Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Indeß, die Märchen, so lustig manche darunter klingen, behalte ich meist für Als es zum Schreien kam, stand ich allein, und zum Ueberfluß faßten MV Indeß, die Märchen, so lustig manche darunter klingen, behalte ich meist für Als es zum Schreien kam, stand ich allein, und zum Ueberfluß faßten MV <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0315" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279863"/> <p xml:id="ID_1125"> Indeß, die Märchen, so lustig manche darunter klingen, behalte ich meist für<lb/> mich und gebe hier nur die trockene Wahrheit, so wie ich sie aus dem Munde des<lb/> verehrten Don Jsidor Amabile geschöpft, eines freisinnigen und wanderlustigen<lb/> östreichischen Cavaliers, den seit Jahren alle Seen und Berge des Salzkammer-<lb/> gnts und alle Bettler von Hallstadt kennen. Er schilderte mir, wahrend eines<lb/> Spaziergangs unter den Kolonnaden des Curhauscs, das idyllische Sommerleben<lb/> des Hofes in Ischl und die rührenden Festlichkeiten, die am Geburtstage des<lb/> Kaisers stattgefunden, welche jedoch beinahe dnrch ein Attentat von Seiten der<lb/> radikalen Partei gestört worden wären. Freitag am 17. war große Jagd in der<lb/> Umgegend, bei der es dem Kaiser gelang, sechs Gemsen, die ihm zugetrieben wur¬<lb/> den, zu erlegen; allgemein galt es als ein günstiges Vorzeichen. So, sagte man,<lb/> werden die „tollkühnen Springer auf den Klippen der Schwindelfreiheit" den<lb/> „vereinten Kräften" des Kaisers und der gutgesinnten Zntreiber erliegen. Am<lb/> Abend war nicht nur Ischl fceubaft beleuchtet, sondern ans den Bergen ringsum<lb/> brannten furchtbar große Freudenfeuer, und leicht hätte, wie Anno 1834 bei<lb/> Anßce, als Erzherzog Karl hinkam, ein Waldbrand entstehen können, wenn<lb/> die Thränen des Himmels nicht diese Flammen zügelloser Begeisterung zur rech¬<lb/> ten Zeit gelöscht hätten. Als endlich auf der Esplanade vor der bekränzten<lb/> Wohnung der Erzherzogin Sophie, die Musikchöre das Gott erhalte! spielten<lb/> nud der Kaiser sich einen Augenblick auf dem Altan zeigte, wurde, obgleich<lb/> Seine Majestät kein Wort sprach, die Rührung so groß, daß Frau von Nubel-<lb/> stein und Baronin von Gnldenstern a tempo und so laut, daß Graf Grüuue, der<lb/> Adjutant des Kaisers, es hören mußte, ausriefen: Kutscher, ich muß nach Hause<lb/> fahren, um mich auszuweinen. Unter den Transparenten war am treuherzigsten,<lb/> schon dnrch seine sprachliche Naivität, das am Hause des bekannten Neitküustlers<lb/> und Schwiegersohns von Metternich, des Grafen sartor. Ueber dem Portal sei¬<lb/> ner Villa steht eine steinerne Mutter Gottes in einer Nische. Darüber nun<lb/> hatte der Graf eigenhändig in flammenden orangegelben Buchstaben die Ausru¬<lb/> fung gesetzt: Beschütze Ihm! — Sie erwähnten etwas von einem Attentat, unter-<lb/> brach ich meinen Cicerone. — Gewiß, Don Jsidor hatte selbst die Hand im Spiele-<lb/> Etwa zehn junge Leute, Studenten und andere Reisende, hatten einige Tage vor<lb/> dem Geburtsfest sich bei mir zum Punsch versammelt und gaben mir, nach der<lb/> ersten Bowle, das Wort, mein Vorhaben muthig ausführen zu helfen. Wir ver¬<lb/> schworen uns, am Freitag Abend in einer Reihe uns vor dem Portal des erz¬<lb/> herzoglichen Hauses offen hinzustellen und im Augenblick, wo der junge Kaiser<lb/> sich zeigen würde, mit aller Kraft, die uus zu Gebote stand, — Amnestie! Z»<lb/> schreien. Amnestie, das Volk bittet um Amnestie! — Nun, und was wurde da¬<lb/> raus? fragte ich. — Das Unternehmen, erwiederte er lächelnd, hatte das Seht<lb/> sal der meisten Verschwörungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1126" next="#ID_1127"> Als es zum Schreien kam, stand ich allein, und zum Ueberfluß faßten MV</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0315]
Indeß, die Märchen, so lustig manche darunter klingen, behalte ich meist für
mich und gebe hier nur die trockene Wahrheit, so wie ich sie aus dem Munde des
verehrten Don Jsidor Amabile geschöpft, eines freisinnigen und wanderlustigen
östreichischen Cavaliers, den seit Jahren alle Seen und Berge des Salzkammer-
gnts und alle Bettler von Hallstadt kennen. Er schilderte mir, wahrend eines
Spaziergangs unter den Kolonnaden des Curhauscs, das idyllische Sommerleben
des Hofes in Ischl und die rührenden Festlichkeiten, die am Geburtstage des
Kaisers stattgefunden, welche jedoch beinahe dnrch ein Attentat von Seiten der
radikalen Partei gestört worden wären. Freitag am 17. war große Jagd in der
Umgegend, bei der es dem Kaiser gelang, sechs Gemsen, die ihm zugetrieben wur¬
den, zu erlegen; allgemein galt es als ein günstiges Vorzeichen. So, sagte man,
werden die „tollkühnen Springer auf den Klippen der Schwindelfreiheit" den
„vereinten Kräften" des Kaisers und der gutgesinnten Zntreiber erliegen. Am
Abend war nicht nur Ischl fceubaft beleuchtet, sondern ans den Bergen ringsum
brannten furchtbar große Freudenfeuer, und leicht hätte, wie Anno 1834 bei
Anßce, als Erzherzog Karl hinkam, ein Waldbrand entstehen können, wenn
die Thränen des Himmels nicht diese Flammen zügelloser Begeisterung zur rech¬
ten Zeit gelöscht hätten. Als endlich auf der Esplanade vor der bekränzten
Wohnung der Erzherzogin Sophie, die Musikchöre das Gott erhalte! spielten
nud der Kaiser sich einen Augenblick auf dem Altan zeigte, wurde, obgleich
Seine Majestät kein Wort sprach, die Rührung so groß, daß Frau von Nubel-
stein und Baronin von Gnldenstern a tempo und so laut, daß Graf Grüuue, der
Adjutant des Kaisers, es hören mußte, ausriefen: Kutscher, ich muß nach Hause
fahren, um mich auszuweinen. Unter den Transparenten war am treuherzigsten,
schon dnrch seine sprachliche Naivität, das am Hause des bekannten Neitküustlers
und Schwiegersohns von Metternich, des Grafen sartor. Ueber dem Portal sei¬
ner Villa steht eine steinerne Mutter Gottes in einer Nische. Darüber nun
hatte der Graf eigenhändig in flammenden orangegelben Buchstaben die Ausru¬
fung gesetzt: Beschütze Ihm! — Sie erwähnten etwas von einem Attentat, unter-
brach ich meinen Cicerone. — Gewiß, Don Jsidor hatte selbst die Hand im Spiele-
Etwa zehn junge Leute, Studenten und andere Reisende, hatten einige Tage vor
dem Geburtsfest sich bei mir zum Punsch versammelt und gaben mir, nach der
ersten Bowle, das Wort, mein Vorhaben muthig ausführen zu helfen. Wir ver¬
schworen uns, am Freitag Abend in einer Reihe uns vor dem Portal des erz¬
herzoglichen Hauses offen hinzustellen und im Augenblick, wo der junge Kaiser
sich zeigen würde, mit aller Kraft, die uus zu Gebote stand, — Amnestie! Z»
schreien. Amnestie, das Volk bittet um Amnestie! — Nun, und was wurde da¬
raus? fragte ich. — Das Unternehmen, erwiederte er lächelnd, hatte das Seht
sal der meisten Verschwörungen.
Als es zum Schreien kam, stand ich allein, und zum Ueberfluß faßten MV
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