Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.VVoz't-Kam)? erst am zweiten Tage vor der Conscription, die Edelleute meines Die Erzählung meines Wirthes war nebenbei bemerkt -- ganz wahr, wie VVoz't-Kam)? erst am zweiten Tage vor der Conscription, die Edelleute meines Die Erzählung meines Wirthes war nebenbei bemerkt — ganz wahr, wie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279841"/> <p xml:id="ID_1036" prev="#ID_1035"> VVoz't-Kam)? erst am zweiten Tage vor der Conscription, die Edelleute meines<lb/> Bezirks aber erst am Tage vor derselben wieder durch mich die betreffende Auf¬<lb/> forderung. Entzieht sich ein Bauer meines Kreises der Conscription durch die<lb/> Flucht, nachdem ich den Befehl von der Obwodschaft erhalten, und bevor ich ihn<lb/> weiter an die andern Grundherren befördert hatte, so wird meine Indiscretion<lb/> als Grund seiner Flucht angesehn und ich habe durch Stellung eiues militärfteicn<lb/> Mannes aus meiner eigenen Bauernschaft Ersatz zu leisten. Flüchten CvnscriptionS-<lb/> Pflichtige, nachdem ich den Befehl an die Grundherren bereits befördert habe, so<lb/> sind diese verantwortlich und haben militärfreie Leute zum Ersatz herzugeben. Die<lb/> Bauern besitzen übrigens eine so gute Witterung, daß die Nähe der Conscription<lb/> für sie oft kein vollkommenes Geheimniß ist, »och ehe ich etwas davon weiß. So<lb/> entwichen zwei meiner Bauerbursche im Jahre 1839 zwei Tage früher als ich von<lb/> der Obwodschaft die Aufforderung zur Vorbereitung der Conscription erhalten<lb/> hatte. Ans Besorgniß von andern Grundherren nicht ausgenommen nud zurück-<lb/> geliefert, oder gar in fremden Gerichtsdistriktcn als Ersatzmänner zur Conscription<lb/> gezogen zu werden, schlössen sich beide einem Zigeuuertrupp an und trieben sich<lb/> den ganzen Sommer und Herbst in den Wäldern und den Gebirgen des Krakauer<lb/> Guberniums umher. Im December, nachdem die Nccnttirnng beendigt war,<lb/> kamen beide Burschen zurück, baten mich, ich möchte sie doch wieder auf meine<lb/> Grnndherrschaft aufnehmen und ihnen wegen der späteren Conscriptioncn erlauben<lb/> falsche Namen zu führen; wolle ich dies nicht, so solle ich ihnen auf angenommene<lb/> Namen Zeugnisse ausstellen, damit sie bei einem andern Grundherrn Aufnahme<lb/> fänden und ohne Gefahr weilen könnten. Da ich für die beiden Bursche» keine<lb/> Ersatzmänner hatte hergeben müssen, indem ihre Flucht zu rechter Zeit angezeigt<lb/> war, so wäre es meine Pflicht gewesen, sie der Behörde zu überweisen. Indessen<lb/> wollte ich sie von dem Dienst im russische» Heere befreit sehe». Ich gab ihnen<lb/> also Ucberfledelungsschcine, die ich, um persönlich unbetheiligt zu sein, durch meinen<lb/> Neffen hatte ausfertigen lassen. Solch Ausreißen kommt sehr oft, und wird der<lb/> Tag der Conscription nicht sehr geheim gehalten, sogar massenweise vor."</p><lb/> <p xml:id="ID_1037" next="#ID_1038"> Die Erzählung meines Wirthes war nebenbei bemerkt — ganz wahr, wie<lb/> mir später eine Menge von Beispielen bewiesen hat. So flüchteten bei meiner<lb/> Anwesenheit in Pvdlachien aus einmal fünf Bauernburschen eines Dorfes vor der<lb/> Conscription. Der Edelmann, Namens Weklica, mußte Ersatz leisten und büßte<lb/> dadurch fast alle jugendlichen und kräftigen Arbeiter seiner kleinen Besitzung ein. Auf<lb/> dem Gut eines gewissen M. sprangen drei Burschen, sobald ihnen der Befehl<lb/> vor die Conscription zu gehen ertheilt worden war, in den nahen Teich und<lb/> hielten sich da im Schilfe bis zum Abend versteckt. Zu dieser Zeit ließen sie durch<lb/> eine ihrer Schwestern den Edelmann zu sich rusen. Als dieser aus dem User er¬<lb/> schien, fragten sie, ob die Conscriptionscommisston schon abgefahren sei. Aus die<lb/> bejahende Antwort, versicherten sie unter den jämmerlichsten Geberden, daß ihnen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0293]
VVoz't-Kam)? erst am zweiten Tage vor der Conscription, die Edelleute meines
Bezirks aber erst am Tage vor derselben wieder durch mich die betreffende Auf¬
forderung. Entzieht sich ein Bauer meines Kreises der Conscription durch die
Flucht, nachdem ich den Befehl von der Obwodschaft erhalten, und bevor ich ihn
weiter an die andern Grundherren befördert hatte, so wird meine Indiscretion
als Grund seiner Flucht angesehn und ich habe durch Stellung eiues militärfteicn
Mannes aus meiner eigenen Bauernschaft Ersatz zu leisten. Flüchten CvnscriptionS-
Pflichtige, nachdem ich den Befehl an die Grundherren bereits befördert habe, so
sind diese verantwortlich und haben militärfreie Leute zum Ersatz herzugeben. Die
Bauern besitzen übrigens eine so gute Witterung, daß die Nähe der Conscription
für sie oft kein vollkommenes Geheimniß ist, »och ehe ich etwas davon weiß. So
entwichen zwei meiner Bauerbursche im Jahre 1839 zwei Tage früher als ich von
der Obwodschaft die Aufforderung zur Vorbereitung der Conscription erhalten
hatte. Ans Besorgniß von andern Grundherren nicht ausgenommen nud zurück-
geliefert, oder gar in fremden Gerichtsdistriktcn als Ersatzmänner zur Conscription
gezogen zu werden, schlössen sich beide einem Zigeuuertrupp an und trieben sich
den ganzen Sommer und Herbst in den Wäldern und den Gebirgen des Krakauer
Guberniums umher. Im December, nachdem die Nccnttirnng beendigt war,
kamen beide Burschen zurück, baten mich, ich möchte sie doch wieder auf meine
Grnndherrschaft aufnehmen und ihnen wegen der späteren Conscriptioncn erlauben
falsche Namen zu führen; wolle ich dies nicht, so solle ich ihnen auf angenommene
Namen Zeugnisse ausstellen, damit sie bei einem andern Grundherrn Aufnahme
fänden und ohne Gefahr weilen könnten. Da ich für die beiden Bursche» keine
Ersatzmänner hatte hergeben müssen, indem ihre Flucht zu rechter Zeit angezeigt
war, so wäre es meine Pflicht gewesen, sie der Behörde zu überweisen. Indessen
wollte ich sie von dem Dienst im russische» Heere befreit sehe». Ich gab ihnen
also Ucberfledelungsschcine, die ich, um persönlich unbetheiligt zu sein, durch meinen
Neffen hatte ausfertigen lassen. Solch Ausreißen kommt sehr oft, und wird der
Tag der Conscription nicht sehr geheim gehalten, sogar massenweise vor."
Die Erzählung meines Wirthes war nebenbei bemerkt — ganz wahr, wie
mir später eine Menge von Beispielen bewiesen hat. So flüchteten bei meiner
Anwesenheit in Pvdlachien aus einmal fünf Bauernburschen eines Dorfes vor der
Conscription. Der Edelmann, Namens Weklica, mußte Ersatz leisten und büßte
dadurch fast alle jugendlichen und kräftigen Arbeiter seiner kleinen Besitzung ein. Auf
dem Gut eines gewissen M. sprangen drei Burschen, sobald ihnen der Befehl
vor die Conscription zu gehen ertheilt worden war, in den nahen Teich und
hielten sich da im Schilfe bis zum Abend versteckt. Zu dieser Zeit ließen sie durch
eine ihrer Schwestern den Edelmann zu sich rusen. Als dieser aus dem User er¬
schien, fragten sie, ob die Conscriptionscommisston schon abgefahren sei. Aus die
bejahende Antwort, versicherten sie unter den jämmerlichsten Geberden, daß ihnen
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