gestehen muß, der
Mangel jener Ersurcht und Sehen, welche die geordneten Autoritäten genießen. Trotz
der Anhänglichkeit und Liebe zu Görgey äußerten sich die ehemaligen kaiserlichen Sol¬
daten in ihrer Erbitterung wegwerfend über den improvisirten Marschall. Nur durch
diese Anschauung ist das folgende erklärbar.

Wie in jeder Schlacht trug Görgey bei OSzöny eine scharlachrothe Jacke. Sei
es, daß er bemerkte, die Kugeln der Oestreicher fielen häusiger ans den Platz, wo er
sich jedesmal befand, er entfernte sich aus dem Gefechte und kehrte erst später, in den
Reitermantel gehüllt, zurück.

Roh auffahrend tadelte er einen Husaren und holte nach löblicher Gewohnheit mit
dem Degen gegen ihn aus; der Husar sprang einen Schritt zurück, schwang den Säbel
und hieb nach dem Kopfe des Gegners.

Daher die Kopfwunde Görgeys.

Als gleich darauf Gericht gehalten wurde über den Husaren, wurde er mit einem
gelinden Verweis bestraft, denn er gab vor, den General nicht gekannt zu haben. Der
gemeine Reitermantel und die gewöhnliche Campagriekappe habe ihn glauben lassen, es
sei ein Kamerad, der zu viel getrunken hatte.




Verlag von F. L. Herbig. -- Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von Friedrich Andrä.

der ganzen ungarischen Armee, als diese trefflich exercirte, todesmuthige Truppe,
welche vom Hauptmann Kraus befehligt wurde.

Ein Major aus Görgeys Stab sprengt heran, aber statt die Ordre des Comman¬
danten an den Hauptmattn auszurichten, ruft er den Soldaten zu: Nit ultvlc ir tulc-
ii^osoli! was steht Ihr da, Ihr Lumpenpack. (Notzkerle)

Hauptmann Kraus trat sogleich hervor und verwies dem Major die Schmähung
und Beschimpfung. Hier stehen brave Soldaten, sagte er, und zwar von Dom Miguel
Infanterie, und die hätten gar nicht Roth, solche Schmach zu dulden.

Vielleicht daß diese Berufung auf die früheren Verhältnisse den magyarischen Ma¬
jor reizte, die Discusston wurde heftig zwischen beiden Offizieren und fluchend ritt
Letzterer davon.

Schon nach wenigen Minuten kam Görgey heran und frug in deutscher Sprache:
Wo ist der Hund?

Der begleitende Major wies mit der Hand aus Kraus.

Görgey ritt zornentbrannt aus ihn los und hieb mit dem Degen nach dem Haupt¬
mann, daß er besinnungslos mit einer tiefen Kopfwunde zusammensank. — Der Gene¬
ral und seine Suite entfernten sich im Galopp.

Hauptmann Kraus war nicht blos ein von seiner Mannschaft geliebter Offizier,
sondern ein von Allen, die ihn kannten, geachteter Mann, man war daher auf eine
eclatante Satisfaction gefaßt, die auch nicht ausgeblieben wäre, wenn die Ereignisse
Zeit gelassen hätten. Aber das gekränkte Ehrgefühl der Soldaten suchte nach Gele¬
genheit, sich zu rächen, und sonderbarerweise übernahm ein Husur das Amt der Ver¬
geltung. In solchen Momenten zeigte sich in der Armee der Ungarn, wo die Disciplin
streng aufrecht gehalten wurde, was selbst der so schmähende Gegner gestehen muß, der
Mangel jener Ersurcht und Sehen, welche die geordneten Autoritäten genießen. Trotz
der Anhänglichkeit und Liebe zu Görgey äußerten sich die ehemaligen kaiserlichen Sol¬
daten in ihrer Erbitterung wegwerfend über den improvisirten Marschall. Nur durch
diese Anschauung ist das folgende erklärbar.

Wie in jeder Schlacht trug Görgey bei OSzöny eine scharlachrothe Jacke. Sei
es, daß er bemerkte, die Kugeln der Oestreicher fielen häusiger ans den Platz, wo er
sich jedesmal befand, er entfernte sich aus dem Gefechte und kehrte erst später, in den
Reitermantel gehüllt, zurück.

Roh auffahrend tadelte er einen Husaren und holte nach löblicher Gewohnheit mit
dem Degen gegen ihn aus; der Husar sprang einen Schritt zurück, schwang den Säbel
und hieb nach dem Kopfe des Gegners.

Daher die Kopfwunde Görgeys.

Als gleich darauf Gericht gehalten wurde über den Husaren, wurde er mit einem
gelinden Verweis bestraft, denn er gab vor, den General nicht gekannt zu haben. Der
gemeine Reitermantel und die gewöhnliche Campagriekappe habe ihn glauben lassen, es
sei ein Kamerad, der zu viel getrunken hatte.




Verlag von F. L. Herbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0451] der ganzen ungarischen Armee, als diese trefflich exercirte, todesmuthige Truppe, welche vom Hauptmann Kraus befehligt wurde. Ein Major aus Görgeys Stab sprengt heran, aber statt die Ordre des Comman¬ danten an den Hauptmattn auszurichten, ruft er den Soldaten zu: Nit ultvlc ir tulc- ii^osoli! was steht Ihr da, Ihr Lumpenpack. (Notzkerle) Hauptmann Kraus trat sogleich hervor und verwies dem Major die Schmähung und Beschimpfung. Hier stehen brave Soldaten, sagte er, und zwar von Dom Miguel Infanterie, und die hätten gar nicht Roth, solche Schmach zu dulden. Vielleicht daß diese Berufung auf die früheren Verhältnisse den magyarischen Ma¬ jor reizte, die Discusston wurde heftig zwischen beiden Offizieren und fluchend ritt Letzterer davon. Schon nach wenigen Minuten kam Görgey heran und frug in deutscher Sprache: Wo ist der Hund? Der begleitende Major wies mit der Hand aus Kraus. Görgey ritt zornentbrannt aus ihn los und hieb mit dem Degen nach dem Haupt¬ mann, daß er besinnungslos mit einer tiefen Kopfwunde zusammensank. — Der Gene¬ ral und seine Suite entfernten sich im Galopp. Hauptmann Kraus war nicht blos ein von seiner Mannschaft geliebter Offizier, sondern ein von Allen, die ihn kannten, geachteter Mann, man war daher auf eine eclatante Satisfaction gefaßt, die auch nicht ausgeblieben wäre, wenn die Ereignisse Zeit gelassen hätten. Aber das gekränkte Ehrgefühl der Soldaten suchte nach Gele¬ genheit, sich zu rächen, und sonderbarerweise übernahm ein Husur das Amt der Ver¬ geltung. In solchen Momenten zeigte sich in der Armee der Ungarn, wo die Disciplin streng aufrecht gehalten wurde, was selbst der so schmähende Gegner gestehen muß, der Mangel jener Ersurcht und Sehen, welche die geordneten Autoritäten genießen. Trotz der Anhänglichkeit und Liebe zu Görgey äußerten sich die ehemaligen kaiserlichen Sol¬ daten in ihrer Erbitterung wegwerfend über den improvisirten Marschall. Nur durch diese Anschauung ist das folgende erklärbar. Wie in jeder Schlacht trug Görgey bei OSzöny eine scharlachrothe Jacke. Sei es, daß er bemerkte, die Kugeln der Oestreicher fielen häusiger ans den Platz, wo er sich jedesmal befand, er entfernte sich aus dem Gefechte und kehrte erst später, in den Reitermantel gehüllt, zurück. Roh auffahrend tadelte er einen Husaren und holte nach löblicher Gewohnheit mit dem Degen gegen ihn aus; der Husar sprang einen Schritt zurück, schwang den Säbel und hieb nach dem Kopfe des Gegners. Daher die Kopfwunde Görgeys. Als gleich darauf Gericht gehalten wurde über den Husaren, wurde er mit einem gelinden Verweis bestraft, denn er gab vor, den General nicht gekannt zu haben. Der gemeine Reitermantel und die gewöhnliche Campagriekappe habe ihn glauben lassen, es sei ein Kamerad, der zu viel getrunken hatte. Verlag von F. L. Herbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/451>, abgerufen am 15.01.2025.