Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.rechnen. Die Scene spielt theils in Spladgest, der norwegischen Morgue, wo man Wenn dieses Werk isolirt dastände, so würde uicht viel darüber zu sagen sein. Im Bug Jargal, einer schlechten Negergeschichte, auf die wir uicht weiter rechnen. Die Scene spielt theils in Spladgest, der norwegischen Morgue, wo man Wenn dieses Werk isolirt dastände, so würde uicht viel darüber zu sagen sein. Im Bug Jargal, einer schlechten Negergeschichte, auf die wir uicht weiter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279955"/> <p xml:id="ID_1436" prev="#ID_1435"> rechnen. Die Scene spielt theils in Spladgest, der norwegischen Morgue, wo man<lb/> die Leichen der Ermordeten aussetzt, und wo der Wärter, der zugleich Antiquar<lb/> ist, die lustige Person machen muß, obgleich ihm das nichts hilft, denn er wird<lb/> zuletzt doch gefressen; theils in der Mordhöhle des Ungeheuers, theils in einer<lb/> andern Höhle, wo der Henker seine Werkstätte aufgeschlagen hat, theils im Ge¬<lb/> fängniß, theils im Nebel, wo man nicht die Hand vor Augen sieht. Die sämmt¬<lb/> lichen Personen benehmen sich rauher, als mau es sonst gewohnt ist, selbst<lb/> der erste Liebhaber ruft einmal: „Halten Sie das Maul!" mit einer Stimme,<lb/> vor der die Fenster erzittern. Der Eindruck wird, was bei einem französischen<lb/> Publikum noch mehr zu beachten ist, durch die unerhörten Namen verschärft, von<lb/> denen folgende: Spiagudry, Oglypiglap, Nychol Orugix, Pelnyrh, Tnllylilbet,<lb/> Cumbysulsum, uoch uicht die ärgsten sind. — Zum Schluß werden die Laster¬<lb/> haften theils wahnsinnig, theils hingerichtet; die Tugend geht gut aus. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1437"> Wenn dieses Werk isolirt dastände, so würde uicht viel darüber zu sagen sein.<lb/> Victor Hugo war 21 Jahr alt, als er es schrieb (1823), nud in diesem Alter<lb/> hat man, um dem Publikum durch Neuheit zu imponiren, schon größeren Unsinn<lb/> zu Markte gebracht. Aber als erstes Glied einer festgeschlossenen Reibe, als erster<lb/> Ausfluß einer sehr dreisten und consequenten Doctrin verdient es Beachtung. Han von<lb/> Island ist der Typus, der sich nicht nur in Victor Hugo'S späteren Dichtungen, son¬<lb/> dern auch in vielen Schöpfungen geistesverwandter Dichter seiner Zeit reprodnzirt,<lb/> und der früher, namentlich in der englischen Poesie zwar schon vorhanden gewesen<lb/> war — ich erinnere an den Caliban, Thersites, Apcmantus, die Hexen und<lb/> Clowns in Shakespeare, an die ähnlichen Figuren in W. Scott — aber nur als<lb/> phantastisches Beiwerk, als Arabeske, die sich wie die Drachenbilder in den go¬<lb/> thischen Kirchen, des Contrastes wegen um die schön gedachte» Hauptgruppen<lb/> schlang. Victor Hugo war es vorbehalten, die Monstrosität als solche<lb/> zum eigentlichen Gegenstand der Poesie zu erheben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1438" next="#ID_1439"> Im Bug Jargal, einer schlechten Negergeschichte, auf die wir uicht weiter<lb/> zurückkommen wollen (geschrieben 1818, umgearbeitet und herausgegeben 1825),<lb/> in Han in dem Zwerge Habibrah wiedergeboren. Zwerg, Neger, mißgeformt, bos¬<lb/> haft wie ein Affe, als Hanswurst angestellt, Mörder, Priester einer menschenfres¬<lb/> serischen Religion, nud Zauberer — genug der Ingredienzien zu einem Zauber¬<lb/> kessel im Geschmack der Macbethschcn Hexen. Umgeben von den Grenelscencn, die<lb/> der blutige Negeranfstaud auf Domingo nothwendig mit sich führen mußte, und<lb/> die durch die Erfindsamkeit eines barbarischen, von Natur blutdürstigen und durch<lb/> lange Knechtschaft uoch mehr verwilderten Stammes in Martern und Todesqua¬<lb/> len der ebenso verwilderten Phantasie des Dichters hinreichende Gelegenheit ga¬<lb/> ben, das Fleisch unter den FolterwerkzengM mit allem Raffinement eines Vir¬<lb/> tuosen zucken zu lassen — denn die Seele hat keinen Antheil mehr daran, — in<lb/> der fieberhaften Hitze eines tropischen Clima's, die schon der bloßen Vegetation</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0407]
rechnen. Die Scene spielt theils in Spladgest, der norwegischen Morgue, wo man
die Leichen der Ermordeten aussetzt, und wo der Wärter, der zugleich Antiquar
ist, die lustige Person machen muß, obgleich ihm das nichts hilft, denn er wird
zuletzt doch gefressen; theils in der Mordhöhle des Ungeheuers, theils in einer
andern Höhle, wo der Henker seine Werkstätte aufgeschlagen hat, theils im Ge¬
fängniß, theils im Nebel, wo man nicht die Hand vor Augen sieht. Die sämmt¬
lichen Personen benehmen sich rauher, als mau es sonst gewohnt ist, selbst
der erste Liebhaber ruft einmal: „Halten Sie das Maul!" mit einer Stimme,
vor der die Fenster erzittern. Der Eindruck wird, was bei einem französischen
Publikum noch mehr zu beachten ist, durch die unerhörten Namen verschärft, von
denen folgende: Spiagudry, Oglypiglap, Nychol Orugix, Pelnyrh, Tnllylilbet,
Cumbysulsum, uoch uicht die ärgsten sind. — Zum Schluß werden die Laster¬
haften theils wahnsinnig, theils hingerichtet; die Tugend geht gut aus. —
Wenn dieses Werk isolirt dastände, so würde uicht viel darüber zu sagen sein.
Victor Hugo war 21 Jahr alt, als er es schrieb (1823), nud in diesem Alter
hat man, um dem Publikum durch Neuheit zu imponiren, schon größeren Unsinn
zu Markte gebracht. Aber als erstes Glied einer festgeschlossenen Reibe, als erster
Ausfluß einer sehr dreisten und consequenten Doctrin verdient es Beachtung. Han von
Island ist der Typus, der sich nicht nur in Victor Hugo'S späteren Dichtungen, son¬
dern auch in vielen Schöpfungen geistesverwandter Dichter seiner Zeit reprodnzirt,
und der früher, namentlich in der englischen Poesie zwar schon vorhanden gewesen
war — ich erinnere an den Caliban, Thersites, Apcmantus, die Hexen und
Clowns in Shakespeare, an die ähnlichen Figuren in W. Scott — aber nur als
phantastisches Beiwerk, als Arabeske, die sich wie die Drachenbilder in den go¬
thischen Kirchen, des Contrastes wegen um die schön gedachte» Hauptgruppen
schlang. Victor Hugo war es vorbehalten, die Monstrosität als solche
zum eigentlichen Gegenstand der Poesie zu erheben.
Im Bug Jargal, einer schlechten Negergeschichte, auf die wir uicht weiter
zurückkommen wollen (geschrieben 1818, umgearbeitet und herausgegeben 1825),
in Han in dem Zwerge Habibrah wiedergeboren. Zwerg, Neger, mißgeformt, bos¬
haft wie ein Affe, als Hanswurst angestellt, Mörder, Priester einer menschenfres¬
serischen Religion, nud Zauberer — genug der Ingredienzien zu einem Zauber¬
kessel im Geschmack der Macbethschcn Hexen. Umgeben von den Grenelscencn, die
der blutige Negeranfstaud auf Domingo nothwendig mit sich führen mußte, und
die durch die Erfindsamkeit eines barbarischen, von Natur blutdürstigen und durch
lange Knechtschaft uoch mehr verwilderten Stammes in Martern und Todesqua¬
len der ebenso verwilderten Phantasie des Dichters hinreichende Gelegenheit ga¬
ben, das Fleisch unter den FolterwerkzengM mit allem Raffinement eines Vir¬
tuosen zucken zu lassen — denn die Seele hat keinen Antheil mehr daran, — in
der fieberhaften Hitze eines tropischen Clima's, die schon der bloßen Vegetation
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