Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.verloren, hat man ihr die Huldigungssestc zum Zweck gegeben und für die Sum¬ Die russische Regierung zwingt nicht nur durch Gesetz und schwere Strafen Daß diese Festfeiern keine Liebesbeweise des Volkes sind, bezeugte der Kaiser Mit dem Schluß des Feuerwerks trat der letzte Act des Festes ein und er verloren, hat man ihr die Huldigungssestc zum Zweck gegeben und für die Sum¬ Die russische Regierung zwingt nicht nur durch Gesetz und schwere Strafen Daß diese Festfeiern keine Liebesbeweise des Volkes sind, bezeugte der Kaiser Mit dem Schluß des Feuerwerks trat der letzte Act des Festes ein und er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279881"/> <p xml:id="ID_1175" prev="#ID_1174"> verloren, hat man ihr die Huldigungssestc zum Zweck gegeben und für die Sum¬<lb/> men, welche sie eindringt, können die kaiserlichen Feste allerdings großartig ge¬<lb/> feiert werden, zur Noth noch großartiger, als der Fall. Die verschiedenen Aemter<lb/> nehmen die Gelder für die Illumination ihrer Gebäude übrigens nicht von<lb/> der Ouartiersteuer, sondern ans ihren Cassen. Die ganze Last der Kosten<lb/> drückt daher auf das Volk, und wie schwer sie ihm zu tragen ist, davon erhält<lb/> man eiuen Begriff, wenn mau die übrigen seit der Revolution auferlegten Steuern<lb/> in Betracht zieht. Um wie viel sie mehr betragen als die Abgaben vor der Re¬<lb/> volution, ergibt sich daraus, daß das Königreich damals alle seine Einnahmen<lb/> nur für sich verwendete und als Entschädigung für die kostspieligen Milirärspielc-<lb/> rcieu des Großfürsten Konstantin noch 4 Millionen Gulden von Nußland bezog,<lb/> dagegen es jetzt bei der Erhaltung seiner »och einmal so großen Militärmacht und<lb/> bei Bestreitung aller seiner Ausgaben noch 4 Millionen Gulden jährlich an Nußland<lb/> abliefern muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1176"> Die russische Regierung zwingt nicht nur durch Gesetz und schwere Strafen<lb/> die Städte, dein Kaiser irgend ein Mal dnrch Illumination und Feuerwerk eine<lb/> Freude zu machen, sondern diese Erleuchtungen finden alle Jahre regelmäßig und<lb/> abgeschmackt häufig statt und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er anwesend ist oder<lb/> nicht. Daher illuminirt an den russischen Gallatagen nicht blos eine Stadt des<lb/> Reichs, die Residenz oder diejenige, in welcher sich gerade der Kaiser befindet,<lb/> sondern eine jede, in welcher eine kaiserliche Behörde sitzt, also gewissermaßen das<lb/> ganze Reich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1177"> Daß diese Festfeiern keine Liebesbeweise des Volkes sind, bezeugte der Kaiser<lb/> selbst durch sein Verhalten. Er ließ sich nirgend blicken. Während des Feuer¬<lb/> werks waren Aller Blicke auf die offenen Glasthüren des großen Saales im ersten<lb/> Stockwerk des Schlosses gerichtet. Mau wußte, in diesem Locale befand sich der<lb/> Kaiser. Allein nicht einmal fein Schatten wurde sichtbar, an der Festtafel im<lb/> Parterresaale saß eine Masse von Generälen und anderer Großen, auch der<lb/> Fürst Paskiewitsch, allein der Kaiser nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1178"> Mit dem Schluß des Feuerwerks trat der letzte Act des Festes ein und er<lb/> harmonirte vortrefflich mit den übrigen Acten. Alle Polizcicoutrvleurs und<lb/> lizeidieuer, welche sich im Publikum befanden und jetzt vor dem Schloßgebäude<lb/> und an den Brücken Stellung genommen hatten, brachen plötzlich in das GeschO<lb/> aus: „uun uach Hanse, allons nach Hause." Das Publikum eilte Lazienki zu<lb/> verlassen. Das Gedräng in den schmalen Gängen und auf den Brücken war ent¬<lb/> setzlich, und stopfte die Fluth der Menschen; desto mehr aber drängten die Polizeiper-<lb/> sonen, welche zuletzt Soldaten von der Infanterie zur Hilfe gezogen hatten. 2^'<lb/> Betragen war skandalös. In Deutschland würde man diese Leute mit Ohr¬<lb/> feigen bessere Sitte gelehrt haben, hier erhielten viele Personen Kolbenstöße und<lb/> Ohrfeigen von Seiten der Polizei.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0333]
verloren, hat man ihr die Huldigungssestc zum Zweck gegeben und für die Sum¬
men, welche sie eindringt, können die kaiserlichen Feste allerdings großartig ge¬
feiert werden, zur Noth noch großartiger, als der Fall. Die verschiedenen Aemter
nehmen die Gelder für die Illumination ihrer Gebäude übrigens nicht von
der Ouartiersteuer, sondern ans ihren Cassen. Die ganze Last der Kosten
drückt daher auf das Volk, und wie schwer sie ihm zu tragen ist, davon erhält
man eiuen Begriff, wenn mau die übrigen seit der Revolution auferlegten Steuern
in Betracht zieht. Um wie viel sie mehr betragen als die Abgaben vor der Re¬
volution, ergibt sich daraus, daß das Königreich damals alle seine Einnahmen
nur für sich verwendete und als Entschädigung für die kostspieligen Milirärspielc-
rcieu des Großfürsten Konstantin noch 4 Millionen Gulden von Nußland bezog,
dagegen es jetzt bei der Erhaltung seiner »och einmal so großen Militärmacht und
bei Bestreitung aller seiner Ausgaben noch 4 Millionen Gulden jährlich an Nußland
abliefern muß.
Die russische Regierung zwingt nicht nur durch Gesetz und schwere Strafen
die Städte, dein Kaiser irgend ein Mal dnrch Illumination und Feuerwerk eine
Freude zu machen, sondern diese Erleuchtungen finden alle Jahre regelmäßig und
abgeschmackt häufig statt und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er anwesend ist oder
nicht. Daher illuminirt an den russischen Gallatagen nicht blos eine Stadt des
Reichs, die Residenz oder diejenige, in welcher sich gerade der Kaiser befindet,
sondern eine jede, in welcher eine kaiserliche Behörde sitzt, also gewissermaßen das
ganze Reich.
Daß diese Festfeiern keine Liebesbeweise des Volkes sind, bezeugte der Kaiser
selbst durch sein Verhalten. Er ließ sich nirgend blicken. Während des Feuer¬
werks waren Aller Blicke auf die offenen Glasthüren des großen Saales im ersten
Stockwerk des Schlosses gerichtet. Mau wußte, in diesem Locale befand sich der
Kaiser. Allein nicht einmal fein Schatten wurde sichtbar, an der Festtafel im
Parterresaale saß eine Masse von Generälen und anderer Großen, auch der
Fürst Paskiewitsch, allein der Kaiser nicht.
Mit dem Schluß des Feuerwerks trat der letzte Act des Festes ein und er
harmonirte vortrefflich mit den übrigen Acten. Alle Polizcicoutrvleurs und
lizeidieuer, welche sich im Publikum befanden und jetzt vor dem Schloßgebäude
und an den Brücken Stellung genommen hatten, brachen plötzlich in das GeschO
aus: „uun uach Hanse, allons nach Hause." Das Publikum eilte Lazienki zu
verlassen. Das Gedräng in den schmalen Gängen und auf den Brücken war ent¬
setzlich, und stopfte die Fluth der Menschen; desto mehr aber drängten die Polizeiper-
sonen, welche zuletzt Soldaten von der Infanterie zur Hilfe gezogen hatten. 2^'
Betragen war skandalös. In Deutschland würde man diese Leute mit Ohr¬
feigen bessere Sitte gelehrt haben, hier erhielten viele Personen Kolbenstöße und
Ohrfeigen von Seiten der Polizei.
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