Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Schwärmer gehalten." -- "Wenn mir die Natur noch ein Kind schenken sollte," sprach er "Da Gutzkow das erfunden hat, darf ich es nicht nachmachen," sagte er zerstreut Das Bild wollte mich nicht wieder verlassen, es begleitete mich wie ein Gespenst Schwärmer gehalten." — „Wenn mir die Natur noch ein Kind schenken sollte," sprach er „Da Gutzkow das erfunden hat, darf ich es nicht nachmachen," sagte er zerstreut Das Bild wollte mich nicht wieder verlassen, es begleitete mich wie ein Gespenst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279588"/> <p xml:id="ID_116" prev="#ID_115"> Schwärmer gehalten." — „Wenn mir die Natur noch ein Kind schenken sollte," sprach er<lb/> nach manchem wüsten Wort, „so werde ick) es gewiß nicht laufen lassen, und wehe dem<lb/> Thoren, der meinen Kindern von Gott etwas vorsprechen will." „Dn solltest dann<lb/> doch zuerst deinen eigenen Namen ändern, Gottfried; — Gottfeind wäre passender."</p><lb/> <p xml:id="ID_117"> „Da Gutzkow das erfunden hat, darf ich es nicht nachmachen," sagte er zerstreut<lb/> und mit einem veränderten Ton, so sanft als lebte er noch in der friedlichen Zeit sei¬<lb/> ner literarischen Bestrebungen. — Armer Gottfried, wie ist mir das Alles so lebhaft<lb/> erinnerlich, als wäre es gestern gewesen und doch liegt ein Jahr dazwischen, das dich<lb/> so nah an's Schaffet gebracht hat! — Ein Freund hatte in Karlsruhe gesehen,<lb/> wie man ihn als Gefangenen eingebracht, in der Blouse, dem rothen Ledergurt und<lb/> der rothen Feder schwankend über dem bleichen Gesicht, Blutspuren in dem wirren Haar<lb/> und Bart. Der Pöbel hatte ihn mit Steinen geworfen, Soldaten ihn geschlagen,<lb/> ein preußischer Offizier aber hatte ihn beschützt.</p><lb/> <p xml:id="ID_118" next="#ID_119"> Das Bild wollte mich nicht wieder verlassen, es begleitete mich wie ein Gespenst<lb/> in dem hellen Sonnenschein, der zu einer Fahrt in's Ahrthal lockte. Vor zwei Jahren<lb/> hat Kinkel über die poetischen Reize dieses schönen Weinthalcs ein gutes Buch als Weg¬<lb/> weiser herausgegeben, es lag neben mir im Wagen, mit tiefer Wehmuth blätterte ich<lb/> darin. Die dunklen Felswände der wildromantischen Gegend erhöhten noch meine me¬<lb/> lancholische Empfindung; es ist todtenstill in dem Thal. Zur Zeit der Weinlese soll frei¬<lb/> lich, wie überall am Rhein, das munterste Leben auch hier herrschen. — Nur ein paar<lb/> Nonnen kamen in ihrer malerischen Tracht einen Bergpfad herab, sie gehörten zu dem Klo¬<lb/> ster, welches auf einem Felsvorsprunge dem alten Städtchen Ahrweiler gegenüber liegt.<lb/> Es ist jetzt eine weibliche Erziehungsanstalt, früher war es ein berühmter Wallfahrtsort.<lb/> Von den hundert jungen Mädchen, die hier den Händen der Nonnen anvertraut sind,<lb/> wird gewiß manches eine ungewöhnliche Zukunft haben, denn eine so wunderbar<lb/> schöne Einsamkeit muß in die Seelen allerlei hincinbildcn. Im Naturmenschen wird<lb/> solche latente Poesie zum Gebet, zum Drang nach religiöser Beschaulichkeit, daher gibt<lb/> es in diesen Thälern noch Wallfahrten und Eremiten. Auf dem Gipfel des höchsten<lb/> kegelförmigen Berges, der mit Recht den stolzen Namen Landeskrone trägt, wohnt seit<lb/> vielen Jahren ein alter Bauersmann neben einer Kapelle als Einsiedler. Ein Gelübde<lb/> für einen Andern zu erfülle», ist er einst nach Rom gewallt und hat den Erlös dieses<lb/> Bittganges zu seiner Einsiedelei verwendet. Man hält ihn in der Umgegend in hohen Ehren;<lb/> wenn er ein langes Winterhalbjahr hoch oben im Schnee und Sturm allein verlebt hat,<lb/> muß ihn wohl Gottes Nähe getröstet haben, meinen die frommen Wallfahrer, die ihn gern<lb/> besuchen. Auch Kinkel empfand etwas von den religiösen Schauern des Mittelalters, als<lb/> er seine historischen Forschungen im Ahrthale anstellte, das Mittelalter ist noch in unseren<lb/> Tagen sichtbar. Durch ein Felsenthor, nach dem Vorbilde der Port« Petrca im Münster¬<lb/> thal, gelangt man nach Altcnahr, einem Raubritternest auf schwindelnder Hohe; es ist der<lb/> schönste Punkt des Ahrthals. Die Mauern der stolzen Ruine sehen aus als wären<lb/> sie aus dem Felsen gewachsen, auch waren sie felsenfest und widerstanden den Zciten-<lb/> und Kriegsstürmen; der letzte Besitzer, Kurfürst Clemens Joseph von Trier hat sie ge¬<lb/> waltsam sprengen lassen, weil sie allzu sichere Schlupfwinkel für das Raubgesindel jener<lb/> Tage darboten. Jetzt wächst der Weinstock friedlich auf den steilen Felswänden, und es<lb/> ist unbegreiflich wie die Menschen da hinauf klettern können ihn zu pflegen, es muß ein<lb/> saures Brot sein, welches der herrliche Ahrwein seinen Erzeugern abwirft. Aber wie<lb/> gesagt, sie arbeiten und beten mehr wie an andern Orten. Als ich in das Felsenthor<lb/> fahren wollte, quoll eine Prozession daraus hervor, wie ein buntes Band schlängelte</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Schwärmer gehalten." — „Wenn mir die Natur noch ein Kind schenken sollte," sprach er
nach manchem wüsten Wort, „so werde ick) es gewiß nicht laufen lassen, und wehe dem
Thoren, der meinen Kindern von Gott etwas vorsprechen will." „Dn solltest dann
doch zuerst deinen eigenen Namen ändern, Gottfried; — Gottfeind wäre passender."
„Da Gutzkow das erfunden hat, darf ich es nicht nachmachen," sagte er zerstreut
und mit einem veränderten Ton, so sanft als lebte er noch in der friedlichen Zeit sei¬
ner literarischen Bestrebungen. — Armer Gottfried, wie ist mir das Alles so lebhaft
erinnerlich, als wäre es gestern gewesen und doch liegt ein Jahr dazwischen, das dich
so nah an's Schaffet gebracht hat! — Ein Freund hatte in Karlsruhe gesehen,
wie man ihn als Gefangenen eingebracht, in der Blouse, dem rothen Ledergurt und
der rothen Feder schwankend über dem bleichen Gesicht, Blutspuren in dem wirren Haar
und Bart. Der Pöbel hatte ihn mit Steinen geworfen, Soldaten ihn geschlagen,
ein preußischer Offizier aber hatte ihn beschützt.
Das Bild wollte mich nicht wieder verlassen, es begleitete mich wie ein Gespenst
in dem hellen Sonnenschein, der zu einer Fahrt in's Ahrthal lockte. Vor zwei Jahren
hat Kinkel über die poetischen Reize dieses schönen Weinthalcs ein gutes Buch als Weg¬
weiser herausgegeben, es lag neben mir im Wagen, mit tiefer Wehmuth blätterte ich
darin. Die dunklen Felswände der wildromantischen Gegend erhöhten noch meine me¬
lancholische Empfindung; es ist todtenstill in dem Thal. Zur Zeit der Weinlese soll frei¬
lich, wie überall am Rhein, das munterste Leben auch hier herrschen. — Nur ein paar
Nonnen kamen in ihrer malerischen Tracht einen Bergpfad herab, sie gehörten zu dem Klo¬
ster, welches auf einem Felsvorsprunge dem alten Städtchen Ahrweiler gegenüber liegt.
Es ist jetzt eine weibliche Erziehungsanstalt, früher war es ein berühmter Wallfahrtsort.
Von den hundert jungen Mädchen, die hier den Händen der Nonnen anvertraut sind,
wird gewiß manches eine ungewöhnliche Zukunft haben, denn eine so wunderbar
schöne Einsamkeit muß in die Seelen allerlei hincinbildcn. Im Naturmenschen wird
solche latente Poesie zum Gebet, zum Drang nach religiöser Beschaulichkeit, daher gibt
es in diesen Thälern noch Wallfahrten und Eremiten. Auf dem Gipfel des höchsten
kegelförmigen Berges, der mit Recht den stolzen Namen Landeskrone trägt, wohnt seit
vielen Jahren ein alter Bauersmann neben einer Kapelle als Einsiedler. Ein Gelübde
für einen Andern zu erfülle», ist er einst nach Rom gewallt und hat den Erlös dieses
Bittganges zu seiner Einsiedelei verwendet. Man hält ihn in der Umgegend in hohen Ehren;
wenn er ein langes Winterhalbjahr hoch oben im Schnee und Sturm allein verlebt hat,
muß ihn wohl Gottes Nähe getröstet haben, meinen die frommen Wallfahrer, die ihn gern
besuchen. Auch Kinkel empfand etwas von den religiösen Schauern des Mittelalters, als
er seine historischen Forschungen im Ahrthale anstellte, das Mittelalter ist noch in unseren
Tagen sichtbar. Durch ein Felsenthor, nach dem Vorbilde der Port« Petrca im Münster¬
thal, gelangt man nach Altcnahr, einem Raubritternest auf schwindelnder Hohe; es ist der
schönste Punkt des Ahrthals. Die Mauern der stolzen Ruine sehen aus als wären
sie aus dem Felsen gewachsen, auch waren sie felsenfest und widerstanden den Zciten-
und Kriegsstürmen; der letzte Besitzer, Kurfürst Clemens Joseph von Trier hat sie ge¬
waltsam sprengen lassen, weil sie allzu sichere Schlupfwinkel für das Raubgesindel jener
Tage darboten. Jetzt wächst der Weinstock friedlich auf den steilen Felswänden, und es
ist unbegreiflich wie die Menschen da hinauf klettern können ihn zu pflegen, es muß ein
saures Brot sein, welches der herrliche Ahrwein seinen Erzeugern abwirft. Aber wie
gesagt, sie arbeiten und beten mehr wie an andern Orten. Als ich in das Felsenthor
fahren wollte, quoll eine Prozession daraus hervor, wie ein buntes Band schlängelte
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