Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.dem Sonnenlicht. Wer das erste der Elemente an der Quelle kennen lernen will, Du Kehuig von Sardinien! schrillte die Harfenistin wieder, als wir in die Halle zurückkehrten. Kläglicher "Wart nur, Du von Sardinien, Der Deutsche wird doch siegen! Das Kehnigreich Italien Muß vor Deutschland erliegen!" Sechs Monate nach Entstehung dieser Vierzeilinge hätte ich Niemanden rathen dem Sonnenlicht. Wer das erste der Elemente an der Quelle kennen lernen will, Du Kehuig von Sardinien! schrillte die Harfenistin wieder, als wir in die Halle zurückkehrten. Kläglicher „Wart nur, Du von Sardinien, Der Deutsche wird doch siegen! Das Kehnigreich Italien Muß vor Deutschland erliegen!" Sechs Monate nach Entstehung dieser Vierzeilinge hätte ich Niemanden rathen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279931"/> <p xml:id="ID_1362" prev="#ID_1361" next="#ID_1363"> dem Sonnenlicht. Wer das erste der Elemente an der Quelle kennen lernen will,<lb/> muß dahinpilgern, wo es nach dem Verlaufen der Sündfluth in den tiefen Be¬<lb/> chern der hohen Urgebirge ruhen blieb. Von den Bächen und Bächlein sprach<lb/> ich ein anderes Mal; jetzt nur von den Seen des SalzkammergutS. Sie sind<lb/> nicht so groß wie die der Schweiz, der größte zählt in der Länge nicht über fünf<lb/> Stunden: aber in wie mannichfachen und reizenden Gestalten drängt sich die Fel¬<lb/> sennatur, schmückend, bergend und verbergend, um die großen kristallenen Quellen. Bei<lb/> geringerer Tiefe ist die Fluth so durchsichtig, daß man die Fußtapfen der See¬<lb/> nixen auf dem silberweißen Sandgrund zählen kann; dann kommen Tiefen von<lb/> achthundert bis zwölfhundert Fuß, da bringt das Gewässer in seinen Spielen mit<lb/> dem Tageslicht hunderterlei ungeahnte Schattirnngen von Blau, Grün, Gold und<lb/> Gelb hervor; Nuancen, für die es keinen Namen, kaum immer Vergleiche gibt,<lb/> und die deS Pinsels eben so spotten würden wie der armen Schreibfeder. Ich<lb/> kann nur den Eindruck schildern, den die wunderbare Erscheinung auf mich machte.<lb/> Der Leser mag lächeln, aber ich schäme mich des Geständnisses nicht: in den ersten<lb/> Tagen, als ich Traum- Mond- und Attersce im leichten Nachen befuhr, hätte ich<lb/> es nicht über mich vermocht, die Asche meiner Cigarre oder den Schmutz meiner<lb/> Tabakspfeife in den See zu schütten. Ich hätte es für eine Profanation gehalten.</p><lb/> <quote> Du Kehuig von Sardinien!</quote><lb/> <p xml:id="ID_1363" prev="#ID_1362"> schrillte die Harfenistin wieder, als wir in die Halle zurückkehrten. Kläglicher<lb/> noch als der Inhalt war die Gasscuhanermelvdie dieses patriotischen Liedes; frei¬<lb/> lich stammte es aus den Tagen von Oestreich's tiefster Bedrängniß, aus dem<lb/> Sommer 1848, und spiegelte getreulich die politische Gemüthlichkeit des gläubigen<lb/> Volkes ab. Es beginnt damit zu erzählen, wie „Mehdernich" (Metternich) „hat<lb/> angestift' die Nehfvluzion," feiert den Sieg der Bürger über den rebellischen<lb/> Staatskanzler und ruft in wiederholten Refrains „Fisat die Garde von der Na-<lb/> zional." Jetzt lösen sich alle Mißtöne in Seligkeit ans, bis der „harte Mann"<lb/> kommt, Karl Albert, der Rücksichtslose, welcher im Stande ist, sogar den guten<lb/> armen Kaiser Ferdinand durch einen höchst ungelegener Krieg zu kränken. Aber<lb/> das Lied verzagt nicht, und da man in jener Zeit durch den Neichsveriveser das<lb/> heilige römische Reich wieder aufgebaut und die deutsche Kaiserkrone auf dem<lb/> Haupte Ferdinand's fest zu sehen glaubte, so schließt es mit folgender teutonisch<lb/> gesinnten Prophezeihung:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_9" type="poem"> <l> „Wart nur, Du von Sardinien,<lb/> Der Deutsche wird doch siegen!<lb/> Das Kehnigreich Italien<lb/> Muß vor Deutschland erliegen!"</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1364" next="#ID_1365"> Sechs Monate nach Entstehung dieser Vierzeilinge hätte ich Niemanden rathen<lb/> mögen, sie auf dem Stephansplatz zu singen, denn Stephansplatz, Graben<lb/> und Kohlmarkt sammt der Kaiserburg wurden eben so aufrichtig und uneigennützig</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0383]
dem Sonnenlicht. Wer das erste der Elemente an der Quelle kennen lernen will,
muß dahinpilgern, wo es nach dem Verlaufen der Sündfluth in den tiefen Be¬
chern der hohen Urgebirge ruhen blieb. Von den Bächen und Bächlein sprach
ich ein anderes Mal; jetzt nur von den Seen des SalzkammergutS. Sie sind
nicht so groß wie die der Schweiz, der größte zählt in der Länge nicht über fünf
Stunden: aber in wie mannichfachen und reizenden Gestalten drängt sich die Fel¬
sennatur, schmückend, bergend und verbergend, um die großen kristallenen Quellen. Bei
geringerer Tiefe ist die Fluth so durchsichtig, daß man die Fußtapfen der See¬
nixen auf dem silberweißen Sandgrund zählen kann; dann kommen Tiefen von
achthundert bis zwölfhundert Fuß, da bringt das Gewässer in seinen Spielen mit
dem Tageslicht hunderterlei ungeahnte Schattirnngen von Blau, Grün, Gold und
Gelb hervor; Nuancen, für die es keinen Namen, kaum immer Vergleiche gibt,
und die deS Pinsels eben so spotten würden wie der armen Schreibfeder. Ich
kann nur den Eindruck schildern, den die wunderbare Erscheinung auf mich machte.
Der Leser mag lächeln, aber ich schäme mich des Geständnisses nicht: in den ersten
Tagen, als ich Traum- Mond- und Attersce im leichten Nachen befuhr, hätte ich
es nicht über mich vermocht, die Asche meiner Cigarre oder den Schmutz meiner
Tabakspfeife in den See zu schütten. Ich hätte es für eine Profanation gehalten.
Du Kehuig von Sardinien!
schrillte die Harfenistin wieder, als wir in die Halle zurückkehrten. Kläglicher
noch als der Inhalt war die Gasscuhanermelvdie dieses patriotischen Liedes; frei¬
lich stammte es aus den Tagen von Oestreich's tiefster Bedrängniß, aus dem
Sommer 1848, und spiegelte getreulich die politische Gemüthlichkeit des gläubigen
Volkes ab. Es beginnt damit zu erzählen, wie „Mehdernich" (Metternich) „hat
angestift' die Nehfvluzion," feiert den Sieg der Bürger über den rebellischen
Staatskanzler und ruft in wiederholten Refrains „Fisat die Garde von der Na-
zional." Jetzt lösen sich alle Mißtöne in Seligkeit ans, bis der „harte Mann"
kommt, Karl Albert, der Rücksichtslose, welcher im Stande ist, sogar den guten
armen Kaiser Ferdinand durch einen höchst ungelegener Krieg zu kränken. Aber
das Lied verzagt nicht, und da man in jener Zeit durch den Neichsveriveser das
heilige römische Reich wieder aufgebaut und die deutsche Kaiserkrone auf dem
Haupte Ferdinand's fest zu sehen glaubte, so schließt es mit folgender teutonisch
gesinnten Prophezeihung:
„Wart nur, Du von Sardinien,
Der Deutsche wird doch siegen!
Das Kehnigreich Italien
Muß vor Deutschland erliegen!"
Sechs Monate nach Entstehung dieser Vierzeilinge hätte ich Niemanden rathen
mögen, sie auf dem Stephansplatz zu singen, denn Stephansplatz, Graben
und Kohlmarkt sammt der Kaiserburg wurden eben so aufrichtig und uneigennützig
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