Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.bösartig werden, daß der Delinquent genöthigt war, nichts Geringeres als ein Glücklicher Weise sind nicht alle Wächter des Gesetzverbvtes so habgierig. In dem Gubernium Podlachie" z. B. wurde in einem der letzten Sommer S. erklärte nach einiger Ueberzeugung, daß, wenn er nur für zwei bis drei Die Jagdwafft gibt am häufigsten zu Denunciationen und Prozessen Veran¬ bösartig werden, daß der Delinquent genöthigt war, nichts Geringeres als ein Glücklicher Weise sind nicht alle Wächter des Gesetzverbvtes so habgierig. In dem Gubernium Podlachie» z. B. wurde in einem der letzten Sommer S. erklärte nach einiger Ueberzeugung, daß, wenn er nur für zwei bis drei Die Jagdwafft gibt am häufigsten zu Denunciationen und Prozessen Veran¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279917"/> <p xml:id="ID_1318" prev="#ID_1317"> bösartig werden, daß der Delinquent genöthigt war, nichts Geringeres als ein<lb/> Dorf zu opfern, um sich zu retten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1319"> Glücklicher Weise sind nicht alle Wächter des Gesetzverbvtes so habgierig.<lb/> Oft zeigen diese Herren in russisch gutmüthiger Weise sogar selbst den Weg zur<lb/> „Ausgleichung/' ></p><lb/> <p xml:id="ID_1320"> In dem Gubernium Podlachie» z. B. wurde in einem der letzten Sommer<lb/> ein Edelmann in seinem Gehölz mit einer Stutzbüchse von Gensdarmen überrascht,<lb/> welche wahrscheinlich auf der Lauer gelegen hatten. Sie forderten den Erlaubniß-<lb/> schein, ein solcher aber war nicht vorhanden. Da nahmen sie Herrn vou S. die<lb/> Büchse weg und banden dem Verbrecher ohne Umstände die Hände auf dem<lb/> Rücken zusammen. Nur durch Versprechungen erlangte er von den beiden Schel¬<lb/> men die Erlaubniß, sich seiner Kutsche zum Transport zu der Guberuialstadt be¬<lb/> dienen zu dürfen. Nachdem der Delinquent in ein Gefängniß gebracht worden,<lb/> fand eine Duchsuchung seines Hauses statt und diese ließ noch eine Doppelflinte<lb/> auffinden. Die Untersuchung schien ihren regelmäßigen Gang zu nehmen und ge¬<lb/> fährlich zu werden. Daher war S. nicht wenig überrascht, als ihn der menschen¬<lb/> freundliche Gubernator nach etwa vier Wochen aus dem Gefängniß vor sich führen<lb/> ließ und ihn ungefähr mit diesen Worten anredete: „Sie haben mich in die Ver¬<lb/> legenheit gesetzt, Sie «ach Sibirien jagen zu müssen. Allein ich will ihnen sagen,<lb/> daß der Prozeß noch in meinen Händen ist. Nun schaffen Sie Rath, wenn Sie<lb/> können. Sie haben den dummen Streich begangen, es ist nnn an Ihnen, klug<lb/> genug in der bösen Sache zu sein."</p><lb/> <p xml:id="ID_1321"> S. erklärte nach einiger Ueberzeugung, daß, wenn er nur für zwei bis drei<lb/> Tage einige Freiheit erhalte, er, so Gott wolle, ein Rettungsmittel finden werde.<lb/> Unter der Bewachung eines Gensdarmeuunteroffiziers wurde er aus dem Gefängniß<lb/> entlassen. Er ließ nun eine Pistole von Blech mit tauben Schloß verfertigen,<lb/> füllte die Pistole mit Ducaten und überreichte sie dein Gubernator mit der schrift¬<lb/> lichen Erklärung: er bringe freiwillig zu den beiden confiscirten Gewehren noch<lb/> ein drittes bei, doch ersuche er, sich zu überzeuge», daß dieses so wie jene nur<lb/> Kinderspielzeug seien. Darauf wurde ein Protocoll aufgenommen und mit diesem<lb/> schlug der Gubernator sogleich den Prozeß nieder. Die beiden confiscirten Ge¬<lb/> wehre wurden Spielzeug und als sichtbarster und unbestreitbarer Beleg blieb die<lb/> Blechpistvle bei den Acten. Die Büchse und Doppelflinte dagegen verschwan¬<lb/> den. Dem Protocoll nach sollen sie an den Besitzer zurückgegeben worden sem,<lb/> allein S. hat sie nie wiedergesehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1322" next="#ID_1323"> Die Jagdwafft gibt am häufigsten zu Denunciationen und Prozessen Veran¬<lb/> lassung, denn es dürften sich im Königreich Polen kaum 50 Gutsbesitzer finden,<lb/> welchen der Besitz von Schießgewehren erlaubt ist, und man kann annehmen, daß<lb/> von dem ganzen großen Jagdreviere des Königreichs noch nicht hundert Quadrat¬<lb/> meilen mit erlaubten Feuergewehren beherrscht werden. Den Russen aber macht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0369]
bösartig werden, daß der Delinquent genöthigt war, nichts Geringeres als ein
Dorf zu opfern, um sich zu retten.
Glücklicher Weise sind nicht alle Wächter des Gesetzverbvtes so habgierig.
Oft zeigen diese Herren in russisch gutmüthiger Weise sogar selbst den Weg zur
„Ausgleichung/' >
In dem Gubernium Podlachie» z. B. wurde in einem der letzten Sommer
ein Edelmann in seinem Gehölz mit einer Stutzbüchse von Gensdarmen überrascht,
welche wahrscheinlich auf der Lauer gelegen hatten. Sie forderten den Erlaubniß-
schein, ein solcher aber war nicht vorhanden. Da nahmen sie Herrn vou S. die
Büchse weg und banden dem Verbrecher ohne Umstände die Hände auf dem
Rücken zusammen. Nur durch Versprechungen erlangte er von den beiden Schel¬
men die Erlaubniß, sich seiner Kutsche zum Transport zu der Guberuialstadt be¬
dienen zu dürfen. Nachdem der Delinquent in ein Gefängniß gebracht worden,
fand eine Duchsuchung seines Hauses statt und diese ließ noch eine Doppelflinte
auffinden. Die Untersuchung schien ihren regelmäßigen Gang zu nehmen und ge¬
fährlich zu werden. Daher war S. nicht wenig überrascht, als ihn der menschen¬
freundliche Gubernator nach etwa vier Wochen aus dem Gefängniß vor sich führen
ließ und ihn ungefähr mit diesen Worten anredete: „Sie haben mich in die Ver¬
legenheit gesetzt, Sie «ach Sibirien jagen zu müssen. Allein ich will ihnen sagen,
daß der Prozeß noch in meinen Händen ist. Nun schaffen Sie Rath, wenn Sie
können. Sie haben den dummen Streich begangen, es ist nnn an Ihnen, klug
genug in der bösen Sache zu sein."
S. erklärte nach einiger Ueberzeugung, daß, wenn er nur für zwei bis drei
Tage einige Freiheit erhalte, er, so Gott wolle, ein Rettungsmittel finden werde.
Unter der Bewachung eines Gensdarmeuunteroffiziers wurde er aus dem Gefängniß
entlassen. Er ließ nun eine Pistole von Blech mit tauben Schloß verfertigen,
füllte die Pistole mit Ducaten und überreichte sie dein Gubernator mit der schrift¬
lichen Erklärung: er bringe freiwillig zu den beiden confiscirten Gewehren noch
ein drittes bei, doch ersuche er, sich zu überzeuge», daß dieses so wie jene nur
Kinderspielzeug seien. Darauf wurde ein Protocoll aufgenommen und mit diesem
schlug der Gubernator sogleich den Prozeß nieder. Die beiden confiscirten Ge¬
wehre wurden Spielzeug und als sichtbarster und unbestreitbarer Beleg blieb die
Blechpistvle bei den Acten. Die Büchse und Doppelflinte dagegen verschwan¬
den. Dem Protocoll nach sollen sie an den Besitzer zurückgegeben worden sem,
allein S. hat sie nie wiedergesehn.
Die Jagdwafft gibt am häufigsten zu Denunciationen und Prozessen Veran¬
lassung, denn es dürften sich im Königreich Polen kaum 50 Gutsbesitzer finden,
welchen der Besitz von Schießgewehren erlaubt ist, und man kann annehmen, daß
von dem ganzen großen Jagdreviere des Königreichs noch nicht hundert Quadrat¬
meilen mit erlaubten Feuergewehren beherrscht werden. Den Russen aber macht
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