Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Mein Vetter hätte wohl auch Lust gehabt, mit Gefahr seines Lebens umzu¬ Zum Glück führte mein Vetter ein herrliches Viergespann, so daß wir ein Der Vetter trank noch ein Glas Wein mit mir in einem Ofner Mieths¬ Je großer das Aussehe" war, mit welchem der Engländer in Pesth auszu¬ Mein Vetter hätte wohl auch Lust gehabt, mit Gefahr seines Lebens umzu¬ Zum Glück führte mein Vetter ein herrliches Viergespann, so daß wir ein Der Vetter trank noch ein Glas Wein mit mir in einem Ofner Mieths¬ Je großer das Aussehe» war, mit welchem der Engländer in Pesth auszu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279853"/> <p xml:id="ID_1081"> Mein Vetter hätte wohl auch Lust gehabt, mit Gefahr seines Lebens umzu¬<lb/> kehren, das merkte ich an gewissen Zuckungen seines Gesichts und des Leitseils,<lb/> aber er sah auf mich und jagte die Pferde aus allen Kräften weiter. Ums Le¬<lb/> ben konnten wir so und so kommen, aber was hätte mein Engländer im „Tiger"<lb/> angefangen, wenn ich ein Haase gewesen wäre? Es war jedenfalls wichtiger Se.<lb/> Lordschaft nach Debreczin zu bringen als einen elenden Bagagewagen. Die Un-<lb/> srigen bekamen deren ganz genug, und mir war's darum zu thun, nach Pesth zu<lb/> kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1082"> Zum Glück führte mein Vetter ein herrliches Viergespann, so daß wir ein<lb/> paar hundert Wagen bald im Rücken hatten. Das Schießen hörten wir aber<lb/> noch lange und es klang wie Musik in meinen Ohren, sobald ich nur vor unsern<lb/> verteufelten Leuten in Sicherheit war. Des Abends kamen wir nach Czinkotta<lb/> nud deS andern Tags zog ich als Mann des Fuhrwesens in Pesth ein Ach, es<lb/> war so schön die Retirade des Feindes anz'imachcn, die ängstlichen Gesichter der<lb/> Offizierlcin auf meinem Wagen zu beobachten, und die Sonne schien so früh-<lb/> liugsduftig, und am Nukosfelde war ein höllischer Wirrwarr von Kanonen, Pfer¬<lb/> den und Munitionskarren, und Pesth sah so freundlich aus, und die schönen<lb/> schwarzäugigen Mädchen kicherten so schadenfrendig und die Wellen der Donau<lb/> plätscherten so schelmisch, nud ich war selig neben meinem Herrn Vetter wie ein<lb/> Triumphator, und kein Mensch hat mich erkannt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1083"> Der Vetter trank noch ein Glas Wein mit mir in einem Ofner Mieths¬<lb/> hause — gezahlt wollte der brave Maun nichts nehmen — wir drückten einander die<lb/> Hände und schieden. Wie und ob er den Rückweg gefunden hat, weiß ich nicht;<lb/> ich aber ging nach Pesth zu einem alten Freunde in's Haus, wechselte dort Klei¬<lb/> der und nnn gings an's Erzählen die ganze Nacht hindurch. Des Morgens ließ<lb/> ich über meinen Engländer Erkundigungen einziehen und wußte bald Alles, was<lb/> ich wissen wollte. In ganz Pesth war die Sage verbreitet, daß ein englischer<lb/> Lord zu Windischgrätz gekommen sei, um gegen die Ungarn zu kämpfen.<lb/> Mylord machte in seiner rothen Uniform viel Aufsehen und die Jungen liefen ihm<lb/> nach, so oft er einen Schritt aus dem Hütel machte. Ja er ritt oft mit Jellachich<lb/> vor die Stadt in's Lager und bis zu den äußersten Vorposten, aber sie müssen ihm<lb/> doch nicht recht getraut haben, so erzählte er mir später, da die Offiziere ihm nie<lb/> gestatten wollten, eine Nacht bei den Vorposten zu bleiben. Sonst wurde er mit<lb/> vieler Auszeichnung behandelt, speiste an der Tafel des Fürsten und war cordial<lb/> mit dem Baums, und trank mit Beiden Ungarwein und hörte gläubig zu, wen»<lb/> sie ihm von den großen Siegen erzählten, in Folge deren sie wahrscheinlich in<lb/> Pesth ausruhen wollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1084" next="#ID_1085"> Je großer das Aussehe» war, mit welchem der Engländer in Pesth auszu¬<lb/> treten für gut fand, desto sorgfältiger suchte ich mich den Blicken des Publikums<lb/> zu entziehen. In Pesth wimmelte es von Spionen und, Denunzianten aller Art, und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0305]
Mein Vetter hätte wohl auch Lust gehabt, mit Gefahr seines Lebens umzu¬
kehren, das merkte ich an gewissen Zuckungen seines Gesichts und des Leitseils,
aber er sah auf mich und jagte die Pferde aus allen Kräften weiter. Ums Le¬
ben konnten wir so und so kommen, aber was hätte mein Engländer im „Tiger"
angefangen, wenn ich ein Haase gewesen wäre? Es war jedenfalls wichtiger Se.
Lordschaft nach Debreczin zu bringen als einen elenden Bagagewagen. Die Un-
srigen bekamen deren ganz genug, und mir war's darum zu thun, nach Pesth zu
kommen.
Zum Glück führte mein Vetter ein herrliches Viergespann, so daß wir ein
paar hundert Wagen bald im Rücken hatten. Das Schießen hörten wir aber
noch lange und es klang wie Musik in meinen Ohren, sobald ich nur vor unsern
verteufelten Leuten in Sicherheit war. Des Abends kamen wir nach Czinkotta
nud deS andern Tags zog ich als Mann des Fuhrwesens in Pesth ein Ach, es
war so schön die Retirade des Feindes anz'imachcn, die ängstlichen Gesichter der
Offizierlcin auf meinem Wagen zu beobachten, und die Sonne schien so früh-
liugsduftig, und am Nukosfelde war ein höllischer Wirrwarr von Kanonen, Pfer¬
den und Munitionskarren, und Pesth sah so freundlich aus, und die schönen
schwarzäugigen Mädchen kicherten so schadenfrendig und die Wellen der Donau
plätscherten so schelmisch, nud ich war selig neben meinem Herrn Vetter wie ein
Triumphator, und kein Mensch hat mich erkannt.
Der Vetter trank noch ein Glas Wein mit mir in einem Ofner Mieths¬
hause — gezahlt wollte der brave Maun nichts nehmen — wir drückten einander die
Hände und schieden. Wie und ob er den Rückweg gefunden hat, weiß ich nicht;
ich aber ging nach Pesth zu einem alten Freunde in's Haus, wechselte dort Klei¬
der und nnn gings an's Erzählen die ganze Nacht hindurch. Des Morgens ließ
ich über meinen Engländer Erkundigungen einziehen und wußte bald Alles, was
ich wissen wollte. In ganz Pesth war die Sage verbreitet, daß ein englischer
Lord zu Windischgrätz gekommen sei, um gegen die Ungarn zu kämpfen.
Mylord machte in seiner rothen Uniform viel Aufsehen und die Jungen liefen ihm
nach, so oft er einen Schritt aus dem Hütel machte. Ja er ritt oft mit Jellachich
vor die Stadt in's Lager und bis zu den äußersten Vorposten, aber sie müssen ihm
doch nicht recht getraut haben, so erzählte er mir später, da die Offiziere ihm nie
gestatten wollten, eine Nacht bei den Vorposten zu bleiben. Sonst wurde er mit
vieler Auszeichnung behandelt, speiste an der Tafel des Fürsten und war cordial
mit dem Baums, und trank mit Beiden Ungarwein und hörte gläubig zu, wen»
sie ihm von den großen Siegen erzählten, in Folge deren sie wahrscheinlich in
Pesth ausruhen wollten.
Je großer das Aussehe» war, mit welchem der Engländer in Pesth auszu¬
treten für gut fand, desto sorgfältiger suchte ich mich den Blicken des Publikums
zu entziehen. In Pesth wimmelte es von Spionen und, Denunzianten aller Art, und
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