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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Stunden östreichische Bagage gestanden hätte und wohl noch stehen würde zum
Besten dor Unsrigen, da der Feind nicht genug Pferde auftreiben könne, um sie
bei seinem eiligen Rückzüge fortzuschaffen. Darauf baute ich meinen Plan und
der Bauer, dem ich gesagt hatte, daß ich um Gottes und Christi willen nach Pesth
müsse, stimmte bei.

Kaum waren wir im Angesichte von Tartsa bei den ersten östreichischen Vor¬
posten angekommen, als wir auch schon von einer Menge von Offizieren und Soldaten
umringt wurden, die ohne um Paß oder Zweck unserer Reise zu fragen, uns und
unser Fuhrwerk in Beschlag nahmen, um ihre Sachen fortzuschaffen. Mein Vetter
sträubte sich zum Schein und erhielt zum Dank für seine gutgespielte Rolle ein
Paar Püffe und ein halb Dutzend Kolbenstöße. Es war wahrhaftig für die öst¬
reichischen Offiziere keine Zeit zum Höflichsein, die Ungarn waren so nahe, daß
die letzte" Posten in aller Eile eingezogen werden mußten, um aus Schußweite zu
kommen. Mein neuer Anverwandter und ich blieben als Fuhrleute unter dem
Troß, unsere vier Pferde waren vor einen Bagagewagen gespannt, auf dem noch
Soldaten aufsaßen, so viel als möglich, die Wagen gingen bis an die Achse" im
Sand, wir trabten nebenher und Hiebenin die Pferde und die Oestreicher fluchten
und schimpften, daß wir nicht schnell genug fuhren. Aber es war, ehrlich ge¬
standen, dnrch den hohen Sand nicht besser möglich.

Plötzlich ein Kanonenschuß, daun wieder einer und noch einer -- einzelne
Schüsse -- ganze Salven ans der Ferne -- östreichische Dragoner mit verhängtem
Zügel an uns vorbei, durch Dick und Dünn über die Haide und über uns --
die Ungarn waren schon dicht dahinter und unsere Bedeckuag hatte größtentheils
Reißans genommen. Das Schießen da-merke indessen fort, unsere Pferde liefen
was sie konnten, denn die armen gefährdeten Soldaten ermunterten sie vom Wa¬
gen aus unzart mit dem Bajonnette und wir beide, die wir auf ihren Rücken
gesprungen waren, mit Zügel und Peitsche. Es war ein tolles Jagen durch den
Sand und über die Haide. Plötzlich ^ den Moment werde ich mein Lebelang
uicht vergessen --- krachts wieder hinter uns und die Kartätscheukngcln schlagen
schon rings um uns ein. Ich schaue mich um und sehe, wie ti' treuen Bauern
hinter uus mit ihren Pferden, mit der Bagage und allem was von östreichischen
Soldaten drauf ist, nach rechts nud links auf der Haide umbiegen, um ihre
Prise den Ungarn entgegenzuführen. Gar Mancher wurde dabei von den wüthen¬
den Oestreichern todtgestochen oder niedergeschossen, aber das machte sie nicht irre.
Viele' schnitten die Stränge von den Vvrderpfcrden und suchten so das Weite, die
Oestreicher ihrem Schicksale überlassend. Das Alles geschah mitten im Kartätschen-
uud Gewehrfeuer und ich dachte mit Schaudern daran, wie leicht ich durch eine
ehrliche FreuudeSkugcl vom Sattel weggefegt werden könne, denn die Kugeln
schlugen schon ganz nahe bei unserem Wagen ein.


Stunden östreichische Bagage gestanden hätte und wohl noch stehen würde zum
Besten dor Unsrigen, da der Feind nicht genug Pferde auftreiben könne, um sie
bei seinem eiligen Rückzüge fortzuschaffen. Darauf baute ich meinen Plan und
der Bauer, dem ich gesagt hatte, daß ich um Gottes und Christi willen nach Pesth
müsse, stimmte bei.

Kaum waren wir im Angesichte von Tartsa bei den ersten östreichischen Vor¬
posten angekommen, als wir auch schon von einer Menge von Offizieren und Soldaten
umringt wurden, die ohne um Paß oder Zweck unserer Reise zu fragen, uns und
unser Fuhrwerk in Beschlag nahmen, um ihre Sachen fortzuschaffen. Mein Vetter
sträubte sich zum Schein und erhielt zum Dank für seine gutgespielte Rolle ein
Paar Püffe und ein halb Dutzend Kolbenstöße. Es war wahrhaftig für die öst¬
reichischen Offiziere keine Zeit zum Höflichsein, die Ungarn waren so nahe, daß
die letzte» Posten in aller Eile eingezogen werden mußten, um aus Schußweite zu
kommen. Mein neuer Anverwandter und ich blieben als Fuhrleute unter dem
Troß, unsere vier Pferde waren vor einen Bagagewagen gespannt, auf dem noch
Soldaten aufsaßen, so viel als möglich, die Wagen gingen bis an die Achse» im
Sand, wir trabten nebenher und Hiebenin die Pferde und die Oestreicher fluchten
und schimpften, daß wir nicht schnell genug fuhren. Aber es war, ehrlich ge¬
standen, dnrch den hohen Sand nicht besser möglich.

Plötzlich ein Kanonenschuß, daun wieder einer und noch einer — einzelne
Schüsse — ganze Salven ans der Ferne — östreichische Dragoner mit verhängtem
Zügel an uns vorbei, durch Dick und Dünn über die Haide und über uns —
die Ungarn waren schon dicht dahinter und unsere Bedeckuag hatte größtentheils
Reißans genommen. Das Schießen da-merke indessen fort, unsere Pferde liefen
was sie konnten, denn die armen gefährdeten Soldaten ermunterten sie vom Wa¬
gen aus unzart mit dem Bajonnette und wir beide, die wir auf ihren Rücken
gesprungen waren, mit Zügel und Peitsche. Es war ein tolles Jagen durch den
Sand und über die Haide. Plötzlich ^ den Moment werde ich mein Lebelang
uicht vergessen —- krachts wieder hinter uns und die Kartätscheukngcln schlagen
schon rings um uns ein. Ich schaue mich um und sehe, wie ti' treuen Bauern
hinter uus mit ihren Pferden, mit der Bagage und allem was von östreichischen
Soldaten drauf ist, nach rechts nud links auf der Haide umbiegen, um ihre
Prise den Ungarn entgegenzuführen. Gar Mancher wurde dabei von den wüthen¬
den Oestreichern todtgestochen oder niedergeschossen, aber das machte sie nicht irre.
Viele' schnitten die Stränge von den Vvrderpfcrden und suchten so das Weite, die
Oestreicher ihrem Schicksale überlassend. Das Alles geschah mitten im Kartätschen-
uud Gewehrfeuer und ich dachte mit Schaudern daran, wie leicht ich durch eine
ehrliche FreuudeSkugcl vom Sattel weggefegt werden könne, denn die Kugeln
schlugen schon ganz nahe bei unserem Wagen ein.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/304>, abgerufen am 15.01.2025.