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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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heut, ebenfalls schriftlich zu beantworten, denn er brauchte 80
Millionen!

Er brauchte wohl der Millionen noch mehrere, aber vor der Hand wa¬
ren 80 Millionen ein ganz artig Sümmchen. Tiefe schriftliche Zusage liegt in
dem Neichstagsarchiv, welches jetzt unter. Negierungsverschluß sich befindet, jeden¬
falls ein interessantes Aktenstück als Beilage zu dem Auflösnngsakte.

Stets heiter und cordial, höflich, zuvorkommend gegen Jedermann, nach links,
wie uach rechts Händedrücke spendend, war Herr v. Kraus der Liebling aller
Parteien, allen war er genehm, obwohl sich berechnen ließe, daß jedes Wort,
das Kraus im Reichstage gesprochen, den Steuerpflichtigen an 100,000 Fi. C.-M.
kosten mochte.

Noch in den ersten Tagen des März war Herr v. Kraus gegen Mitglieder
des Constitntionsausschusses des Lobes voll über den gelungenen Constitntions-
eutwurf, und doch trägt die octroyirte Verfassung das Datum die¬
ser Tage.

Wie gesagt, Hsrr v. Kraus behandelte die Politik ganz und gar als Neben¬
sache, er war nur der Geldmann, hat auch seither Wunderbares geleistet und eine
Mannigfaltigkeit in seine Produkte zu bringen gewußt, welche wohl kein Staat
aufzuweisen hat; da gibt es italienische und ungarische Zwangsnoten, durch die
Gleichberechtigung aller Sprachen, die darauf gedruckt sind, besonders beliebt; da
gibt es deutscherbländische Zwangsnoten, dreiprocentige Kassascheine mit Zinsen-
disconto, andere wieder mit Zinsennachnahme; grüne, weiße, rothe und schwarze
Banknoten, theilbare und untheilbare laufen von Hand zu Hand.

Wir sind neugierig, wie sich die Theile und Theilchen wieder zusammenfinden,
wenn es, so Gott will, dennoch zu dem jüngsten Gerichte ihrer Einlösung kommen
sollte; der diversen Scheidemünzpapiere wollen wir gar nicht gedenken, welche die
Finanzverwaltung und die Communen emittirten, und darin von Privaten, von
Gastwirthcn, Kaffeesiedern ze. ze. weit überholt worden sind.

Aber zwei Kriege sind geführt worden, sogar siegreich, und doch nur mit
Papiernen Finanzmitteln, die Zukunft freilich ist dafür ins Leihamt gegangen, ab-r
wunderbarer Weise sind die Course im Inlande nicht im Verhältnisse der gro߬
artigen Kalamität gefallen.

Man muß das Selbstvertrauen des Oestreichers in der That bewundern, und
den Instinkt, der ihm innewohnt, denn wären wir über die Freiheitsanssichten
eben so beruhigt, wie wir es bezüglich der finanziellen Zukunft sind, wir wür¬
den Hosianna rufen; Oestreich ist wirklich einer unerschlossenen Goldgrube zu ver¬
gleiche", deren Reichthum sich erst entfalte" wird, darum ist es tief zu beklagen,
daß man, wie in dem finstern Jahr 1620 in Böhmen, zwei Jahrhunderte später
in Ungarn von der schmähliche" Gütercvnfiscatiou noch Gebrauch macht. Oestreich
braucht uicht zu rauben, um sich finanziell zu ordnen, und füglich hätte mau der


heut, ebenfalls schriftlich zu beantworten, denn er brauchte 80
Millionen!

Er brauchte wohl der Millionen noch mehrere, aber vor der Hand wa¬
ren 80 Millionen ein ganz artig Sümmchen. Tiefe schriftliche Zusage liegt in
dem Neichstagsarchiv, welches jetzt unter. Negierungsverschluß sich befindet, jeden¬
falls ein interessantes Aktenstück als Beilage zu dem Auflösnngsakte.

Stets heiter und cordial, höflich, zuvorkommend gegen Jedermann, nach links,
wie uach rechts Händedrücke spendend, war Herr v. Kraus der Liebling aller
Parteien, allen war er genehm, obwohl sich berechnen ließe, daß jedes Wort,
das Kraus im Reichstage gesprochen, den Steuerpflichtigen an 100,000 Fi. C.-M.
kosten mochte.

Noch in den ersten Tagen des März war Herr v. Kraus gegen Mitglieder
des Constitntionsausschusses des Lobes voll über den gelungenen Constitntions-
eutwurf, und doch trägt die octroyirte Verfassung das Datum die¬
ser Tage.

Wie gesagt, Hsrr v. Kraus behandelte die Politik ganz und gar als Neben¬
sache, er war nur der Geldmann, hat auch seither Wunderbares geleistet und eine
Mannigfaltigkeit in seine Produkte zu bringen gewußt, welche wohl kein Staat
aufzuweisen hat; da gibt es italienische und ungarische Zwangsnoten, durch die
Gleichberechtigung aller Sprachen, die darauf gedruckt sind, besonders beliebt; da
gibt es deutscherbländische Zwangsnoten, dreiprocentige Kassascheine mit Zinsen-
disconto, andere wieder mit Zinsennachnahme; grüne, weiße, rothe und schwarze
Banknoten, theilbare und untheilbare laufen von Hand zu Hand.

Wir sind neugierig, wie sich die Theile und Theilchen wieder zusammenfinden,
wenn es, so Gott will, dennoch zu dem jüngsten Gerichte ihrer Einlösung kommen
sollte; der diversen Scheidemünzpapiere wollen wir gar nicht gedenken, welche die
Finanzverwaltung und die Communen emittirten, und darin von Privaten, von
Gastwirthcn, Kaffeesiedern ze. ze. weit überholt worden sind.

Aber zwei Kriege sind geführt worden, sogar siegreich, und doch nur mit
Papiernen Finanzmitteln, die Zukunft freilich ist dafür ins Leihamt gegangen, ab-r
wunderbarer Weise sind die Course im Inlande nicht im Verhältnisse der gro߬
artigen Kalamität gefallen.

Man muß das Selbstvertrauen des Oestreichers in der That bewundern, und
den Instinkt, der ihm innewohnt, denn wären wir über die Freiheitsanssichten
eben so beruhigt, wie wir es bezüglich der finanziellen Zukunft sind, wir wür¬
den Hosianna rufen; Oestreich ist wirklich einer unerschlossenen Goldgrube zu ver¬
gleiche», deren Reichthum sich erst entfalte» wird, darum ist es tief zu beklagen,
daß man, wie in dem finstern Jahr 1620 in Böhmen, zwei Jahrhunderte später
in Ungarn von der schmähliche» Gütercvnfiscatiou noch Gebrauch macht. Oestreich
braucht uicht zu rauben, um sich finanziell zu ordnen, und füglich hätte mau der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/352>, abgerufen am 15.01.2025.