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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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In Zeit von einer halben Stunde hatte das flüchtende Publikum den Schloß-
Platz, den Park und alle übrigen Orte geräumt. Im Schloßgebäude saßen
die hohen Offiziere und Beamten zusammen, sonst herrschte in ganz Lazienki wie¬
der die tiefste Stille. Nur die Fußtritte der Polizisten und Wachtposten und das
Geräusch der Patrouillen war zu hören. Vierzehn Patrouillen wurden in den
Park geschickt, eine fünfzehnte hatte einen fortwährenden Kreislauf um die eine
Seehälfte, das Schloß und Amphitheater zu macheu, eine sechzehnte ebenso über
die Sobieskibrücke "in die andere Seehälfte; alle Eingänge zum Park blieben
mit Wachtposten besetzt. Daraus ging der Kaiser nach elf libr ein wenig mit
einem anwesenden preußischen General vor dem Schloße auf und ab.

Bei Tage schien der Monarch sich sicherer zu fühlen, als er mit dem Fürsten
Pastiewitsch in offener Kalesche dnrch einige Straßen der Stadt fühl^und sich da¬
bei nur von den fünf Tscherkessen begleiten ließ, welche gewöhnlich die Bedeckung
des Fürsten Pastiewitsch bilden. Allein es waren die umständlichsten Vorsichtsma߬
regeln getroffen. An den Straßenecken standen einzelne Soldaten als Wachen, in
den Hausdurchgäugeu und Hausfluren kleine Trupps von Soldaten, die vier ho¬
hen Wachtthürme der Stadt, welche eigentlich der Feuersbrünste halber erbaut
find, hatten Doppelposten erhalten, alles Fuhrwerk wurde schon mehrere Stunden
vor der Durchfahrt des Kaisers ans den bestimmten Straßen gewiesen, und mehr
als zwei Personen durften nicht mit einander gehe". Als der Kaiser in der engen
Heiligenkreuzstraße der Grase" Nzewuska einen Besuch mache" und doch nicht
Mit einer auffallenden Bedeckung fahren wollte, hielt man sogar eine Gesellschaft
von 2 Personen für gefährlich. Hin- und Rückfahrt des Monarchen fanden au¬
ßerdem so statt, daß sie eiuer Flucht glichen. Nie sah ich Jemanden schneller
fahren. Natürlich erzählte die russische Zeitung darauf, daß Se. Majestät ohne
Bedeckung fahre nud sich in der Mitte der Warschauer so sicher fühle als in der
Mitte seiner treuesten Diener.

Das ist ein Festgesicht der russischen Tyrannei. Auch Diejenigen, welche in
Deutschland über fürstlichen Druck klagen und so gerne von Sklaverei und Schmach
Predigen, werden es neu nud seltsam finden.




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In Zeit von einer halben Stunde hatte das flüchtende Publikum den Schloß-
Platz, den Park und alle übrigen Orte geräumt. Im Schloßgebäude saßen
die hohen Offiziere und Beamten zusammen, sonst herrschte in ganz Lazienki wie¬
der die tiefste Stille. Nur die Fußtritte der Polizisten und Wachtposten und das
Geräusch der Patrouillen war zu hören. Vierzehn Patrouillen wurden in den
Park geschickt, eine fünfzehnte hatte einen fortwährenden Kreislauf um die eine
Seehälfte, das Schloß und Amphitheater zu macheu, eine sechzehnte ebenso über
die Sobieskibrücke »in die andere Seehälfte; alle Eingänge zum Park blieben
mit Wachtposten besetzt. Daraus ging der Kaiser nach elf libr ein wenig mit
einem anwesenden preußischen General vor dem Schloße auf und ab.

Bei Tage schien der Monarch sich sicherer zu fühlen, als er mit dem Fürsten
Pastiewitsch in offener Kalesche dnrch einige Straßen der Stadt fühl^und sich da¬
bei nur von den fünf Tscherkessen begleiten ließ, welche gewöhnlich die Bedeckung
des Fürsten Pastiewitsch bilden. Allein es waren die umständlichsten Vorsichtsma߬
regeln getroffen. An den Straßenecken standen einzelne Soldaten als Wachen, in
den Hausdurchgäugeu und Hausfluren kleine Trupps von Soldaten, die vier ho¬
hen Wachtthürme der Stadt, welche eigentlich der Feuersbrünste halber erbaut
find, hatten Doppelposten erhalten, alles Fuhrwerk wurde schon mehrere Stunden
vor der Durchfahrt des Kaisers ans den bestimmten Straßen gewiesen, und mehr
als zwei Personen durften nicht mit einander gehe». Als der Kaiser in der engen
Heiligenkreuzstraße der Grase» Nzewuska einen Besuch mache» und doch nicht
Mit einer auffallenden Bedeckung fahren wollte, hielt man sogar eine Gesellschaft
von 2 Personen für gefährlich. Hin- und Rückfahrt des Monarchen fanden au¬
ßerdem so statt, daß sie eiuer Flucht glichen. Nie sah ich Jemanden schneller
fahren. Natürlich erzählte die russische Zeitung darauf, daß Se. Majestät ohne
Bedeckung fahre nud sich in der Mitte der Warschauer so sicher fühle als in der
Mitte seiner treuesten Diener.

Das ist ein Festgesicht der russischen Tyrannei. Auch Diejenigen, welche in
Deutschland über fürstlichen Druck klagen und so gerne von Sklaverei und Schmach
Predigen, werden es neu nud seltsam finden.




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[0334] In Zeit von einer halben Stunde hatte das flüchtende Publikum den Schloß- Platz, den Park und alle übrigen Orte geräumt. Im Schloßgebäude saßen die hohen Offiziere und Beamten zusammen, sonst herrschte in ganz Lazienki wie¬ der die tiefste Stille. Nur die Fußtritte der Polizisten und Wachtposten und das Geräusch der Patrouillen war zu hören. Vierzehn Patrouillen wurden in den Park geschickt, eine fünfzehnte hatte einen fortwährenden Kreislauf um die eine Seehälfte, das Schloß und Amphitheater zu macheu, eine sechzehnte ebenso über die Sobieskibrücke »in die andere Seehälfte; alle Eingänge zum Park blieben mit Wachtposten besetzt. Daraus ging der Kaiser nach elf libr ein wenig mit einem anwesenden preußischen General vor dem Schloße auf und ab. Bei Tage schien der Monarch sich sicherer zu fühlen, als er mit dem Fürsten Pastiewitsch in offener Kalesche dnrch einige Straßen der Stadt fühl^und sich da¬ bei nur von den fünf Tscherkessen begleiten ließ, welche gewöhnlich die Bedeckung des Fürsten Pastiewitsch bilden. Allein es waren die umständlichsten Vorsichtsma߬ regeln getroffen. An den Straßenecken standen einzelne Soldaten als Wachen, in den Hausdurchgäugeu und Hausfluren kleine Trupps von Soldaten, die vier ho¬ hen Wachtthürme der Stadt, welche eigentlich der Feuersbrünste halber erbaut find, hatten Doppelposten erhalten, alles Fuhrwerk wurde schon mehrere Stunden vor der Durchfahrt des Kaisers ans den bestimmten Straßen gewiesen, und mehr als zwei Personen durften nicht mit einander gehe». Als der Kaiser in der engen Heiligenkreuzstraße der Grase» Nzewuska einen Besuch mache» und doch nicht Mit einer auffallenden Bedeckung fahren wollte, hielt man sogar eine Gesellschaft von 2 Personen für gefährlich. Hin- und Rückfahrt des Monarchen fanden au¬ ßerdem so statt, daß sie eiuer Flucht glichen. Nie sah ich Jemanden schneller fahren. Natürlich erzählte die russische Zeitung darauf, daß Se. Majestät ohne Bedeckung fahre nud sich in der Mitte der Warschauer so sicher fühle als in der Mitte seiner treuesten Diener. Das ist ein Festgesicht der russischen Tyrannei. Auch Diejenigen, welche in Deutschland über fürstlichen Druck klagen und so gerne von Sklaverei und Schmach Predigen, werden es neu nud seltsam finden. 42*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/334>, abgerufen am 15.01.2025.