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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Studien zur Geschichte der französischen Romantik ).



i.
Victor Hugo. ,

I^Sir is tout and foul is iair.
Msodstli.

In dem geistigen Kampfe, welcher gegenwärtig das französische Volk bewegt,
gehört Victor Hugo nicht mehr zu den Führern; seine Zeit ist vorüber. Man ehrt
in ihm noch den "großen Dichter," ungefähr wie die Klassiker aus den Zeiten
Ludwigs XIV., aber man nimmt kein lebendiges Interesse mehr an ihm. Aber
gerade weil er fertig ist, können wir in Deutschland an ihn einen Entwicklungs¬
prozeß anknüpfen, der sich mit tausend Faser" in die gegenwärtige Bewegung ver¬
schlingt. Kein Schriftsteller gibt ein so totales Bild der französischen Romantik,
weil keiner so doctrinär, so gewissenhaft in seiner Einseitigkeit war.

Bei dem schnurgeraden Wege, auf welchem sich seit Gründung der Akademie
die französische Literatur bewegte, kann man als Romantiker geradezu diejenigen
bezeichnen, welche mit Absicht und Reflexion von diesem Wege abwichen. Natürlich
hängt auch diese Abweichung mit dem Gesetz der nationalen Entwicklung zusammen,
und es ist meine Aufgabe mehr, diesen Zusammenhang nachzuweisen, als gegen
den Irrthum der Abweichung zu protestiren.

Die Romantik verließ in ihrer Vlüthenzeit, der Periode der Restauration,
nach zwei verschiedenen Richtungen hin die gerade Linie des französischen Geistes.
Die eine Richtung habe ich bei der Charakteristik Chateaubriand's *") angedeutet,
und werde sie bei Lamartine näher ausführen. Um von der zweiten, deren Träger
Victor Hugo ist, sogleich den Kern anzugeben, beginne ich mit einem einzelnen
seiner Werke, in welchem als Keim die Grundvorstellung enthalten ist, wodurch
der Dichter dem alten Frankreich gegenübertrat.




Grenzboten 1848, Heft 30-
**) Als Ergänzung zu meiner "Geschichte der Romantik" (Leipzig, F. g. Hering.)
Grenzl-oder. lo. 1849. 51
Studien zur Geschichte der französischen Romantik ).



i.
Victor Hugo. ,

I^Sir is tout and foul is iair.
Msodstli.

In dem geistigen Kampfe, welcher gegenwärtig das französische Volk bewegt,
gehört Victor Hugo nicht mehr zu den Führern; seine Zeit ist vorüber. Man ehrt
in ihm noch den „großen Dichter," ungefähr wie die Klassiker aus den Zeiten
Ludwigs XIV., aber man nimmt kein lebendiges Interesse mehr an ihm. Aber
gerade weil er fertig ist, können wir in Deutschland an ihn einen Entwicklungs¬
prozeß anknüpfen, der sich mit tausend Faser» in die gegenwärtige Bewegung ver¬
schlingt. Kein Schriftsteller gibt ein so totales Bild der französischen Romantik,
weil keiner so doctrinär, so gewissenhaft in seiner Einseitigkeit war.

Bei dem schnurgeraden Wege, auf welchem sich seit Gründung der Akademie
die französische Literatur bewegte, kann man als Romantiker geradezu diejenigen
bezeichnen, welche mit Absicht und Reflexion von diesem Wege abwichen. Natürlich
hängt auch diese Abweichung mit dem Gesetz der nationalen Entwicklung zusammen,
und es ist meine Aufgabe mehr, diesen Zusammenhang nachzuweisen, als gegen
den Irrthum der Abweichung zu protestiren.

Die Romantik verließ in ihrer Vlüthenzeit, der Periode der Restauration,
nach zwei verschiedenen Richtungen hin die gerade Linie des französischen Geistes.
Die eine Richtung habe ich bei der Charakteristik Chateaubriand's *") angedeutet,
und werde sie bei Lamartine näher ausführen. Um von der zweiten, deren Träger
Victor Hugo ist, sogleich den Kern anzugeben, beginne ich mit einem einzelnen
seiner Werke, in welchem als Keim die Grundvorstellung enthalten ist, wodurch
der Dichter dem alten Frankreich gegenübertrat.




Grenzboten 1848, Heft 30-
**) Als Ergänzung zu meiner „Geschichte der Romantik" (Leipzig, F. g. Hering.)
Grenzl-oder. lo. 1849. 51
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[0404] Studien zur Geschichte der französischen Romantik ). i. Victor Hugo. , I^Sir is tout and foul is iair. Msodstli. In dem geistigen Kampfe, welcher gegenwärtig das französische Volk bewegt, gehört Victor Hugo nicht mehr zu den Führern; seine Zeit ist vorüber. Man ehrt in ihm noch den „großen Dichter," ungefähr wie die Klassiker aus den Zeiten Ludwigs XIV., aber man nimmt kein lebendiges Interesse mehr an ihm. Aber gerade weil er fertig ist, können wir in Deutschland an ihn einen Entwicklungs¬ prozeß anknüpfen, der sich mit tausend Faser» in die gegenwärtige Bewegung ver¬ schlingt. Kein Schriftsteller gibt ein so totales Bild der französischen Romantik, weil keiner so doctrinär, so gewissenhaft in seiner Einseitigkeit war. Bei dem schnurgeraden Wege, auf welchem sich seit Gründung der Akademie die französische Literatur bewegte, kann man als Romantiker geradezu diejenigen bezeichnen, welche mit Absicht und Reflexion von diesem Wege abwichen. Natürlich hängt auch diese Abweichung mit dem Gesetz der nationalen Entwicklung zusammen, und es ist meine Aufgabe mehr, diesen Zusammenhang nachzuweisen, als gegen den Irrthum der Abweichung zu protestiren. Die Romantik verließ in ihrer Vlüthenzeit, der Periode der Restauration, nach zwei verschiedenen Richtungen hin die gerade Linie des französischen Geistes. Die eine Richtung habe ich bei der Charakteristik Chateaubriand's *") angedeutet, und werde sie bei Lamartine näher ausführen. Um von der zweiten, deren Träger Victor Hugo ist, sogleich den Kern anzugeben, beginne ich mit einem einzelnen seiner Werke, in welchem als Keim die Grundvorstellung enthalten ist, wodurch der Dichter dem alten Frankreich gegenübertrat. Grenzboten 1848, Heft 30- **) Als Ergänzung zu meiner „Geschichte der Romantik" (Leipzig, F. g. Hering.) Grenzl-oder. lo. 1849. 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/404>, abgerufen am 15.01.2025.