Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.slavisch wie sie früher deutsch gewesen waren. Jetzt ist Sardinien erlegen, Ungarn Harfe und Violine hatten sich glücklich entfernt, auch das Abendessen war Nur eine kleine Gruppe hielt sich unserm harmlosen Treiben fern. Zwei slavisch wie sie früher deutsch gewesen waren. Jetzt ist Sardinien erlegen, Ungarn Harfe und Violine hatten sich glücklich entfernt, auch das Abendessen war Nur eine kleine Gruppe hielt sich unserm harmlosen Treiben fern. Zwei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0384" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279932"/> <p xml:id="ID_1365" prev="#ID_1364"> slavisch wie sie früher deutsch gewesen waren. Jetzt ist Sardinien erlegen, Ungarn<lb/> erlegen, das altmodische Deutschthum aber lebt nur noch im Munde einer bleich¬<lb/> süchtigen Gebirgsharsenistin, die zu träge war, ein neueres und zeitgemäßeres<lb/> Liedlein auswendig zu lernen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1366"> Harfe und Violine hatten sich glücklich entfernt, auch das Abendessen war<lb/> vorüber. Die trefflichen Forellen und Saiblinge, der zarte Gemsbraten und der<lb/> würzige Nußberger erzeugten eine so glückliche Stimmung, daß die Gesellschaft<lb/> enger zusammenrückte und die Gläser noch einmal füllte. Das Fremdenbuch ging<lb/> von Hand zu Hand und man lachte über die bunten Thorheiten, die von jungen<lb/> Malern, barocken Engländern und sentimentalen Blaustrümpfen hineingeschrieben<lb/> und gezeichnet waren, so wie über die Politik des Herrn Stadler, der jedes<lb/> Blatt, auf dem das Fac Sinne irgend einer hohen Herrschaft stand, mit großen,<lb/> grell colorirten Blumenguirlanden schmücken ließ und die boshaften Randbemerkungen,<lb/> welche in der Demokratenzeit auf diesen Gcdenkblättern emporgewnchert waren,<lb/> sorgfältig mit weißen Papierstreifen überklebt hatte. Es versteht sich, daß der<lb/> schlaue Wirth die Censur nicht blos zum Besten des Vaterlandes übte, sondern<lb/> auch gegen knauserige Beschwerden über seine Rechenkreide anwandte. Dafür ver¬<lb/> säumte er Nichts, um seiue Gäste bei guter Laune zu erhalten und gab, wo ihm<lb/> der Witz ausging, seine eigene majestätisch beleibte Person ihrem Humor preis;<lb/> ein Linzer Student setzte sich an's Klavier und spielte mit Feuer die letzte» Meister¬<lb/> werke von Strauß und Herr Stadler tauzte dazu, erst allein, dann mit der sechs¬<lb/> jährigen Anna, seinem flachshaarigen Töchterlein, schnaubend im Kreis herum.</p><lb/> <p xml:id="ID_1367" next="#ID_1368"> Nur eine kleine Gruppe hielt sich unserm harmlosen Treiben fern. Zwei<lb/> steirische Jäger — nach ihrer Kleidung zu schließen — faßen an einem Seiten-<lb/> tischchen und spielten eifrig Karte, ein dritter suchte im Schatten des großen,<lb/> bankumgürteten Kachelofens der Fränzel aus Gmunden, einem thaufrischen schnippi¬<lb/> schen Stubenmädchen, den Hof zu mache». Der Mann hatte ein wunderliches<lb/> Aussehen und es fiel auf den ersten Blick auf, wie wenig die steirische Jägertracht<lb/> ZU dem blassen, schwächlichen Gesicht, welches ein schwarzer Backenbart noch greller<lb/> hervorhob, zu den halb erloschenen Augen und dem funkelnden Diamant auf sei¬<lb/> nein rechten Zeigefinger paßte. Das Glück lächelte seiner Bewerbung nicht, Frän¬<lb/> zel schlug mehrere Stürme leicht ab und als er gar beide Arme um sie schlingen<lb/> wollte, entschlüpfte sie ihm flink wie eine Fischotter und sprang flüchtend mitten<lb/> U' unsern Kreis. — Na, Annerl, getanzt hast Du genung, jetzt sing amal, rief sie<lb/> der Kleinen zu. Die Kleine sah sich furchtsam um; erst als Fränzel neben ihr<lb/> 'nederkniete, überwand sie, mit dem Kopftuchschleifen des Stubenmädchens spic-<lb/> end, ihre Schüchternheit und jodelte mit dem feinen jungen Lerchenstimmchen einen<lb/> wehmüthigen Oberöstreicher. Unser Beifall erhitzte und ermuthigte die kleine San-<lb/> ^wi, sie trillerte immer lauter und kräftiger bis an zehnmal das reizende<lb/> ledchen ab und wurde dafür von sämmtlichen Gästen der Reihe nach gehätschelt.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0384]
slavisch wie sie früher deutsch gewesen waren. Jetzt ist Sardinien erlegen, Ungarn
erlegen, das altmodische Deutschthum aber lebt nur noch im Munde einer bleich¬
süchtigen Gebirgsharsenistin, die zu träge war, ein neueres und zeitgemäßeres
Liedlein auswendig zu lernen.
Harfe und Violine hatten sich glücklich entfernt, auch das Abendessen war
vorüber. Die trefflichen Forellen und Saiblinge, der zarte Gemsbraten und der
würzige Nußberger erzeugten eine so glückliche Stimmung, daß die Gesellschaft
enger zusammenrückte und die Gläser noch einmal füllte. Das Fremdenbuch ging
von Hand zu Hand und man lachte über die bunten Thorheiten, die von jungen
Malern, barocken Engländern und sentimentalen Blaustrümpfen hineingeschrieben
und gezeichnet waren, so wie über die Politik des Herrn Stadler, der jedes
Blatt, auf dem das Fac Sinne irgend einer hohen Herrschaft stand, mit großen,
grell colorirten Blumenguirlanden schmücken ließ und die boshaften Randbemerkungen,
welche in der Demokratenzeit auf diesen Gcdenkblättern emporgewnchert waren,
sorgfältig mit weißen Papierstreifen überklebt hatte. Es versteht sich, daß der
schlaue Wirth die Censur nicht blos zum Besten des Vaterlandes übte, sondern
auch gegen knauserige Beschwerden über seine Rechenkreide anwandte. Dafür ver¬
säumte er Nichts, um seiue Gäste bei guter Laune zu erhalten und gab, wo ihm
der Witz ausging, seine eigene majestätisch beleibte Person ihrem Humor preis;
ein Linzer Student setzte sich an's Klavier und spielte mit Feuer die letzte» Meister¬
werke von Strauß und Herr Stadler tauzte dazu, erst allein, dann mit der sechs¬
jährigen Anna, seinem flachshaarigen Töchterlein, schnaubend im Kreis herum.
Nur eine kleine Gruppe hielt sich unserm harmlosen Treiben fern. Zwei
steirische Jäger — nach ihrer Kleidung zu schließen — faßen an einem Seiten-
tischchen und spielten eifrig Karte, ein dritter suchte im Schatten des großen,
bankumgürteten Kachelofens der Fränzel aus Gmunden, einem thaufrischen schnippi¬
schen Stubenmädchen, den Hof zu mache». Der Mann hatte ein wunderliches
Aussehen und es fiel auf den ersten Blick auf, wie wenig die steirische Jägertracht
ZU dem blassen, schwächlichen Gesicht, welches ein schwarzer Backenbart noch greller
hervorhob, zu den halb erloschenen Augen und dem funkelnden Diamant auf sei¬
nein rechten Zeigefinger paßte. Das Glück lächelte seiner Bewerbung nicht, Frän¬
zel schlug mehrere Stürme leicht ab und als er gar beide Arme um sie schlingen
wollte, entschlüpfte sie ihm flink wie eine Fischotter und sprang flüchtend mitten
U' unsern Kreis. — Na, Annerl, getanzt hast Du genung, jetzt sing amal, rief sie
der Kleinen zu. Die Kleine sah sich furchtsam um; erst als Fränzel neben ihr
'nederkniete, überwand sie, mit dem Kopftuchschleifen des Stubenmädchens spic-
end, ihre Schüchternheit und jodelte mit dem feinen jungen Lerchenstimmchen einen
wehmüthigen Oberöstreicher. Unser Beifall erhitzte und ermuthigte die kleine San-
^wi, sie trillerte immer lauter und kräftiger bis an zehnmal das reizende
ledchen ab und wurde dafür von sämmtlichen Gästen der Reihe nach gehätschelt.
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