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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Das Kartenhaus des ersten östreichischen verantwortlichen Ministeriums zu
Wien war gefallen, Kolowrat, Taafe, Kübel traten ab und Kraus wurde schleu¬
nig in die Finanzen berufen.

Leider war das Silberansfuhrverbot, diese einfältige in gedankenloser Verwirrt-
heit unternommene Maßregel bereits ausgeführt worden, ehe Kraus die Leitung
übernommen, und es gelang ihm nicht, die Aushebung dieser Maßregel im Mini¬
sterrathe durchzusetzen, eine Maßregel, welche der Vorsicht eines überschwemmten
Hausvaters glich, der seine Thür verrammelt, damit ihm das Wasser nicht ein¬
dringe in sein Stübchen; -- und während er arbeitet, steht er bis an die Knöchel
im Wasser, das dnrch den Fußboden eindrang.

Die demoralisirten Herren der Nationalbank, welche dieses Institut seit Jah¬
ren als ihre Dvuiaine behandelten, und den Namen Nationalbank wirklich zur
Blasphemie herabwürdigten, waren gleich im Beginne der Krisis bedacht, ihr
Schäfchen in's Trockene zu bringen, das Baarsilber strömte aus den Kellern der
Bank in die Keller der Directoren, und nur Papier blieb in der Bank zurück;
die Herren Directoren gaben das schöne Beispiel, und die Bevölkerung von dem
pimiv rasch ergriffen, folgte nach; der Zwangskars wurde eingeführt und somit
war die Bank eigentlich ein Institut des Staates geworden. Kraus
war damals nicht mächtig genug, um die Bank diktatorisch zu behandeln, wie sie
es verdient hätte, auch war in diesem Falle die Entwerthung des Papiers in's
Bodenlose gerathen, die Bank war damals die einzige Stütze der Finanznoth,
und Kraus nahm zu ihr die einzig übrige Zuflucht; alles erlitt Verluste, aUcs
litt, nur die Herren Bankactivnäre bezogen reichliche Dividenden, und die Herren
Directoren wucherten nebstbei mit dem Silber, das sie in ihre Keller zu über¬
tragen verstanden.

Der Reichstag wurde eröffnet, und Kraus, der stillrnhige Manu entwickele
ein ganz eigenthümliches, für den parlamentarisch jungen aus gar unerfahrenen
Elementen zusammengesetzten Reichstag merkwürdig passendes Redetalent. Scklici!!,
ohne Pathos, voll Deferenz gegen den damals souveränen, von der Aula vergöt¬
terten Reichstag, vergaß Herr v. Kraus niemals sich des Ausdruckes: hohe
Kammer, hoher Reichstag, zu bedienen. Er entwickelte seine Finanzprvjette,
stellte Steuervermindernngen, Auflassung gewisser Gefälle in Aussicht,
während er die Kammer um dringend nothwendige Creditbewilliguugeu anging
und das Manöver gelang vollkommen. Dem in gewisser Beziehung in seiner
Majorität noch sehr unschuldigen Reichstage that das ungewohnte Gefühl ganz
besonders wohl, sich Rechenschaft gelegt zu sehen von der Gebahrung mit den
Staatseinkünften, die früher ein so undurchdringliches Geheimniß gewesen, in die¬
ser angenehmen Stimmung glaubte der Reichstag dem schlicht bürgerlich, und
gleichsam cordial scheinenden Finanzminister alles anf's Wort, und bewilligte blind¬
lings, was er verlangte.


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Das Kartenhaus des ersten östreichischen verantwortlichen Ministeriums zu
Wien war gefallen, Kolowrat, Taafe, Kübel traten ab und Kraus wurde schleu¬
nig in die Finanzen berufen.

Leider war das Silberansfuhrverbot, diese einfältige in gedankenloser Verwirrt-
heit unternommene Maßregel bereits ausgeführt worden, ehe Kraus die Leitung
übernommen, und es gelang ihm nicht, die Aushebung dieser Maßregel im Mini¬
sterrathe durchzusetzen, eine Maßregel, welche der Vorsicht eines überschwemmten
Hausvaters glich, der seine Thür verrammelt, damit ihm das Wasser nicht ein¬
dringe in sein Stübchen; — und während er arbeitet, steht er bis an die Knöchel
im Wasser, das dnrch den Fußboden eindrang.

Die demoralisirten Herren der Nationalbank, welche dieses Institut seit Jah¬
ren als ihre Dvuiaine behandelten, und den Namen Nationalbank wirklich zur
Blasphemie herabwürdigten, waren gleich im Beginne der Krisis bedacht, ihr
Schäfchen in's Trockene zu bringen, das Baarsilber strömte aus den Kellern der
Bank in die Keller der Directoren, und nur Papier blieb in der Bank zurück;
die Herren Directoren gaben das schöne Beispiel, und die Bevölkerung von dem
pimiv rasch ergriffen, folgte nach; der Zwangskars wurde eingeführt und somit
war die Bank eigentlich ein Institut des Staates geworden. Kraus
war damals nicht mächtig genug, um die Bank diktatorisch zu behandeln, wie sie
es verdient hätte, auch war in diesem Falle die Entwerthung des Papiers in's
Bodenlose gerathen, die Bank war damals die einzige Stütze der Finanznoth,
und Kraus nahm zu ihr die einzig übrige Zuflucht; alles erlitt Verluste, aUcs
litt, nur die Herren Bankactivnäre bezogen reichliche Dividenden, und die Herren
Directoren wucherten nebstbei mit dem Silber, das sie in ihre Keller zu über¬
tragen verstanden.

Der Reichstag wurde eröffnet, und Kraus, der stillrnhige Manu entwickele
ein ganz eigenthümliches, für den parlamentarisch jungen aus gar unerfahrenen
Elementen zusammengesetzten Reichstag merkwürdig passendes Redetalent. Scklici!!,
ohne Pathos, voll Deferenz gegen den damals souveränen, von der Aula vergöt¬
terten Reichstag, vergaß Herr v. Kraus niemals sich des Ausdruckes: hohe
Kammer, hoher Reichstag, zu bedienen. Er entwickelte seine Finanzprvjette,
stellte Steuervermindernngen, Auflassung gewisser Gefälle in Aussicht,
während er die Kammer um dringend nothwendige Creditbewilliguugeu anging
und das Manöver gelang vollkommen. Dem in gewisser Beziehung in seiner
Majorität noch sehr unschuldigen Reichstage that das ungewohnte Gefühl ganz
besonders wohl, sich Rechenschaft gelegt zu sehen von der Gebahrung mit den
Staatseinkünften, die früher ein so undurchdringliches Geheimniß gewesen, in die¬
ser angenehmen Stimmung glaubte der Reichstag dem schlicht bürgerlich, und
gleichsam cordial scheinenden Finanzminister alles anf's Wort, und bewilligte blind¬
lings, was er verlangte.


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[0350] Das Kartenhaus des ersten östreichischen verantwortlichen Ministeriums zu Wien war gefallen, Kolowrat, Taafe, Kübel traten ab und Kraus wurde schleu¬ nig in die Finanzen berufen. Leider war das Silberansfuhrverbot, diese einfältige in gedankenloser Verwirrt- heit unternommene Maßregel bereits ausgeführt worden, ehe Kraus die Leitung übernommen, und es gelang ihm nicht, die Aushebung dieser Maßregel im Mini¬ sterrathe durchzusetzen, eine Maßregel, welche der Vorsicht eines überschwemmten Hausvaters glich, der seine Thür verrammelt, damit ihm das Wasser nicht ein¬ dringe in sein Stübchen; — und während er arbeitet, steht er bis an die Knöchel im Wasser, das dnrch den Fußboden eindrang. Die demoralisirten Herren der Nationalbank, welche dieses Institut seit Jah¬ ren als ihre Dvuiaine behandelten, und den Namen Nationalbank wirklich zur Blasphemie herabwürdigten, waren gleich im Beginne der Krisis bedacht, ihr Schäfchen in's Trockene zu bringen, das Baarsilber strömte aus den Kellern der Bank in die Keller der Directoren, und nur Papier blieb in der Bank zurück; die Herren Directoren gaben das schöne Beispiel, und die Bevölkerung von dem pimiv rasch ergriffen, folgte nach; der Zwangskars wurde eingeführt und somit war die Bank eigentlich ein Institut des Staates geworden. Kraus war damals nicht mächtig genug, um die Bank diktatorisch zu behandeln, wie sie es verdient hätte, auch war in diesem Falle die Entwerthung des Papiers in's Bodenlose gerathen, die Bank war damals die einzige Stütze der Finanznoth, und Kraus nahm zu ihr die einzig übrige Zuflucht; alles erlitt Verluste, aUcs litt, nur die Herren Bankactivnäre bezogen reichliche Dividenden, und die Herren Directoren wucherten nebstbei mit dem Silber, das sie in ihre Keller zu über¬ tragen verstanden. Der Reichstag wurde eröffnet, und Kraus, der stillrnhige Manu entwickele ein ganz eigenthümliches, für den parlamentarisch jungen aus gar unerfahrenen Elementen zusammengesetzten Reichstag merkwürdig passendes Redetalent. Scklici!!, ohne Pathos, voll Deferenz gegen den damals souveränen, von der Aula vergöt¬ terten Reichstag, vergaß Herr v. Kraus niemals sich des Ausdruckes: hohe Kammer, hoher Reichstag, zu bedienen. Er entwickelte seine Finanzprvjette, stellte Steuervermindernngen, Auflassung gewisser Gefälle in Aussicht, während er die Kammer um dringend nothwendige Creditbewilliguugeu anging und das Manöver gelang vollkommen. Dem in gewisser Beziehung in seiner Majorität noch sehr unschuldigen Reichstage that das ungewohnte Gefühl ganz besonders wohl, sich Rechenschaft gelegt zu sehen von der Gebahrung mit den Staatseinkünften, die früher ein so undurchdringliches Geheimniß gewesen, in die¬ ser angenehmen Stimmung glaubte der Reichstag dem schlicht bürgerlich, und gleichsam cordial scheinenden Finanzminister alles anf's Wort, und bewilligte blind¬ lings, was er verlangte. 44*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/350>, abgerufen am 15.01.2025.