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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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steht!" Die Bourgeoisie, d. l). alle gebildeten Leute von nicht ebenbürtiger Her¬
kunft, werden aus dem Staatswesen ausgeschlossen. Sämmtliche Unterthanen
werden in Zünfte eingetheilt, die überall die Jnsignien ihres Handwerks an sich
zu tragen verpflichtet sind. Der Meister soll das Recht haben, seinen Altgesellen
zeitlebens als antiqnirtes Möbel in seinem Haushalt zu haben, damit er nicht
durch eine fruchtlose Selbstständigkeit in Noth geräth; er hat das Recht, seine
Lehrburschen zu fuchteln, dafür muß er den Fußtritt des gnädigen Herrn, dem
er die Stiefel aumißt, in tiefster Untertänigkeit hinnehmen. Es soll keine Bürger
mehr geben und namentlich keine Menschen, sondern nur Grafen, Edelleute, Sol¬
daten, Schuster, Bediente, Bauern u. s. w., und sämmtliche Schneider des heiligen
christlich-germanischen Staats werdeu in Pflicht genommen, nur standesmäßige
Kleider anzufertigen.

Denn das ist die Hauptsache. Wie soll heutzutage ein hübsches Kind den
Cavalier vou der Canaille unterscheiden, seit die Federhute und Sporen ans das
Militär eingeschränkt sind? Steht es dem Herrn v. Manteuffel auf die Stirn
geschrieben, daß er von K4 Ahnen herstammt? daß sie schon zu den Zeiten der
Kreuzzüge gelebt haben! Freilich! Freilich! Herr v. Manteuffel! Wie kann man
auch bei einer ordinären Beschäftigung die angestammte Noblesse des Bluts be¬
wahren! Herr v. Manteuffel ist ein tüchtiger Bureauchef, ein fleißiger Arbeiter; er
arbeitet Paragraphen aus, er stellt Rechnungen zusammen! Güter Gott, wie gemein!
wie Iwin-g-eins! Und so ist es mit den übrigen hochgebornen Herrn nicht anders.
Wenn ihre Güter noch so groß sind, sie können sich neben ihren bürgerlichen Ri¬
valen nur behaupten, wenn sie auch bürgerlich werdeu, wenn sie sich um die
Wirthschaft kümmern, ihre Branntweinbrennereien inspiciren, sich über den Stand
der Börse, über den Preis des Getreides und tausend andere Dinge unterrichten,
die das echte Bollblnt den Juden überläßt! Sperrt auch, wie ihr wollt, ihr
gnädigen Herren! die Bourgeoisie hat euch schon! Die Zeit ist bürgerlich gewor¬
den, und ihr müßt das Einmal Eins lernen, Prüfungen besteh", calculiren und
registriren wie das gemeine Volk.

Als in England die vornehmen Herren von der rothen und der weißen Rose
steh ein Jahrhundert lang unausgesetzt bekämpft, sich gegenseitig erschlagen und
erhängt hatten, was blieb übrig? Die Bourgeoisie, die heute den ersten Staat
der Welt regiert. Die Revolutionen erschüttern nur die Gipfel der Berge, die
fruchtbare Ebene trifft nicht der Sturm. Baut eure Barrikaden auf, ihr Jacobi-
ner! führt Kartätschen dagegen auf, ihr Herren vom Schwert! Wir werden uns
nicht einmischen. Ihr könnt uns stören in unserer Arbeit, ihr könnt die Früchte
unsers Fleißes vernichten, aber nicht ausrotten könnt ihr den Fleiß, der neue
Früchte hervorbringt! Ob die Rothen oder die Weißen siegen, uns müssen sie rufen,
ehren Sieg zu einer bestimmten Staatsform zu gestalten. Ihre Thorheiten fallen
ZU unserm Frommen aus, ihre ungeduldige Leidenschaft zehrt sich in sich selber


steht!" Die Bourgeoisie, d. l). alle gebildeten Leute von nicht ebenbürtiger Her¬
kunft, werden aus dem Staatswesen ausgeschlossen. Sämmtliche Unterthanen
werden in Zünfte eingetheilt, die überall die Jnsignien ihres Handwerks an sich
zu tragen verpflichtet sind. Der Meister soll das Recht haben, seinen Altgesellen
zeitlebens als antiqnirtes Möbel in seinem Haushalt zu haben, damit er nicht
durch eine fruchtlose Selbstständigkeit in Noth geräth; er hat das Recht, seine
Lehrburschen zu fuchteln, dafür muß er den Fußtritt des gnädigen Herrn, dem
er die Stiefel aumißt, in tiefster Untertänigkeit hinnehmen. Es soll keine Bürger
mehr geben und namentlich keine Menschen, sondern nur Grafen, Edelleute, Sol¬
daten, Schuster, Bediente, Bauern u. s. w., und sämmtliche Schneider des heiligen
christlich-germanischen Staats werdeu in Pflicht genommen, nur standesmäßige
Kleider anzufertigen.

Denn das ist die Hauptsache. Wie soll heutzutage ein hübsches Kind den
Cavalier vou der Canaille unterscheiden, seit die Federhute und Sporen ans das
Militär eingeschränkt sind? Steht es dem Herrn v. Manteuffel auf die Stirn
geschrieben, daß er von K4 Ahnen herstammt? daß sie schon zu den Zeiten der
Kreuzzüge gelebt haben! Freilich! Freilich! Herr v. Manteuffel! Wie kann man
auch bei einer ordinären Beschäftigung die angestammte Noblesse des Bluts be¬
wahren! Herr v. Manteuffel ist ein tüchtiger Bureauchef, ein fleißiger Arbeiter; er
arbeitet Paragraphen aus, er stellt Rechnungen zusammen! Güter Gott, wie gemein!
wie Iwin-g-eins! Und so ist es mit den übrigen hochgebornen Herrn nicht anders.
Wenn ihre Güter noch so groß sind, sie können sich neben ihren bürgerlichen Ri¬
valen nur behaupten, wenn sie auch bürgerlich werdeu, wenn sie sich um die
Wirthschaft kümmern, ihre Branntweinbrennereien inspiciren, sich über den Stand
der Börse, über den Preis des Getreides und tausend andere Dinge unterrichten,
die das echte Bollblnt den Juden überläßt! Sperrt auch, wie ihr wollt, ihr
gnädigen Herren! die Bourgeoisie hat euch schon! Die Zeit ist bürgerlich gewor¬
den, und ihr müßt das Einmal Eins lernen, Prüfungen besteh», calculiren und
registriren wie das gemeine Volk.

Als in England die vornehmen Herren von der rothen und der weißen Rose
steh ein Jahrhundert lang unausgesetzt bekämpft, sich gegenseitig erschlagen und
erhängt hatten, was blieb übrig? Die Bourgeoisie, die heute den ersten Staat
der Welt regiert. Die Revolutionen erschüttern nur die Gipfel der Berge, die
fruchtbare Ebene trifft nicht der Sturm. Baut eure Barrikaden auf, ihr Jacobi-
ner! führt Kartätschen dagegen auf, ihr Herren vom Schwert! Wir werden uns
nicht einmischen. Ihr könnt uns stören in unserer Arbeit, ihr könnt die Früchte
unsers Fleißes vernichten, aber nicht ausrotten könnt ihr den Fleiß, der neue
Früchte hervorbringt! Ob die Rothen oder die Weißen siegen, uns müssen sie rufen,
ehren Sieg zu einer bestimmten Staatsform zu gestalten. Ihre Thorheiten fallen
ZU unserm Frommen aus, ihre ungeduldige Leidenschaft zehrt sich in sich selber


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[0290] steht!" Die Bourgeoisie, d. l). alle gebildeten Leute von nicht ebenbürtiger Her¬ kunft, werden aus dem Staatswesen ausgeschlossen. Sämmtliche Unterthanen werden in Zünfte eingetheilt, die überall die Jnsignien ihres Handwerks an sich zu tragen verpflichtet sind. Der Meister soll das Recht haben, seinen Altgesellen zeitlebens als antiqnirtes Möbel in seinem Haushalt zu haben, damit er nicht durch eine fruchtlose Selbstständigkeit in Noth geräth; er hat das Recht, seine Lehrburschen zu fuchteln, dafür muß er den Fußtritt des gnädigen Herrn, dem er die Stiefel aumißt, in tiefster Untertänigkeit hinnehmen. Es soll keine Bürger mehr geben und namentlich keine Menschen, sondern nur Grafen, Edelleute, Sol¬ daten, Schuster, Bediente, Bauern u. s. w., und sämmtliche Schneider des heiligen christlich-germanischen Staats werdeu in Pflicht genommen, nur standesmäßige Kleider anzufertigen. Denn das ist die Hauptsache. Wie soll heutzutage ein hübsches Kind den Cavalier vou der Canaille unterscheiden, seit die Federhute und Sporen ans das Militär eingeschränkt sind? Steht es dem Herrn v. Manteuffel auf die Stirn geschrieben, daß er von K4 Ahnen herstammt? daß sie schon zu den Zeiten der Kreuzzüge gelebt haben! Freilich! Freilich! Herr v. Manteuffel! Wie kann man auch bei einer ordinären Beschäftigung die angestammte Noblesse des Bluts be¬ wahren! Herr v. Manteuffel ist ein tüchtiger Bureauchef, ein fleißiger Arbeiter; er arbeitet Paragraphen aus, er stellt Rechnungen zusammen! Güter Gott, wie gemein! wie Iwin-g-eins! Und so ist es mit den übrigen hochgebornen Herrn nicht anders. Wenn ihre Güter noch so groß sind, sie können sich neben ihren bürgerlichen Ri¬ valen nur behaupten, wenn sie auch bürgerlich werdeu, wenn sie sich um die Wirthschaft kümmern, ihre Branntweinbrennereien inspiciren, sich über den Stand der Börse, über den Preis des Getreides und tausend andere Dinge unterrichten, die das echte Bollblnt den Juden überläßt! Sperrt auch, wie ihr wollt, ihr gnädigen Herren! die Bourgeoisie hat euch schon! Die Zeit ist bürgerlich gewor¬ den, und ihr müßt das Einmal Eins lernen, Prüfungen besteh», calculiren und registriren wie das gemeine Volk. Als in England die vornehmen Herren von der rothen und der weißen Rose steh ein Jahrhundert lang unausgesetzt bekämpft, sich gegenseitig erschlagen und erhängt hatten, was blieb übrig? Die Bourgeoisie, die heute den ersten Staat der Welt regiert. Die Revolutionen erschüttern nur die Gipfel der Berge, die fruchtbare Ebene trifft nicht der Sturm. Baut eure Barrikaden auf, ihr Jacobi- ner! führt Kartätschen dagegen auf, ihr Herren vom Schwert! Wir werden uns nicht einmischen. Ihr könnt uns stören in unserer Arbeit, ihr könnt die Früchte unsers Fleißes vernichten, aber nicht ausrotten könnt ihr den Fleiß, der neue Früchte hervorbringt! Ob die Rothen oder die Weißen siegen, uns müssen sie rufen, ehren Sieg zu einer bestimmten Staatsform zu gestalten. Ihre Thorheiten fallen ZU unserm Frommen aus, ihre ungeduldige Leidenschaft zehrt sich in sich selber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/290>, abgerufen am 15.01.2025.