Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Auch der steirische Don Juan, der nachdenkend an der Ofenecke gelehnt hatte, Platzendes Gelächter erscholl, Fränzel war wie der Wind zur Thüre hinaus, Auf der Treppe trafen wir Fräuzel, die sich noch immer die Seiten hielt, Hier sahen Sie nun, sagte Don Isidor Amabile, als wir unser Schlafgemach S. Die falschen sichrer, bezeichnet. Diese Bastardrace ist nicht ohne historisch-politische Bedeutung, und Auch der steirische Don Juan, der nachdenkend an der Ofenecke gelehnt hatte, Platzendes Gelächter erscholl, Fränzel war wie der Wind zur Thüre hinaus, Auf der Treppe trafen wir Fräuzel, die sich noch immer die Seiten hielt, Hier sahen Sie nun, sagte Don Isidor Amabile, als wir unser Schlafgemach S. Die falschen sichrer, bezeichnet. Diese Bastardrace ist nicht ohne historisch-politische Bedeutung, und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279933"/> <p xml:id="ID_1368" prev="#ID_1367"> Auch der steirische Don Juan, der nachdenkend an der Ofenecke gelehnt hatte,<lb/> setzte sich jetzt in unsere Nähe und lockte das Kind zu sich. — So geh Anna,<lb/> schnaubte der Wirth, geh doch zu dem Herrn, und er führte sie hin. Der Jäger<lb/> hob sie auf'Z Knie zu sich und fragte: Weißt noch, wer Dir das beiuerne Niugerl<lb/> gegeben hat? Weißt noch wie ich heiß'? — Anna sah sich, mit dem Nosenfingcr<lb/> im Mund, »ach Fräuzel um. — Na sag doch, schnaufte der Wirth; wie heißt<lb/> der schone Herr? - - Hanswurst, antwortete das ont'inde turribl», zum Jäger auf¬<lb/> blickend; und Fränzel sagt, Du sollest Dir auch el»' falschen Kropf wachsen<lb/> lassen, ja!</p><lb/> <p xml:id="ID_1369"> Platzendes Gelächter erscholl, Fränzel war wie der Wind zur Thüre hinaus,<lb/> und der Steirer setzte die Kleine so heftig ans den Boden, daß sie laut zu wei¬<lb/> nen anfing; der Wirth schnaufte entschuldigend Herr Baron hin und Herr Baron<lb/> her und schwur, Fräuzel verderbe sei» Ki»d und müsse morgen aus dem Hause.</p><lb/> <p xml:id="ID_1370"> Auf der Treppe trafen wir Fräuzel, die sich noch immer die Seiten hielt,<lb/> vor Lachen standen ihr die Thränen in den blauen Augen. Nein, sagte sie; man<lb/> glaubt's nicht, was die feinen Herrn für Affereien treiben. Der Baron ist'n<lb/> Steirer wie ich eine Wienerin. Voriges Jahr kamen auch so ein drei, vier Stück<lb/> Herrschaften mit ihren Damen nach Gmunden in's Goldene Schiff. Meine Schwe¬<lb/> stern und meine Brüder mußten zum Spaß mit ihnen die Kleider tauschen, und<lb/> dann spazierten sie im kurzen Nöckerl durch's Stadtl 'rum, aber du lieber Gott, —<lb/> sagte Fränzel mit großem Ernst und in mitleidsvollem Ton, — sie haben ja gar<lb/> keine Waderl nit gehabt! —</p><lb/> <p xml:id="ID_1371"> Hier sahen Sie nun, sagte Don Isidor Amabile, als wir unser Schlafgemach<lb/> erreicht hatten, ein Exemplar jener Gattung, die das Volk mit dem Spottnamen:</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> S. Die falschen sichrer,</head><lb/> <p xml:id="ID_1372" next="#ID_1373"> bezeichnet. Diese Bastardrace ist nicht ohne historisch-politische Bedeutung, und<lb/> ich möchte ihre Entstehung dem (un)seligen Kaiser Franz zuschreiben, der bekanntlich<lb/> die öffentliche Komödianterei mit Meisterschaft betrieb. Von Geburt und Sinnesart<lb/> ein Wälscher, im unliebsamen Sinne des Wortes, machte er sein Leben lang den<lb/> „falschen Wiener." Es steckt im Volk der Wiener, der Oestreicher und Steherer<lb/> ein unverwüstlicher Schatz harmloser Offenheit, Lebenslust und Gutmüthigkeit; der<lb/> Mann aus dem Volke ist liebenswürdig. Nun denken Sie sich einen von Natur<lb/> mißtrauische», verschlagenen, kalt- und engherzigen Fürsten, ohne Geistesgröße,<lb/> aber mit eine»! spitzigen Ange für die Schwäche» der gewöhnlichen Menschenmasse,<lb/> der so weit gebildet ist, daß er auf französisch und italienisch sich mit diplomati¬<lb/> scher Vorsicht und Feinheit auszudrücken versteht, der auf deutsch aber seine be¬<lb/> rechnetsten Gedanken in die treuherzige Wiener Mundart maskirt; der im Geberden-<lb/> nud Mienenspiel, im Drehe» und Wende» die Schlichtheit des Volkes so lange</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0385]
Auch der steirische Don Juan, der nachdenkend an der Ofenecke gelehnt hatte,
setzte sich jetzt in unsere Nähe und lockte das Kind zu sich. — So geh Anna,
schnaubte der Wirth, geh doch zu dem Herrn, und er führte sie hin. Der Jäger
hob sie auf'Z Knie zu sich und fragte: Weißt noch, wer Dir das beiuerne Niugerl
gegeben hat? Weißt noch wie ich heiß'? — Anna sah sich, mit dem Nosenfingcr
im Mund, »ach Fräuzel um. — Na sag doch, schnaufte der Wirth; wie heißt
der schone Herr? - - Hanswurst, antwortete das ont'inde turribl», zum Jäger auf¬
blickend; und Fränzel sagt, Du sollest Dir auch el»' falschen Kropf wachsen
lassen, ja!
Platzendes Gelächter erscholl, Fränzel war wie der Wind zur Thüre hinaus,
und der Steirer setzte die Kleine so heftig ans den Boden, daß sie laut zu wei¬
nen anfing; der Wirth schnaufte entschuldigend Herr Baron hin und Herr Baron
her und schwur, Fräuzel verderbe sei» Ki»d und müsse morgen aus dem Hause.
Auf der Treppe trafen wir Fräuzel, die sich noch immer die Seiten hielt,
vor Lachen standen ihr die Thränen in den blauen Augen. Nein, sagte sie; man
glaubt's nicht, was die feinen Herrn für Affereien treiben. Der Baron ist'n
Steirer wie ich eine Wienerin. Voriges Jahr kamen auch so ein drei, vier Stück
Herrschaften mit ihren Damen nach Gmunden in's Goldene Schiff. Meine Schwe¬
stern und meine Brüder mußten zum Spaß mit ihnen die Kleider tauschen, und
dann spazierten sie im kurzen Nöckerl durch's Stadtl 'rum, aber du lieber Gott, —
sagte Fränzel mit großem Ernst und in mitleidsvollem Ton, — sie haben ja gar
keine Waderl nit gehabt! —
Hier sahen Sie nun, sagte Don Isidor Amabile, als wir unser Schlafgemach
erreicht hatten, ein Exemplar jener Gattung, die das Volk mit dem Spottnamen:
S. Die falschen sichrer,
bezeichnet. Diese Bastardrace ist nicht ohne historisch-politische Bedeutung, und
ich möchte ihre Entstehung dem (un)seligen Kaiser Franz zuschreiben, der bekanntlich
die öffentliche Komödianterei mit Meisterschaft betrieb. Von Geburt und Sinnesart
ein Wälscher, im unliebsamen Sinne des Wortes, machte er sein Leben lang den
„falschen Wiener." Es steckt im Volk der Wiener, der Oestreicher und Steherer
ein unverwüstlicher Schatz harmloser Offenheit, Lebenslust und Gutmüthigkeit; der
Mann aus dem Volke ist liebenswürdig. Nun denken Sie sich einen von Natur
mißtrauische», verschlagenen, kalt- und engherzigen Fürsten, ohne Geistesgröße,
aber mit eine»! spitzigen Ange für die Schwäche» der gewöhnlichen Menschenmasse,
der so weit gebildet ist, daß er auf französisch und italienisch sich mit diplomati¬
scher Vorsicht und Feinheit auszudrücken versteht, der auf deutsch aber seine be¬
rechnetsten Gedanken in die treuherzige Wiener Mundart maskirt; der im Geberden-
nud Mienenspiel, im Drehe» und Wende» die Schlichtheit des Volkes so lange
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