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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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der Kaiserlichen der ungarischen Sache mit Leib und Seele ergeben waren). My-
lord und ich kamen beinahe zu gleicher Zeit in Weißenburg an; wir sichren an
einander vorüber, natürlich ohne uns zu begrüßen, er als Offizier ok Iier most
Al'itvwns Miiji-se)^ ich als Lieferant Sr. K. K. apostolischen Majestät.

Gleich am nächsten Morgen war große Bewegung in der Stadt, Trommel¬
lärm, Trompetenappel, Wagengerassel. -- Die Oestreicher marschirten theilweise
ab und ich überzeugte mich zu meiner nicht geringen Frende, daß meine strate¬
gischen Combinationen ans soliderer Basis gebant seien als die des Fürsten Win-
dischgrätz. Meine Voraussetzung, daß Görgcy den Weg über Wachen einschlagen
werde, war vollkommen richtig und dann war es klar, daß der östreichische Feld¬
herr alle Truppen aus den südlichen Comitaten gegen die Donau detaschiren
werde, um Komorn zu decken. Das Alles geschah nun, wie bekannt, viel zu
spät; der alte Götz hatte bei Wachen indessen sein Leben und die schönste aller
Positionen eingebüßt, seine halbzersprengte Brigade mußte sich ans die von Ja-
blonowsky zurückziehen; jetzt erst sah Windischgrätz die Nothwendigkeit eines Rück¬
zuges gegen Gran ein oder vielmehr der nenangekommene Melden übersah mit
Schrecken, wie sich sein Vorgänger hatte dupiren lassen; die Truppen von natos
zogen allnialig ab und auch die Umgegend von Stuhlweißenburg wurde schnell ge¬
räumt. Toller Jubel in der ganzen Stadt und die Frende des Gelingens in mei¬
nem Herzen. Jetzt trennte mich nur mehr die Donau von befreundeten Lagern
und der Weg uach Debreczin stand uns offen. Um Mylord hatten sich seine
Freunde bei ihrem Abzuge nicht weiter bekümmert; ich traf ihn mitten ans dem
Marktplatz mit einem ganzen Schwarm neugieriger Gaffer hinterdrein, worüber
er sich nicht genug ärgern konnte. Warum ging er auch immer in seiner brillan¬
ten Uniform? In Stuhlweißeubnrg hatte vielleicht noch kein sterbliches Auge einen
britischen Offizier gesehen und ich konnte es den Kindern am allerwenigsten ver¬
arge", daß sie Mylord wie ein Wunderthier anglotzten.

Um 7 Uhr Abends waren wir in Almas, wo ich über die Donau gehen
wollte. --

Von einer Brücke begreiflicher Weise keine Rede, aber anch kein Kahn weit
und breit zu sehen, denn alle Transportmittel waren vom Feinde zerstört oder
bei Seite geschafft worden. Vor mir die Donan, drüben die Unsrigen, deren
Wachtfeuer sich im Zwielichte allmälig entzündeten, neben mir Mylord, der
wahrscheinlich geträumt hatte, eine Uacht und ein gutes Souper zu finden, da¬
gegen genug zu thun hatte, um sich der lästigen Mückenschwärme zu erwehren,
die ihre luftigen Abendtäuze aufführte", ich selbst schon ungeduldig bis zum
äußersten -- es war eine fatale Position. Endlich ließen steh Bauern scheu, die
noch ein paar Weißfische zu erwischen hofften. Vielleicht -- meinten sie -- daß
wich der Jcmvs (Johann) hinüberbringen könne, der habe einen Kahn. So


Grenzboten. IV. 134". 39

der Kaiserlichen der ungarischen Sache mit Leib und Seele ergeben waren). My-
lord und ich kamen beinahe zu gleicher Zeit in Weißenburg an; wir sichren an
einander vorüber, natürlich ohne uns zu begrüßen, er als Offizier ok Iier most
Al'itvwns Miiji-se)^ ich als Lieferant Sr. K. K. apostolischen Majestät.

Gleich am nächsten Morgen war große Bewegung in der Stadt, Trommel¬
lärm, Trompetenappel, Wagengerassel. — Die Oestreicher marschirten theilweise
ab und ich überzeugte mich zu meiner nicht geringen Frende, daß meine strate¬
gischen Combinationen ans soliderer Basis gebant seien als die des Fürsten Win-
dischgrätz. Meine Voraussetzung, daß Görgcy den Weg über Wachen einschlagen
werde, war vollkommen richtig und dann war es klar, daß der östreichische Feld¬
herr alle Truppen aus den südlichen Comitaten gegen die Donau detaschiren
werde, um Komorn zu decken. Das Alles geschah nun, wie bekannt, viel zu
spät; der alte Götz hatte bei Wachen indessen sein Leben und die schönste aller
Positionen eingebüßt, seine halbzersprengte Brigade mußte sich ans die von Ja-
blonowsky zurückziehen; jetzt erst sah Windischgrätz die Nothwendigkeit eines Rück¬
zuges gegen Gran ein oder vielmehr der nenangekommene Melden übersah mit
Schrecken, wie sich sein Vorgänger hatte dupiren lassen; die Truppen von natos
zogen allnialig ab und auch die Umgegend von Stuhlweißenburg wurde schnell ge¬
räumt. Toller Jubel in der ganzen Stadt und die Frende des Gelingens in mei¬
nem Herzen. Jetzt trennte mich nur mehr die Donau von befreundeten Lagern
und der Weg uach Debreczin stand uns offen. Um Mylord hatten sich seine
Freunde bei ihrem Abzuge nicht weiter bekümmert; ich traf ihn mitten ans dem
Marktplatz mit einem ganzen Schwarm neugieriger Gaffer hinterdrein, worüber
er sich nicht genug ärgern konnte. Warum ging er auch immer in seiner brillan¬
ten Uniform? In Stuhlweißeubnrg hatte vielleicht noch kein sterbliches Auge einen
britischen Offizier gesehen und ich konnte es den Kindern am allerwenigsten ver¬
arge», daß sie Mylord wie ein Wunderthier anglotzten.

Um 7 Uhr Abends waren wir in Almas, wo ich über die Donau gehen
wollte. —

Von einer Brücke begreiflicher Weise keine Rede, aber anch kein Kahn weit
und breit zu sehen, denn alle Transportmittel waren vom Feinde zerstört oder
bei Seite geschafft worden. Vor mir die Donan, drüben die Unsrigen, deren
Wachtfeuer sich im Zwielichte allmälig entzündeten, neben mir Mylord, der
wahrscheinlich geträumt hatte, eine Uacht und ein gutes Souper zu finden, da¬
gegen genug zu thun hatte, um sich der lästigen Mückenschwärme zu erwehren,
die ihre luftigen Abendtäuze aufführte», ich selbst schon ungeduldig bis zum
äußersten — es war eine fatale Position. Endlich ließen steh Bauern scheu, die
noch ein paar Weißfische zu erwischen hofften. Vielleicht — meinten sie — daß
wich der Jcmvs (Johann) hinüberbringen könne, der habe einen Kahn. So


Grenzboten. IV. 134». 39
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[0308] der Kaiserlichen der ungarischen Sache mit Leib und Seele ergeben waren). My- lord und ich kamen beinahe zu gleicher Zeit in Weißenburg an; wir sichren an einander vorüber, natürlich ohne uns zu begrüßen, er als Offizier ok Iier most Al'itvwns Miiji-se)^ ich als Lieferant Sr. K. K. apostolischen Majestät. Gleich am nächsten Morgen war große Bewegung in der Stadt, Trommel¬ lärm, Trompetenappel, Wagengerassel. — Die Oestreicher marschirten theilweise ab und ich überzeugte mich zu meiner nicht geringen Frende, daß meine strate¬ gischen Combinationen ans soliderer Basis gebant seien als die des Fürsten Win- dischgrätz. Meine Voraussetzung, daß Görgcy den Weg über Wachen einschlagen werde, war vollkommen richtig und dann war es klar, daß der östreichische Feld¬ herr alle Truppen aus den südlichen Comitaten gegen die Donau detaschiren werde, um Komorn zu decken. Das Alles geschah nun, wie bekannt, viel zu spät; der alte Götz hatte bei Wachen indessen sein Leben und die schönste aller Positionen eingebüßt, seine halbzersprengte Brigade mußte sich ans die von Ja- blonowsky zurückziehen; jetzt erst sah Windischgrätz die Nothwendigkeit eines Rück¬ zuges gegen Gran ein oder vielmehr der nenangekommene Melden übersah mit Schrecken, wie sich sein Vorgänger hatte dupiren lassen; die Truppen von natos zogen allnialig ab und auch die Umgegend von Stuhlweißenburg wurde schnell ge¬ räumt. Toller Jubel in der ganzen Stadt und die Frende des Gelingens in mei¬ nem Herzen. Jetzt trennte mich nur mehr die Donau von befreundeten Lagern und der Weg uach Debreczin stand uns offen. Um Mylord hatten sich seine Freunde bei ihrem Abzuge nicht weiter bekümmert; ich traf ihn mitten ans dem Marktplatz mit einem ganzen Schwarm neugieriger Gaffer hinterdrein, worüber er sich nicht genug ärgern konnte. Warum ging er auch immer in seiner brillan¬ ten Uniform? In Stuhlweißeubnrg hatte vielleicht noch kein sterbliches Auge einen britischen Offizier gesehen und ich konnte es den Kindern am allerwenigsten ver¬ arge», daß sie Mylord wie ein Wunderthier anglotzten. Um 7 Uhr Abends waren wir in Almas, wo ich über die Donau gehen wollte. — Von einer Brücke begreiflicher Weise keine Rede, aber anch kein Kahn weit und breit zu sehen, denn alle Transportmittel waren vom Feinde zerstört oder bei Seite geschafft worden. Vor mir die Donan, drüben die Unsrigen, deren Wachtfeuer sich im Zwielichte allmälig entzündeten, neben mir Mylord, der wahrscheinlich geträumt hatte, eine Uacht und ein gutes Souper zu finden, da¬ gegen genug zu thun hatte, um sich der lästigen Mückenschwärme zu erwehren, die ihre luftigen Abendtäuze aufführte», ich selbst schon ungeduldig bis zum äußersten — es war eine fatale Position. Endlich ließen steh Bauern scheu, die noch ein paar Weißfische zu erwischen hofften. Vielleicht — meinten sie — daß wich der Jcmvs (Johann) hinüberbringen könne, der habe einen Kahn. So Grenzboten. IV. 134». 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/308>, abgerufen am 15.01.2025.