Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.für uns dahin. Freiligrath ist ein Nevvlutionsheld geworden, auch seine Dichtungen Das Drama und seine Verbündete, die Kunst der scenischen Darstellung haben 4*
für uns dahin. Freiligrath ist ein Nevvlutionsheld geworden, auch seine Dichtungen Das Drama und seine Verbündete, die Kunst der scenischen Darstellung haben 4*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279579"/> <p xml:id="ID_93" prev="#ID_92"> für uns dahin. Freiligrath ist ein Nevvlutionsheld geworden, auch seine Dichtungen<lb/> haben verloren. Nach Oestreich und nach dem Rhein kauft mau noch fleißig Alfred<lb/> Meißuers Ziska, und der Pfaffe Mauritius von Hartmann wird von den Gro߬<lb/> deutschen eifrig gefordert, das letztere ein schlechtes Gedicht voll unberechtigter<lb/> Witzelei, ein Futter für den verdorbenen Magen von Solchen, welche den kleinen<lb/> Spott für Trost in einer schweren Zeit halten. In exclusiver Kreisen sucht man<lb/> jetzt die Gedichte des jung verstorbenen Grafen Moritz Strachwitz, der mit schlesi-<lb/> scher Gewandheit den Elfen- und Romanzensang der vorletzten Dichterpcrivde<lb/> glücklich und kriegerisch variirte. Hier und da läßt ein neues Talent seine Poe¬<lb/> sien drücke», das Publikum nimmt keine Notiz davon, kaum noch der Buchhandel. —<lb/> Auch der Roman und die Novelle sind sür diese Saison dürstig vertreten; was etwa<lb/> erschienen ist, geht nach drei Richtungen hin. Der historische Roman versucht noch<lb/> immer und ohne entschiedenes Glück einzelne Theile der Geschichte künstlerisch zu¬<lb/> zurichten. Die Republikaner in Neapel von Adolph Stahr sind ein<lb/> Beispiel von dieser Art, ein anderes der Roman: Preußen vor dein 1.8.<lb/> März. Außerdem erscheint hin und wieder eine sociale Novelle, welche allerlei<lb/> ungesunde Empfindungen und Zustände, wie sie in besonders feinfühlenden Kreisen<lb/> der Gesellschaft aufkeimen, zu malen strebt. Diese Richtung ist zumeist in den<lb/> Händen von schreibenden Frauen, und es wäre ungalant, hart über sie zu urtheilen.<lb/> Das Beste in Novellenform sind immer noch die epischen Schildereien aus dem<lb/> Volksleben. Wir haben in diesem Blatt neulich über einen Vertreter dieser Rich¬<lb/> tung Leopold Kompert ausführlicher gesprochen. — Im Ganzen ist wenig<lb/> geschaffen worden und das Wenige wiegt nicht allzuschwer. Unsere Leihbibliothe-<lb/> ken würden eingehn müssen, wenn sie sich nicht durch Uebersetzungen ans dem<lb/> Englischen und Französischen ergänzten.</p><lb/> <p xml:id="ID_94" next="#ID_95"> Das Drama und seine Verbündete, die Kunst der scenischen Darstellung haben<lb/> dnrch das Eingehen vieler Bühnen und durch die innere Auflösung der meisten<lb/> noch bestehenden schon äußerlich an Raum verloren. Es ist ein kränkliches Leben<lb/> in den deutschen Theatern. Schon längst viel beklagt, ist es durch die Revolution<lb/> fast unerträglich geworden. Man rechnete in Deutschland sonst 40 bis 50 stehende<lb/> Bühnen, doch waren von diesen nur etwa 15 so gestellt, daß die Kunst vou ihnen<lb/> gelegentlich eine Förderung erwarten konnte. Ein Blick auf die Karte von Deutsch¬<lb/> land fordert zu interessanten Bemerkungen heraus. In ganz Oestreich war außer<lb/> dem Burgtheater in Wien und etwa dem Theater in Prag keine Bühne, welche<lb/> sich mit Glück an eine ernste Aufgabe der Kunst hätte wagen können, ob¬<lb/> gleich der Kaiserstaat außer diesen noch 10 bis 15 größere Theater zählt. Im<lb/> übrigen Süden sind nur München, Stuttgart und Mannheim der Erwähnung<lb/> werth, am ganzen Rhein, im übrigen Baiern, Schwaben und Baden ist das Thea¬<lb/> terleben im traurigsten Zustand. Nur im Norden Deutschlands, den altpreußischen<lb/> Provinzen und Sachsen mit Einschluß der Linie, welche über Braunschweig und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 4*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
für uns dahin. Freiligrath ist ein Nevvlutionsheld geworden, auch seine Dichtungen
haben verloren. Nach Oestreich und nach dem Rhein kauft mau noch fleißig Alfred
Meißuers Ziska, und der Pfaffe Mauritius von Hartmann wird von den Gro߬
deutschen eifrig gefordert, das letztere ein schlechtes Gedicht voll unberechtigter
Witzelei, ein Futter für den verdorbenen Magen von Solchen, welche den kleinen
Spott für Trost in einer schweren Zeit halten. In exclusiver Kreisen sucht man
jetzt die Gedichte des jung verstorbenen Grafen Moritz Strachwitz, der mit schlesi-
scher Gewandheit den Elfen- und Romanzensang der vorletzten Dichterpcrivde
glücklich und kriegerisch variirte. Hier und da läßt ein neues Talent seine Poe¬
sien drücke», das Publikum nimmt keine Notiz davon, kaum noch der Buchhandel. —
Auch der Roman und die Novelle sind sür diese Saison dürstig vertreten; was etwa
erschienen ist, geht nach drei Richtungen hin. Der historische Roman versucht noch
immer und ohne entschiedenes Glück einzelne Theile der Geschichte künstlerisch zu¬
zurichten. Die Republikaner in Neapel von Adolph Stahr sind ein
Beispiel von dieser Art, ein anderes der Roman: Preußen vor dein 1.8.
März. Außerdem erscheint hin und wieder eine sociale Novelle, welche allerlei
ungesunde Empfindungen und Zustände, wie sie in besonders feinfühlenden Kreisen
der Gesellschaft aufkeimen, zu malen strebt. Diese Richtung ist zumeist in den
Händen von schreibenden Frauen, und es wäre ungalant, hart über sie zu urtheilen.
Das Beste in Novellenform sind immer noch die epischen Schildereien aus dem
Volksleben. Wir haben in diesem Blatt neulich über einen Vertreter dieser Rich¬
tung Leopold Kompert ausführlicher gesprochen. — Im Ganzen ist wenig
geschaffen worden und das Wenige wiegt nicht allzuschwer. Unsere Leihbibliothe-
ken würden eingehn müssen, wenn sie sich nicht durch Uebersetzungen ans dem
Englischen und Französischen ergänzten.
Das Drama und seine Verbündete, die Kunst der scenischen Darstellung haben
dnrch das Eingehen vieler Bühnen und durch die innere Auflösung der meisten
noch bestehenden schon äußerlich an Raum verloren. Es ist ein kränkliches Leben
in den deutschen Theatern. Schon längst viel beklagt, ist es durch die Revolution
fast unerträglich geworden. Man rechnete in Deutschland sonst 40 bis 50 stehende
Bühnen, doch waren von diesen nur etwa 15 so gestellt, daß die Kunst vou ihnen
gelegentlich eine Förderung erwarten konnte. Ein Blick auf die Karte von Deutsch¬
land fordert zu interessanten Bemerkungen heraus. In ganz Oestreich war außer
dem Burgtheater in Wien und etwa dem Theater in Prag keine Bühne, welche
sich mit Glück an eine ernste Aufgabe der Kunst hätte wagen können, ob¬
gleich der Kaiserstaat außer diesen noch 10 bis 15 größere Theater zählt. Im
übrigen Süden sind nur München, Stuttgart und Mannheim der Erwähnung
werth, am ganzen Rhein, im übrigen Baiern, Schwaben und Baden ist das Thea¬
terleben im traurigsten Zustand. Nur im Norden Deutschlands, den altpreußischen
Provinzen und Sachsen mit Einschluß der Linie, welche über Braunschweig und
4*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |