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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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das Unzweifelhafteste aus."" In Wahrheit aber spricht sich stets darin nur die
Schamlosigkeit eines Despotismus ans, von dem wir in Deutschland keinen Be¬
griff haben.

Der Tag verging unter Tumult. Das Militär erfüllte die Straßen und
die Jlluminationsvorbereitungen an den öffentlichen Gebäuden verursachten ein Ge¬
hämmer und Getöse, als ob alle Handwerker der Stadt ihre Werkstätten auf die
Straße gerückt hätten. Mit der Dämmerung aber begannen die Fenster, Zimmer
und Hofgitter sich zu erleuchten. Eine so vollständige Illumination möchte nie¬
mals in Deutschland vorgekommen sein. Es war ohne Ausucchme jedes der
Straße zugewendete Fenster erhellt, denn die Polizeipersonen führten die strengste
Controle. Sie gingen von Haus zu Haus und wo sie etwa noch ein dunkeles
Fenster gewahrten, waren sie beeilt mit harten Worten den Wuth oder Miethbe¬
wohner auf seine Pflicht aufmerksam zu machen.

Die niedrigsten Klassen der Einwohnerschaft ermangelten nicht die Straßen zu
beleben, von einem öffentlichen Staatsgebäude zum anderen zu ziehen und zum
hundertsten Male mit gleichem Blödsinn die riesenhaften Huldignngsanstaltcn an¬
zustaunen und zu bejauchzen. Die ganze Rotunde des Staatsbankgebändes war
durch eine Halle von vier 56 Fuß hohen Lichtsäulen verdeckt, zwischen denen ein
ungeheures M. (Milolai) unter einer entsprechend großen Lichtkrone brannte;
sechs buntfarbig brennende Streifen zogen zur Rechten und zur Linken über die
ungeheuerm Seitengebäude hin. Diese Decoration des Baukgebändes hatte nicht
weniger als 16,000 Lampen und an 100 Talgkessel erfordert. Gleich reich waren
die Schatzcvmmission und andere Staatsgebäude decorirt. Städtische Amtsge¬
bäude hatten es natürlich auch uicht fehlen lassen, doch standen sie jenen Gebäu¬
den um etwas nach, deren Kassen das Glück genossen, vom Kaiser die seinigen
genannt zu werden. Es war eine Huldigung, welche der Kaiser sich selbst brachte,
sie glich der bunten Schleife, welche sich ein Mädchen vor dem Spiegel in das
Haar knüpft.

Die Kosten, welche solche Illuminationen verursachen, belaufen sich auf unge-
heure Summen. Professor Wiede in P. hat sich ein Mal die Mühe gemacht, sie
so genau als möglich zu berechnen, und gefunden, daß die Illumination sämmt¬
licher Staatsgebäude des Königreichs im Lause jedes Jahres durchschnittlich der
Staatskasse 1^ Million Gulden Kosten verursacht. Die Opfer, welche das Volk
des Königreichs an diesen bei Strafe anbefohlenen 15 bis 18 leuchtenden Huldi¬
gungen des Jahres directerweise zu bringen hat, mögen nicht geringer sein. Ein
einziges Fenster nur fünfzehn Mal des Jahres vorschriftmäßig mit zwei Lichtern,
jedes nnr zu 6 Pfennigen, erleuchtet, verursacht schon eine Ausgabe vou ungefähr
^ Thaler. Nun zähle mau die Fenster der Städte. Man hat oft gesagt, in Ru߬
land herrsche zwar Ungerechtigkeit und Gewalt, aber kein Steuerdruck. Allem diese


das Unzweifelhafteste aus."" In Wahrheit aber spricht sich stets darin nur die
Schamlosigkeit eines Despotismus ans, von dem wir in Deutschland keinen Be¬
griff haben.

Der Tag verging unter Tumult. Das Militär erfüllte die Straßen und
die Jlluminationsvorbereitungen an den öffentlichen Gebäuden verursachten ein Ge¬
hämmer und Getöse, als ob alle Handwerker der Stadt ihre Werkstätten auf die
Straße gerückt hätten. Mit der Dämmerung aber begannen die Fenster, Zimmer
und Hofgitter sich zu erleuchten. Eine so vollständige Illumination möchte nie¬
mals in Deutschland vorgekommen sein. Es war ohne Ausucchme jedes der
Straße zugewendete Fenster erhellt, denn die Polizeipersonen führten die strengste
Controle. Sie gingen von Haus zu Haus und wo sie etwa noch ein dunkeles
Fenster gewahrten, waren sie beeilt mit harten Worten den Wuth oder Miethbe¬
wohner auf seine Pflicht aufmerksam zu machen.

Die niedrigsten Klassen der Einwohnerschaft ermangelten nicht die Straßen zu
beleben, von einem öffentlichen Staatsgebäude zum anderen zu ziehen und zum
hundertsten Male mit gleichem Blödsinn die riesenhaften Huldignngsanstaltcn an¬
zustaunen und zu bejauchzen. Die ganze Rotunde des Staatsbankgebändes war
durch eine Halle von vier 56 Fuß hohen Lichtsäulen verdeckt, zwischen denen ein
ungeheures M. (Milolai) unter einer entsprechend großen Lichtkrone brannte;
sechs buntfarbig brennende Streifen zogen zur Rechten und zur Linken über die
ungeheuerm Seitengebäude hin. Diese Decoration des Baukgebändes hatte nicht
weniger als 16,000 Lampen und an 100 Talgkessel erfordert. Gleich reich waren
die Schatzcvmmission und andere Staatsgebäude decorirt. Städtische Amtsge¬
bäude hatten es natürlich auch uicht fehlen lassen, doch standen sie jenen Gebäu¬
den um etwas nach, deren Kassen das Glück genossen, vom Kaiser die seinigen
genannt zu werden. Es war eine Huldigung, welche der Kaiser sich selbst brachte,
sie glich der bunten Schleife, welche sich ein Mädchen vor dem Spiegel in das
Haar knüpft.

Die Kosten, welche solche Illuminationen verursachen, belaufen sich auf unge-
heure Summen. Professor Wiede in P. hat sich ein Mal die Mühe gemacht, sie
so genau als möglich zu berechnen, und gefunden, daß die Illumination sämmt¬
licher Staatsgebäude des Königreichs im Lause jedes Jahres durchschnittlich der
Staatskasse 1^ Million Gulden Kosten verursacht. Die Opfer, welche das Volk
des Königreichs an diesen bei Strafe anbefohlenen 15 bis 18 leuchtenden Huldi¬
gungen des Jahres directerweise zu bringen hat, mögen nicht geringer sein. Ein
einziges Fenster nur fünfzehn Mal des Jahres vorschriftmäßig mit zwei Lichtern,
jedes nnr zu 6 Pfennigen, erleuchtet, verursacht schon eine Ausgabe vou ungefähr
^ Thaler. Nun zähle mau die Fenster der Städte. Man hat oft gesagt, in Ru߬
land herrsche zwar Ungerechtigkeit und Gewalt, aber kein Steuerdruck. Allem diese


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[0328] das Unzweifelhafteste aus."" In Wahrheit aber spricht sich stets darin nur die Schamlosigkeit eines Despotismus ans, von dem wir in Deutschland keinen Be¬ griff haben. Der Tag verging unter Tumult. Das Militär erfüllte die Straßen und die Jlluminationsvorbereitungen an den öffentlichen Gebäuden verursachten ein Ge¬ hämmer und Getöse, als ob alle Handwerker der Stadt ihre Werkstätten auf die Straße gerückt hätten. Mit der Dämmerung aber begannen die Fenster, Zimmer und Hofgitter sich zu erleuchten. Eine so vollständige Illumination möchte nie¬ mals in Deutschland vorgekommen sein. Es war ohne Ausucchme jedes der Straße zugewendete Fenster erhellt, denn die Polizeipersonen führten die strengste Controle. Sie gingen von Haus zu Haus und wo sie etwa noch ein dunkeles Fenster gewahrten, waren sie beeilt mit harten Worten den Wuth oder Miethbe¬ wohner auf seine Pflicht aufmerksam zu machen. Die niedrigsten Klassen der Einwohnerschaft ermangelten nicht die Straßen zu beleben, von einem öffentlichen Staatsgebäude zum anderen zu ziehen und zum hundertsten Male mit gleichem Blödsinn die riesenhaften Huldignngsanstaltcn an¬ zustaunen und zu bejauchzen. Die ganze Rotunde des Staatsbankgebändes war durch eine Halle von vier 56 Fuß hohen Lichtsäulen verdeckt, zwischen denen ein ungeheures M. (Milolai) unter einer entsprechend großen Lichtkrone brannte; sechs buntfarbig brennende Streifen zogen zur Rechten und zur Linken über die ungeheuerm Seitengebäude hin. Diese Decoration des Baukgebändes hatte nicht weniger als 16,000 Lampen und an 100 Talgkessel erfordert. Gleich reich waren die Schatzcvmmission und andere Staatsgebäude decorirt. Städtische Amtsge¬ bäude hatten es natürlich auch uicht fehlen lassen, doch standen sie jenen Gebäu¬ den um etwas nach, deren Kassen das Glück genossen, vom Kaiser die seinigen genannt zu werden. Es war eine Huldigung, welche der Kaiser sich selbst brachte, sie glich der bunten Schleife, welche sich ein Mädchen vor dem Spiegel in das Haar knüpft. Die Kosten, welche solche Illuminationen verursachen, belaufen sich auf unge- heure Summen. Professor Wiede in P. hat sich ein Mal die Mühe gemacht, sie so genau als möglich zu berechnen, und gefunden, daß die Illumination sämmt¬ licher Staatsgebäude des Königreichs im Lause jedes Jahres durchschnittlich der Staatskasse 1^ Million Gulden Kosten verursacht. Die Opfer, welche das Volk des Königreichs an diesen bei Strafe anbefohlenen 15 bis 18 leuchtenden Huldi¬ gungen des Jahres directerweise zu bringen hat, mögen nicht geringer sein. Ein einziges Fenster nur fünfzehn Mal des Jahres vorschriftmäßig mit zwei Lichtern, jedes nnr zu 6 Pfennigen, erleuchtet, verursacht schon eine Ausgabe vou ungefähr ^ Thaler. Nun zähle mau die Fenster der Städte. Man hat oft gesagt, in Ru߬ land herrsche zwar Ungerechtigkeit und Gewalt, aber kein Steuerdruck. Allem diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/328>, abgerufen am 15.01.2025.