Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Geldmittel dazu besaßen oder nicht, der Befehl mußte erfüllt werden, keine Aus¬ Die Geschäftigkeit in den Haupt- und ihren Nebenstraßen war sehr groß. Die Leute dieser schmutzigen Compagnie, welche als Uniform graue lange Der geschäftige Wirwar in den Straßen wurde um vieles durch eine -- *) In einer solchen Kothmasse versank ehedem das Pferd des Großfürsten Constantin se/
daß es herausgehackt und gehoben werden und der durchlauchtigste Reiter absteigen und durch¬ waten mußte. Ergrimmt dictirte er dem nächste" Haus- oder Hüttcnbesitzer eine Knutcnstrast/ welche für diesen eine Todesstrafe wurde. Geldmittel dazu besaßen oder nicht, der Befehl mußte erfüllt werden, keine Aus¬ Die Geschäftigkeit in den Haupt- und ihren Nebenstraßen war sehr groß. Die Leute dieser schmutzigen Compagnie, welche als Uniform graue lange Der geschäftige Wirwar in den Straßen wurde um vieles durch eine — *) In einer solchen Kothmasse versank ehedem das Pferd des Großfürsten Constantin se/
daß es herausgehackt und gehoben werden und der durchlauchtigste Reiter absteigen und durch¬ waten mußte. Ergrimmt dictirte er dem nächste» Haus- oder Hüttcnbesitzer eine Knutcnstrast/ welche für diesen eine Todesstrafe wurde. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279873"/> <p xml:id="ID_1144" prev="#ID_1143"> Geldmittel dazu besaßen oder nicht, der Befehl mußte erfüllt werden, keine Aus¬<lb/> rede galt. Gleichwohl reichte bei der Ausbesserung oder Erneuung manches Ge¬<lb/> bäudes die zugestandene Frist nicht zu und die Commissüre freueten sich, einige<lb/> Gulden Ordnungsstrafe in die Tasche stecken zu können. Natürlich knirschte man<lb/> mit den Zähnen über die Anmaßung der Behörde, allein darnach frug diese nicht,<lb/> und hätte in der That sich mit nichts als Fragen zu beschäftigen, wenn sie auf<lb/> alles Zähneknirschen achten wollte, das sie veranlaßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1145"> Die Geschäftigkeit in den Haupt- und ihren Nebenstraßen war sehr groß.<lb/> Die Straßenreinigungscompagnie war in feuriger Thätigkeit, und lud in den<lb/> Nebenstraßen die seit Monaten liegen gebliebenen Kehrichthaufen auf — welche<lb/> in einigen Theilen Warschaus, z. B. dem Rzypow. dem Poczcow, sich seit vielen<lb/> Jahren zu solchen Mistmassen aufgesammelt haben, daß an eine Wegräumung gar<lb/> nicht gedacht werden kann'), — während sie die Hauptstraßen von Schutt rei¬<lb/> nigte und die Mittelwege, welche chaussirt sind, mit Wasser deuchte, welches in<lb/> großen mit einem Sieb versehenen Wasserkannen herbeigefahren wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1146"> Die Leute dieser schmutzigen Compagnie, welche als Uniform graue lange<lb/> Kittel und eine graue Mütze mit rothem Streif tragen und daher einige Aehnlich-<lb/> keit mit den Bewohnern der deutschen Zuchthäuser haben, sind nur Polen und<lb/> zwar größtenteils Sohne anständiger Familien, welche durch die russischen Adels¬<lb/> deputationen 1832, !!!! und 34 ihres Adels verlustig gegangen und dadurch dem<lb/> Schicksal versallen find, als Gemeine ihre Militärpflicht erfüllen zu müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1147" next="#ID_1148"> Der geschäftige Wirwar in den Straßen wurde um vieles durch eine —<lb/> wie man mir sagte vom Fürsten Paskiewitsch angeordnete — allgemeine Jagd auf<lb/> die Bettler vergrößert. Warschau ist von Bettlern so voll, wie vielleicht keine<lb/> andere Stadt. Die große Menge von Eigenthumscvnfiscationen, die Verdrängung<lb/> unzähliger Individuen von öffentlichen Posten bei dem Eintritt« der russischen<lb/> Tyrannei uach 1831, die Einziehung vieler Pensionen nach der Revolution und<lb/> andere Ereignisse haben das gewaltige Heer von Bettlern erzeugt. An den Frei¬<lb/> tagen ist eine Schätzung desselben leicht möglich, denn an diesen befindet es sich<lb/> in einer fast geordneten Bewegung. Haufen nach Häuser, Compagnie nach Com¬<lb/> pagnie macht denselben Kreislauf von Kaufladen zu Kaufladen wandernd. An<lb/> anderen Tagen findet man die sauberen Gesellen in den Eingängen der Restaura¬<lb/> tionen und der Kirchen aufgestellt. Ich hatte eiues Sonntags mir die Beschäfti¬<lb/> gung gemacht, vor einigen Kirchen die Bettler und Bettlerinnen zu zählen. Vor<lb/> der Marienkirche zählte ich öl, vor der Franziskanerkirche 63, vor der oberen</p><lb/> <note xml:id="FID_22" place="foot"> *) In einer solchen Kothmasse versank ehedem das Pferd des Großfürsten Constantin se/<lb/> daß es herausgehackt und gehoben werden und der durchlauchtigste Reiter absteigen und durch¬<lb/> waten mußte. Ergrimmt dictirte er dem nächste» Haus- oder Hüttcnbesitzer eine Knutcnstrast/<lb/> welche für diesen eine Todesstrafe wurde.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0325]
Geldmittel dazu besaßen oder nicht, der Befehl mußte erfüllt werden, keine Aus¬
rede galt. Gleichwohl reichte bei der Ausbesserung oder Erneuung manches Ge¬
bäudes die zugestandene Frist nicht zu und die Commissüre freueten sich, einige
Gulden Ordnungsstrafe in die Tasche stecken zu können. Natürlich knirschte man
mit den Zähnen über die Anmaßung der Behörde, allein darnach frug diese nicht,
und hätte in der That sich mit nichts als Fragen zu beschäftigen, wenn sie auf
alles Zähneknirschen achten wollte, das sie veranlaßt.
Die Geschäftigkeit in den Haupt- und ihren Nebenstraßen war sehr groß.
Die Straßenreinigungscompagnie war in feuriger Thätigkeit, und lud in den
Nebenstraßen die seit Monaten liegen gebliebenen Kehrichthaufen auf — welche
in einigen Theilen Warschaus, z. B. dem Rzypow. dem Poczcow, sich seit vielen
Jahren zu solchen Mistmassen aufgesammelt haben, daß an eine Wegräumung gar
nicht gedacht werden kann'), — während sie die Hauptstraßen von Schutt rei¬
nigte und die Mittelwege, welche chaussirt sind, mit Wasser deuchte, welches in
großen mit einem Sieb versehenen Wasserkannen herbeigefahren wurde.
Die Leute dieser schmutzigen Compagnie, welche als Uniform graue lange
Kittel und eine graue Mütze mit rothem Streif tragen und daher einige Aehnlich-
keit mit den Bewohnern der deutschen Zuchthäuser haben, sind nur Polen und
zwar größtenteils Sohne anständiger Familien, welche durch die russischen Adels¬
deputationen 1832, !!!! und 34 ihres Adels verlustig gegangen und dadurch dem
Schicksal versallen find, als Gemeine ihre Militärpflicht erfüllen zu müssen.
Der geschäftige Wirwar in den Straßen wurde um vieles durch eine —
wie man mir sagte vom Fürsten Paskiewitsch angeordnete — allgemeine Jagd auf
die Bettler vergrößert. Warschau ist von Bettlern so voll, wie vielleicht keine
andere Stadt. Die große Menge von Eigenthumscvnfiscationen, die Verdrängung
unzähliger Individuen von öffentlichen Posten bei dem Eintritt« der russischen
Tyrannei uach 1831, die Einziehung vieler Pensionen nach der Revolution und
andere Ereignisse haben das gewaltige Heer von Bettlern erzeugt. An den Frei¬
tagen ist eine Schätzung desselben leicht möglich, denn an diesen befindet es sich
in einer fast geordneten Bewegung. Haufen nach Häuser, Compagnie nach Com¬
pagnie macht denselben Kreislauf von Kaufladen zu Kaufladen wandernd. An
anderen Tagen findet man die sauberen Gesellen in den Eingängen der Restaura¬
tionen und der Kirchen aufgestellt. Ich hatte eiues Sonntags mir die Beschäfti¬
gung gemacht, vor einigen Kirchen die Bettler und Bettlerinnen zu zählen. Vor
der Marienkirche zählte ich öl, vor der Franziskanerkirche 63, vor der oberen
*) In einer solchen Kothmasse versank ehedem das Pferd des Großfürsten Constantin se/
daß es herausgehackt und gehoben werden und der durchlauchtigste Reiter absteigen und durch¬
waten mußte. Ergrimmt dictirte er dem nächste» Haus- oder Hüttcnbesitzer eine Knutcnstrast/
welche für diesen eine Todesstrafe wurde.
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