Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Langsam, wie zögernd liefen die Beitrittserklärungen der einzelnen deutschen
Staaten zu dem Interim ein. Die Oestreicher Freih. v. Kübeck und v. Schönhals,
die Preußen v. Nadowitz und Böttcher find die Commissarien bei den bevorstehen¬
den Conferenzen zwischen der preußischen Union und dem Kaiserstaat. -- Die
Presse, zumal in Süddeutschland, steht das Interim mit Mißtrauen, ja mit Abnei¬
gung herausziehn. Das ist Unrecht und Kurzsichtigkeit. Die Verwirrung und
Rathlosigkeit in den bisherigen allgemein deutschen Angelegenheiten ist so uner¬
träglich geworden, daß eine jede Verständigung darüber zwischen den Parteien
höchst willkommen sein muß. Während ein possenhaftes Reichsministerium den
Befehl gibt, die Gefion vor Preußen zu schützen, und die Execution im Bentink'-
schen Prozeß an Oldenburg dekretirt, liegen die Befestigungsarbeiten an den alten
Bnndesfestnngen darnieder, schaukelt die deutsche Flotte ohne anerkannte Flagge
und legale Eigenthümer zerstreut in deutscheu und fremden Häfen, sind die realen
Forderungen der einzelnen Staaten an einander in den ärgsten Widerspruch gekom¬
men. Hier thut vor Allem eine Entscheidung Noth. Nur wenn Preußen und
Oestreich sich verständigen, kann diese herbeigeführt werden. Was sonst noch Gu¬
tes aus dem Interim kommen kann, läßt sich jetzt nur muthmaßen; daß es aber
zum Nutzen für Deutschland gereichen wird, darauf mag man sich ruhig verlassen,
freilich aus einem schlechten Grund, denn cousnser und kläglicher als es jetzt ist,
kann es kaum werden. --

In den Sitzungen des Verwaltungsraths sind in der letzten Zeit die Wahl-
verordnnngcn zum Reichstag für die einzelnen Staaten geprüft worden, Erfurt ist
als Sitz des nächsten Reichstages und der 30. Januar als Termin der Wahl defi¬
nitiv festgestellt. Wir sehn jetzt Land und wollen uns darüber freuen. Noch höher
fast als die Sicherheit, welche die Volksvertretung der neuen Union gewonnen
hat, schlagen wir die Sprache an, in welcher Preußen in der Sitzung des Ver-
waltungsraths vom 17. November den ermüdenden Notenwechsel mit Hannover
und Sachsen abschließt. Nicht ohne beißende Ironie, ja mit einem gewissen Hu¬
mor ist diese Abfertigung geschrieben. Preußen verkennt die Gefahren, welche auf
dem eingeschlagenen Wege liegen, durchaus nicht, ist aber entschlossen, dieselben
unter allen Umständen zu bestehen. Hannover hatte sich Preußen gegenüber wie
ein alter respektabler Reactionär mit ziemlichem Bäuchlein, kurzem Gesichtskreise
und mürrischem Gemüth ausgesprochen, und hatte ihm wie mit heiserer Stimme
zugeflüstert: hüte Du Dich selber, Preußen, alter Geschäftsfreund, die kleinen
Staaten stecken voller Demokraten, Du wirst Dich selbst ruiniren, wenn Du mit
ihnen gemeinsames Spiel machst. Darauf antwortet Preußen: Dank für den gute"
Rath, Preußen schlägt die Gefahr nicht so hoch an als Hamiover und würde nie
in der Gefahr einen Grund finden, sein den Bundesgenossen und der Nation ge¬
gebenes Wort zu brechen. Glücklicherweise aber steht es nicht so schlimm. Pre"-


Grenzboten. lo. 1849. 5t)

Langsam, wie zögernd liefen die Beitrittserklärungen der einzelnen deutschen
Staaten zu dem Interim ein. Die Oestreicher Freih. v. Kübeck und v. Schönhals,
die Preußen v. Nadowitz und Böttcher find die Commissarien bei den bevorstehen¬
den Conferenzen zwischen der preußischen Union und dem Kaiserstaat. — Die
Presse, zumal in Süddeutschland, steht das Interim mit Mißtrauen, ja mit Abnei¬
gung herausziehn. Das ist Unrecht und Kurzsichtigkeit. Die Verwirrung und
Rathlosigkeit in den bisherigen allgemein deutschen Angelegenheiten ist so uner¬
träglich geworden, daß eine jede Verständigung darüber zwischen den Parteien
höchst willkommen sein muß. Während ein possenhaftes Reichsministerium den
Befehl gibt, die Gefion vor Preußen zu schützen, und die Execution im Bentink'-
schen Prozeß an Oldenburg dekretirt, liegen die Befestigungsarbeiten an den alten
Bnndesfestnngen darnieder, schaukelt die deutsche Flotte ohne anerkannte Flagge
und legale Eigenthümer zerstreut in deutscheu und fremden Häfen, sind die realen
Forderungen der einzelnen Staaten an einander in den ärgsten Widerspruch gekom¬
men. Hier thut vor Allem eine Entscheidung Noth. Nur wenn Preußen und
Oestreich sich verständigen, kann diese herbeigeführt werden. Was sonst noch Gu¬
tes aus dem Interim kommen kann, läßt sich jetzt nur muthmaßen; daß es aber
zum Nutzen für Deutschland gereichen wird, darauf mag man sich ruhig verlassen,
freilich aus einem schlechten Grund, denn cousnser und kläglicher als es jetzt ist,
kann es kaum werden. —

In den Sitzungen des Verwaltungsraths sind in der letzten Zeit die Wahl-
verordnnngcn zum Reichstag für die einzelnen Staaten geprüft worden, Erfurt ist
als Sitz des nächsten Reichstages und der 30. Januar als Termin der Wahl defi¬
nitiv festgestellt. Wir sehn jetzt Land und wollen uns darüber freuen. Noch höher
fast als die Sicherheit, welche die Volksvertretung der neuen Union gewonnen
hat, schlagen wir die Sprache an, in welcher Preußen in der Sitzung des Ver-
waltungsraths vom 17. November den ermüdenden Notenwechsel mit Hannover
und Sachsen abschließt. Nicht ohne beißende Ironie, ja mit einem gewissen Hu¬
mor ist diese Abfertigung geschrieben. Preußen verkennt die Gefahren, welche auf
dem eingeschlagenen Wege liegen, durchaus nicht, ist aber entschlossen, dieselben
unter allen Umständen zu bestehen. Hannover hatte sich Preußen gegenüber wie
ein alter respektabler Reactionär mit ziemlichem Bäuchlein, kurzem Gesichtskreise
und mürrischem Gemüth ausgesprochen, und hatte ihm wie mit heiserer Stimme
zugeflüstert: hüte Du Dich selber, Preußen, alter Geschäftsfreund, die kleinen
Staaten stecken voller Demokraten, Du wirst Dich selbst ruiniren, wenn Du mit
ihnen gemeinsames Spiel machst. Darauf antwortet Preußen: Dank für den gute»
Rath, Preußen schlägt die Gefahr nicht so hoch an als Hamiover und würde nie
in der Gefahr einen Grund finden, sein den Bundesgenossen und der Nation ge¬
gebenes Wort zu brechen. Glücklicherweise aber steht es nicht so schlimm. Pre»-


Grenzboten. lo. 1849. 5t)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279944"/>
          <p xml:id="ID_1405"> Langsam, wie zögernd liefen die Beitrittserklärungen der einzelnen deutschen<lb/>
Staaten zu dem Interim ein. Die Oestreicher Freih. v. Kübeck und v. Schönhals,<lb/>
die Preußen v. Nadowitz und Böttcher find die Commissarien bei den bevorstehen¬<lb/>
den Conferenzen zwischen der preußischen Union und dem Kaiserstaat. &#x2014; Die<lb/>
Presse, zumal in Süddeutschland, steht das Interim mit Mißtrauen, ja mit Abnei¬<lb/>
gung herausziehn. Das ist Unrecht und Kurzsichtigkeit. Die Verwirrung und<lb/>
Rathlosigkeit in den bisherigen allgemein deutschen Angelegenheiten ist so uner¬<lb/>
träglich geworden, daß eine jede Verständigung darüber zwischen den Parteien<lb/>
höchst willkommen sein muß. Während ein possenhaftes Reichsministerium den<lb/>
Befehl gibt, die Gefion vor Preußen zu schützen, und die Execution im Bentink'-<lb/>
schen Prozeß an Oldenburg dekretirt, liegen die Befestigungsarbeiten an den alten<lb/>
Bnndesfestnngen darnieder, schaukelt die deutsche Flotte ohne anerkannte Flagge<lb/>
und legale Eigenthümer zerstreut in deutscheu und fremden Häfen, sind die realen<lb/>
Forderungen der einzelnen Staaten an einander in den ärgsten Widerspruch gekom¬<lb/>
men. Hier thut vor Allem eine Entscheidung Noth. Nur wenn Preußen und<lb/>
Oestreich sich verständigen, kann diese herbeigeführt werden. Was sonst noch Gu¬<lb/>
tes aus dem Interim kommen kann, läßt sich jetzt nur muthmaßen; daß es aber<lb/>
zum Nutzen für Deutschland gereichen wird, darauf mag man sich ruhig verlassen,<lb/>
freilich aus einem schlechten Grund, denn cousnser und kläglicher als es jetzt ist,<lb/>
kann es kaum werden. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1406" next="#ID_1407"> In den Sitzungen des Verwaltungsraths sind in der letzten Zeit die Wahl-<lb/>
verordnnngcn zum Reichstag für die einzelnen Staaten geprüft worden, Erfurt ist<lb/>
als Sitz des nächsten Reichstages und der 30. Januar als Termin der Wahl defi¬<lb/>
nitiv festgestellt. Wir sehn jetzt Land und wollen uns darüber freuen. Noch höher<lb/>
fast als die Sicherheit, welche die Volksvertretung der neuen Union gewonnen<lb/>
hat, schlagen wir die Sprache an, in welcher Preußen in der Sitzung des Ver-<lb/>
waltungsraths vom 17. November den ermüdenden Notenwechsel mit Hannover<lb/>
und Sachsen abschließt. Nicht ohne beißende Ironie, ja mit einem gewissen Hu¬<lb/>
mor ist diese Abfertigung geschrieben. Preußen verkennt die Gefahren, welche auf<lb/>
dem eingeschlagenen Wege liegen, durchaus nicht, ist aber entschlossen, dieselben<lb/>
unter allen Umständen zu bestehen. Hannover hatte sich Preußen gegenüber wie<lb/>
ein alter respektabler Reactionär mit ziemlichem Bäuchlein, kurzem Gesichtskreise<lb/>
und mürrischem Gemüth ausgesprochen, und hatte ihm wie mit heiserer Stimme<lb/>
zugeflüstert: hüte Du Dich selber, Preußen, alter Geschäftsfreund, die kleinen<lb/>
Staaten stecken voller Demokraten, Du wirst Dich selbst ruiniren, wenn Du mit<lb/>
ihnen gemeinsames Spiel machst. Darauf antwortet Preußen: Dank für den gute»<lb/>
Rath, Preußen schlägt die Gefahr nicht so hoch an als Hamiover und würde nie<lb/>
in der Gefahr einen Grund finden, sein den Bundesgenossen und der Nation ge¬<lb/>
gebenes Wort zu brechen. Glücklicherweise aber steht es nicht so schlimm. Pre»-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. lo. 1849. 5t)</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0396] Langsam, wie zögernd liefen die Beitrittserklärungen der einzelnen deutschen Staaten zu dem Interim ein. Die Oestreicher Freih. v. Kübeck und v. Schönhals, die Preußen v. Nadowitz und Böttcher find die Commissarien bei den bevorstehen¬ den Conferenzen zwischen der preußischen Union und dem Kaiserstaat. — Die Presse, zumal in Süddeutschland, steht das Interim mit Mißtrauen, ja mit Abnei¬ gung herausziehn. Das ist Unrecht und Kurzsichtigkeit. Die Verwirrung und Rathlosigkeit in den bisherigen allgemein deutschen Angelegenheiten ist so uner¬ träglich geworden, daß eine jede Verständigung darüber zwischen den Parteien höchst willkommen sein muß. Während ein possenhaftes Reichsministerium den Befehl gibt, die Gefion vor Preußen zu schützen, und die Execution im Bentink'- schen Prozeß an Oldenburg dekretirt, liegen die Befestigungsarbeiten an den alten Bnndesfestnngen darnieder, schaukelt die deutsche Flotte ohne anerkannte Flagge und legale Eigenthümer zerstreut in deutscheu und fremden Häfen, sind die realen Forderungen der einzelnen Staaten an einander in den ärgsten Widerspruch gekom¬ men. Hier thut vor Allem eine Entscheidung Noth. Nur wenn Preußen und Oestreich sich verständigen, kann diese herbeigeführt werden. Was sonst noch Gu¬ tes aus dem Interim kommen kann, läßt sich jetzt nur muthmaßen; daß es aber zum Nutzen für Deutschland gereichen wird, darauf mag man sich ruhig verlassen, freilich aus einem schlechten Grund, denn cousnser und kläglicher als es jetzt ist, kann es kaum werden. — In den Sitzungen des Verwaltungsraths sind in der letzten Zeit die Wahl- verordnnngcn zum Reichstag für die einzelnen Staaten geprüft worden, Erfurt ist als Sitz des nächsten Reichstages und der 30. Januar als Termin der Wahl defi¬ nitiv festgestellt. Wir sehn jetzt Land und wollen uns darüber freuen. Noch höher fast als die Sicherheit, welche die Volksvertretung der neuen Union gewonnen hat, schlagen wir die Sprache an, in welcher Preußen in der Sitzung des Ver- waltungsraths vom 17. November den ermüdenden Notenwechsel mit Hannover und Sachsen abschließt. Nicht ohne beißende Ironie, ja mit einem gewissen Hu¬ mor ist diese Abfertigung geschrieben. Preußen verkennt die Gefahren, welche auf dem eingeschlagenen Wege liegen, durchaus nicht, ist aber entschlossen, dieselben unter allen Umständen zu bestehen. Hannover hatte sich Preußen gegenüber wie ein alter respektabler Reactionär mit ziemlichem Bäuchlein, kurzem Gesichtskreise und mürrischem Gemüth ausgesprochen, und hatte ihm wie mit heiserer Stimme zugeflüstert: hüte Du Dich selber, Preußen, alter Geschäftsfreund, die kleinen Staaten stecken voller Demokraten, Du wirst Dich selbst ruiniren, wenn Du mit ihnen gemeinsames Spiel machst. Darauf antwortet Preußen: Dank für den gute» Rath, Preußen schlägt die Gefahr nicht so hoch an als Hamiover und würde nie in der Gefahr einen Grund finden, sein den Bundesgenossen und der Nation ge¬ gebenes Wort zu brechen. Glücklicherweise aber steht es nicht so schlimm. Pre»- Grenzboten. lo. 1849. 5t)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/396
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/396>, abgerufen am 15.01.2025.