Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Studiums ausgesetzt hatte. Nur durch ein Mißverständniß entging ihm dieser Ich habe es hier zunächst mit der Gesinnung des Dichters zu thun, und da Studiums ausgesetzt hatte. Nur durch ein Mißverständniß entging ihm dieser Ich habe es hier zunächst mit der Gesinnung des Dichters zu thun, und da <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279963"/> <p xml:id="ID_1462" prev="#ID_1461"> Studiums ausgesetzt hatte. Nur durch ein Mißverständniß entging ihm dieser<lb/> Preis. Zwei Jahre später (1819), nachdem er seine Studien beendet und mit<lb/> vieler Mühe von seinem Vater die Erlaubniß errungen hatte, seinem schriftstelle¬<lb/> rischen Beruf folgen zu dürfen, sandte er der Akademie der ^eux lin-inix in Tou¬<lb/> louse zwei Oden ein: „Die Jungfrauen von Lerdun" und „Die Wiederaufrichtung<lb/> der Bildsäule Heinrichs IV.;" beide wurden gekrönt. Em drittes, im folgenden<lb/> Jahr eingesandtes Gedicht: „Die Aussetzung Mose's im Nil" brachte ihm einen<lb/> neuen Preis und den Titel eines Nititrv-'es-jonx-Korimx ein. Alle drei Oden<lb/> waren vom reinsten Wasser des Royalismus. Mit der Herausgabe seiner gesam-<lb/> melten Gedichte (1821) öffnete sich ihm in der Welt eine glänzende Stellung.<lb/> Die royalistische Partei nahm ihn mit offnen Armen ans, Chateaubriand gab ihm<lb/> in einem Artikel des „Conscrvatenr" den Ehrennamen „das erhabene Kind," er<lb/> selbst begründete mit seinem Brnoer und einigen Freunden den „Conservateur<lb/> literaire," an dem er mit großem Fleiß arbeitete, und erhielt (1822) vom Hof<lb/> eine Pension.</p><lb/> <p xml:id="ID_1463" next="#ID_1464"> Ich habe es hier zunächst mit der Gesinnung des Dichters zu thun, und da<lb/> muß ich gestehen, daß ich darin finde, was der Teufel „starke» Tobak" nannte,<lb/> als ihm Jopö eine Flintenkugel in die Nase schoß. „Die Geschichte," sagt Victor<lb/> Hugo in der Vorrede zu seinen Balladen (1822), „ist nur dann poetisch, wenn<lb/> man sie von der Höhe der monarchischen Idee und des religiösen Glaubens be¬<lb/> trachtet. — Die Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts, welche den Geist der<lb/> Analyse in seinem reinsten Ausdruck darstellt, ist nicht minder feindlich gegen die<lb/> Poesie als gegen die Religion, weil beides nnr eine große Synthese ist. — Un¬<lb/> sere Revolution von Koth nud Blut hat uur Ein Denkmal hinterlassen, das blei¬<lb/> ben wird, ein Denkmal von Tinte und Papier, den Moniteur, die Geschichte ihrer<lb/> Greuelthaten. — Die neue Literatur ist zwar das Resultat der Revolution, aber<lb/> nicht ihr Ausdruck. Die Literatur und die Gesellschaft, welche aus der Revolu¬<lb/> tion hervorging, widerwärtig und ohnmächtig wie sie selber, sind todt und werde»<lb/> uicht wieder aufleben. Jetzt kennen wir mir eine von der Religion geweihte Frei¬<lb/> heit, eine vom Glauben geadelte Phantasie" (>824). — Der Herr, heißt es in<lb/> einem Gedicht über den Fall der Vendve, will zuweilen deu Triumph des Lasters;<lb/> er will in seiner Gerechtigkeit die Thräne der Unschuld; in seinem wunderbaren<lb/> Pfaden liefert er zuweilen Satan deu höllische» Freuden, Maria den heiligen<lb/> Schmerzen. Ju Prosa setzt er hinzu: Frankreich war in der Revolution größer<lb/> als Europa, denn es leistete ihm Widerstand; die Vendee aus demselben Grunde<lb/> größer als Frankreich. — Den Jungfrauen von Verdun, welche „frei vo» den<lb/> Fesseln des Jacobinismus" den Einzug der fremden Monarchen, „der Rächer des<lb/> beleidigten Königthums," mit Festlichkeiten feierten und deshalb guillotinirt wur¬<lb/> den, wird die Märtyrerkrone ans die Schläfe gedrückt. „Warum sind uicht die<lb/> Mauern über diese» Bösewichtern zusammengestürzt und haben sie in die Hölle</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0415]
Studiums ausgesetzt hatte. Nur durch ein Mißverständniß entging ihm dieser
Preis. Zwei Jahre später (1819), nachdem er seine Studien beendet und mit
vieler Mühe von seinem Vater die Erlaubniß errungen hatte, seinem schriftstelle¬
rischen Beruf folgen zu dürfen, sandte er der Akademie der ^eux lin-inix in Tou¬
louse zwei Oden ein: „Die Jungfrauen von Lerdun" und „Die Wiederaufrichtung
der Bildsäule Heinrichs IV.;" beide wurden gekrönt. Em drittes, im folgenden
Jahr eingesandtes Gedicht: „Die Aussetzung Mose's im Nil" brachte ihm einen
neuen Preis und den Titel eines Nititrv-'es-jonx-Korimx ein. Alle drei Oden
waren vom reinsten Wasser des Royalismus. Mit der Herausgabe seiner gesam-
melten Gedichte (1821) öffnete sich ihm in der Welt eine glänzende Stellung.
Die royalistische Partei nahm ihn mit offnen Armen ans, Chateaubriand gab ihm
in einem Artikel des „Conscrvatenr" den Ehrennamen „das erhabene Kind," er
selbst begründete mit seinem Brnoer und einigen Freunden den „Conservateur
literaire," an dem er mit großem Fleiß arbeitete, und erhielt (1822) vom Hof
eine Pension.
Ich habe es hier zunächst mit der Gesinnung des Dichters zu thun, und da
muß ich gestehen, daß ich darin finde, was der Teufel „starke» Tobak" nannte,
als ihm Jopö eine Flintenkugel in die Nase schoß. „Die Geschichte," sagt Victor
Hugo in der Vorrede zu seinen Balladen (1822), „ist nur dann poetisch, wenn
man sie von der Höhe der monarchischen Idee und des religiösen Glaubens be¬
trachtet. — Die Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts, welche den Geist der
Analyse in seinem reinsten Ausdruck darstellt, ist nicht minder feindlich gegen die
Poesie als gegen die Religion, weil beides nnr eine große Synthese ist. — Un¬
sere Revolution von Koth nud Blut hat uur Ein Denkmal hinterlassen, das blei¬
ben wird, ein Denkmal von Tinte und Papier, den Moniteur, die Geschichte ihrer
Greuelthaten. — Die neue Literatur ist zwar das Resultat der Revolution, aber
nicht ihr Ausdruck. Die Literatur und die Gesellschaft, welche aus der Revolu¬
tion hervorging, widerwärtig und ohnmächtig wie sie selber, sind todt und werde»
uicht wieder aufleben. Jetzt kennen wir mir eine von der Religion geweihte Frei¬
heit, eine vom Glauben geadelte Phantasie" (>824). — Der Herr, heißt es in
einem Gedicht über den Fall der Vendve, will zuweilen deu Triumph des Lasters;
er will in seiner Gerechtigkeit die Thräne der Unschuld; in seinem wunderbaren
Pfaden liefert er zuweilen Satan deu höllische» Freuden, Maria den heiligen
Schmerzen. Ju Prosa setzt er hinzu: Frankreich war in der Revolution größer
als Europa, denn es leistete ihm Widerstand; die Vendee aus demselben Grunde
größer als Frankreich. — Den Jungfrauen von Verdun, welche „frei vo» den
Fesseln des Jacobinismus" den Einzug der fremden Monarchen, „der Rächer des
beleidigten Königthums," mit Festlichkeiten feierten und deshalb guillotinirt wur¬
den, wird die Märtyrerkrone ans die Schläfe gedrückt. „Warum sind uicht die
Mauern über diese» Bösewichtern zusammengestürzt und haben sie in die Hölle
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