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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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elegischen Momenten, "vernichten" aber ist ein besonderer Lieblingsausdruck Wel-
den's. ES ist gewiß, daß das Wort bei ihm eine mehr harmlose Bedeutung
hat, -- die Commentatoren konnten sich über diesen Punkt nicht einigen, -- ich
stütze jedoch meine Ueberzeugung davon auf den Gebrauch des Wortes in mehre¬
ren Ausrufer, worin es heißt: "ich werde die Verführer mit größter Strenge
vernichten," was bei der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes ahnen ließe, daß
zwischen den Zeilen gelesen werden muß, "die Verführten aber werde ich mit
größter Milde vernichten;" ferner berufe ich mich für meine Ansicht auf den Ge¬
brauch, den Melden davon in seiner berühmten Apostrophe an die Komorner ge¬
macht hat, mit denen er es augenscheinlich nicht böse gemeint hat; denn trotz seiner
Versicherung, daß Gott selbst ihm helfen werde, und daß er, bliebe ihm auch nur
ein einziger Mann Infanterie übrig, mit diesem einen Mann Komorn vernichten
werde, ließ er die Beste ruhig liegen und reiste den nächsten Tag gemüthlich nach
Wien zurück.

Zum Schluß muß ich ans einen sehr bedeutenden leitenden Artikel der
Wiener Zeitung aufmerksam machen, den sie dem begnadigten Fröbel nachschlcn-
derte, als er sich der ihm bezeigten Milde so unwürdig bewies. Bekanntlich, das
heißt nach der Darstellung der wahrheitsliebenden Galgenblättlein Wiens war
Fröbel, als seine Begnudignng ihm gemeldet worden, weinend und mit gefalteten
Händen vor dem Profoßen und mehrern Offizieren ans seine Kniee gesunken, hatte
seine politischen Ketzereien feierlich abgeschworen und gelobt, sich zu bessern und
nie mehr mit den Feinden der guten Sache sich einzulassen! Dieses Gelübde brach
er in Frankfurt. Die Rache der Wiener Zeitung aber sollte ihn treffen. Ein von
Prophetischem Feuer lodernder Artikel erschien eines Abends; ich kann ihn nur
mit den Weissagungen des Jesaias, etwa mit der "Last über Tyrus," vergleichen.
Die "Last über Fröbel" sang von seinen weinenden Gelübden, aber "kaum war
seine letzte Thräne trocken," ging er hin nach der Babelskirche in Frank¬
furt, setzte sich links und sprach gegen seine gerechten und nnr zu barmherzigen
Richter! Warte nnr, "Gott, der den Undank wiegt, wird Dich ereilen, o
Fröbel."

Ich habe Grund zu vermuthen, daß Melden nur aus Bescheidenheit unter¬
lassen hat, unter dieses byron'sche Gedicht in Prosa seinen vollen Namen oder
doch die Unterschrift "Vom k. k. Civil- und Militärgouvernemcnt" zu setzen.
Merkwürdig sollen die amtlichen Sendschreiben Melden's an die Redactionen hie¬
siger Blätter sein, die Bannbullen sowohl als die Orden. Mir kam keines da¬
von zu Gesichte, auch würde ich sie in diesem Falle kaum besprechen, da sie nicht
der Öffentlichkeit angehören.

Sehen Sie sich noch einmal die starken biedern Züge des Mannes an. Das
ist Vater Melden, der Botaniker', Journalist und Gouverneur; der Mann, wel-


Grcnzboten. IV. 134". , 55

elegischen Momenten, „vernichten" aber ist ein besonderer Lieblingsausdruck Wel-
den's. ES ist gewiß, daß das Wort bei ihm eine mehr harmlose Bedeutung
hat, — die Commentatoren konnten sich über diesen Punkt nicht einigen, — ich
stütze jedoch meine Ueberzeugung davon auf den Gebrauch des Wortes in mehre¬
ren Ausrufer, worin es heißt: „ich werde die Verführer mit größter Strenge
vernichten," was bei der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes ahnen ließe, daß
zwischen den Zeilen gelesen werden muß, „die Verführten aber werde ich mit
größter Milde vernichten;" ferner berufe ich mich für meine Ansicht auf den Ge¬
brauch, den Melden davon in seiner berühmten Apostrophe an die Komorner ge¬
macht hat, mit denen er es augenscheinlich nicht böse gemeint hat; denn trotz seiner
Versicherung, daß Gott selbst ihm helfen werde, und daß er, bliebe ihm auch nur
ein einziger Mann Infanterie übrig, mit diesem einen Mann Komorn vernichten
werde, ließ er die Beste ruhig liegen und reiste den nächsten Tag gemüthlich nach
Wien zurück.

Zum Schluß muß ich ans einen sehr bedeutenden leitenden Artikel der
Wiener Zeitung aufmerksam machen, den sie dem begnadigten Fröbel nachschlcn-
derte, als er sich der ihm bezeigten Milde so unwürdig bewies. Bekanntlich, das
heißt nach der Darstellung der wahrheitsliebenden Galgenblättlein Wiens war
Fröbel, als seine Begnudignng ihm gemeldet worden, weinend und mit gefalteten
Händen vor dem Profoßen und mehrern Offizieren ans seine Kniee gesunken, hatte
seine politischen Ketzereien feierlich abgeschworen und gelobt, sich zu bessern und
nie mehr mit den Feinden der guten Sache sich einzulassen! Dieses Gelübde brach
er in Frankfurt. Die Rache der Wiener Zeitung aber sollte ihn treffen. Ein von
Prophetischem Feuer lodernder Artikel erschien eines Abends; ich kann ihn nur
mit den Weissagungen des Jesaias, etwa mit der „Last über Tyrus," vergleichen.
Die „Last über Fröbel" sang von seinen weinenden Gelübden, aber „kaum war
seine letzte Thräne trocken," ging er hin nach der Babelskirche in Frank¬
furt, setzte sich links und sprach gegen seine gerechten und nnr zu barmherzigen
Richter! Warte nnr, „Gott, der den Undank wiegt, wird Dich ereilen, o
Fröbel."

Ich habe Grund zu vermuthen, daß Melden nur aus Bescheidenheit unter¬
lassen hat, unter dieses byron'sche Gedicht in Prosa seinen vollen Namen oder
doch die Unterschrift „Vom k. k. Civil- und Militärgouvernemcnt" zu setzen.
Merkwürdig sollen die amtlichen Sendschreiben Melden's an die Redactionen hie¬
siger Blätter sein, die Bannbullen sowohl als die Orden. Mir kam keines da¬
von zu Gesichte, auch würde ich sie in diesem Falle kaum besprechen, da sie nicht
der Öffentlichkeit angehören.

Sehen Sie sich noch einmal die starken biedern Züge des Mannes an. Das
ist Vater Melden, der Botaniker', Journalist und Gouverneur; der Mann, wel-


Grcnzboten. IV. 134». , 55
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/436>, abgerufen am 15.01.2025.