Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.geoisverfassung und dergl. spricht, so denkt man sogleich, diese armen Teufelchen, Besinnt euch einen Augenblick, ihr modernen Percy's, die ihr unzufrieden Das Wesen des Bourgeoisstaates ist die freie Selbstbestimmung des Einzelnen, Mit der Demokratie haben wir es vorläufig nicht zu thun, sie ist für deu geoisverfassung und dergl. spricht, so denkt man sogleich, diese armen Teufelchen, Besinnt euch einen Augenblick, ihr modernen Percy's, die ihr unzufrieden Das Wesen des Bourgeoisstaates ist die freie Selbstbestimmung des Einzelnen, Mit der Demokratie haben wir es vorläufig nicht zu thun, sie ist für deu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279837"/> <p xml:id="ID_1023" prev="#ID_1022"> geoisverfassung und dergl. spricht, so denkt man sogleich, diese armen Teufelchen,<lb/> die eigentlich in jedem Augenblick die Welt für ihre Existenz um Verzeihung zu<lb/> bitten scheinen, wären die modernen Nerone, die das Mark des Volks aussaugen,<lb/> und so schrumpfen die Bourgeois, die Professoren, die Doctrinärs, die Centren,<lb/> die Kleindeutschen, die Gagern, die Auerswald, die Dahlmann, die Guizot, die<lb/> Thiers, die Peel n. s. w. in den kleinen Epicicr des Charivari zusammen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1024"> Besinnt euch einen Augenblick, ihr modernen Percy's, die ihr unzufrieden<lb/> seid, wenn ihr nicht jeden Morgen ein Dutzend Bourgeois gefrühstückt habt. Ihr<lb/> lästert die modernen Verfassungen, die nnr dem Bourgeois zu Gute kommen; ihr<lb/> ruft Zeter über Sieh es, den Propheten unserer Sache, der es vor einem halben<lb/> Jahrhundert verkündete, der tioi« peat müsse Alles sein. Wohl, wir nehmen<lb/> diesen Satz ans. Das souveräne Volk, der Staat sind Wir, und alle Revolu¬<lb/> tionen und Contrerevolntionen kommen uns zu Gute. Das ist leicht zu beweisen.<lb/> Kann der Adel sich zum Ganzen machen wollen? Nein, denn das hieße, den Adel<lb/> aufheben. Er kann sich nicht einmal bedeutend erweitern, ohne sein Wesen zu<lb/> schwächen. Kann das Proletariat die übrigen Stände absorbiren? Dann müßte<lb/> es verhungern. Jede Erweiterung des Proletariats ist eine Vergrößerung seines<lb/> Elends. Ein Staat ans Proletariern ist ebenso unmöglich, als ein Staat aus<lb/> Edelleute». Dagegen ist der freie Bürger um so besser daran, je mehr freie<lb/> Bürger ihm zur Seite stehen. Die Bourgeoisie muß das Volk absorbiren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1025"> Das Wesen des Bourgeoisstaates ist die freie Selbstbestimmung des Einzelnen,<lb/> bedingt, begrenzt und geleitet durch das Gesetz. Das Wesen der Aristokratie ist<lb/> die Herrschaft der Convenienz in der herrschenden Klasse, der Gewalt im ganzen<lb/> Staat. Das Wesen der Massenregicrung ist die Herrschaft der Leidenschaft, der<lb/> Stimmung, des Tumults, das souveränen Unverstandes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1026" next="#ID_1027"> Mit der Demokratie haben wir es vorläufig nicht zu thun, sie ist für deu<lb/> Augenblick beseitigt. Wohl aber mit dem neumodischen Feudalstaat, der in den<lb/> „geistreichen" Philippiken der deutschen Reform seine heraldischen Ungeheuer aus<lb/> die rothe Fahne des Sozialismus geklebt hat. Mit vollem Recht hat dieser Cham¬<lb/> pion der altprenßisch-christlichen Legitimität das Wesen des Bourgeoisstaats darin<lb/> gefunden, daß es die willkürlichen Unterschiede der Convenienz — die Stände<lb/> aufhebt, und durch die constitutionelle Form die Negierung in die Hände der<lb/> Bourgeois spielt, d. h. derer, die im Stande sind, ein bestimmtes Interesse mit<lb/> Energie zu verfolgen, welches mit dem allgemeinen Interesse Hand in Hand<lb/> geht. Diesem Bourgeoisstaat stellt er sein mittelalterliches Ideal entgegen: ein<lb/> legitimer König, mit dem starken Schwert in der Hand, ein Reichsrath von Prin¬<lb/> zen, Fürsten, Grafen und Herren, die den Ministern auf die Finger sehn, damit<lb/> sie nicht etwa eine unbedachte Neuerung einführen, und eine Kammer, aus Hand¬<lb/> werkern und Bauern zusammengesetzt, der eine hohe Regierung jeden Augenblick<lb/> zurufen kann: „Ihr Esel! mengt euch nicht in Dinge, von denen ihr nichts ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0289]
geoisverfassung und dergl. spricht, so denkt man sogleich, diese armen Teufelchen,
die eigentlich in jedem Augenblick die Welt für ihre Existenz um Verzeihung zu
bitten scheinen, wären die modernen Nerone, die das Mark des Volks aussaugen,
und so schrumpfen die Bourgeois, die Professoren, die Doctrinärs, die Centren,
die Kleindeutschen, die Gagern, die Auerswald, die Dahlmann, die Guizot, die
Thiers, die Peel n. s. w. in den kleinen Epicicr des Charivari zusammen. —
Besinnt euch einen Augenblick, ihr modernen Percy's, die ihr unzufrieden
seid, wenn ihr nicht jeden Morgen ein Dutzend Bourgeois gefrühstückt habt. Ihr
lästert die modernen Verfassungen, die nnr dem Bourgeois zu Gute kommen; ihr
ruft Zeter über Sieh es, den Propheten unserer Sache, der es vor einem halben
Jahrhundert verkündete, der tioi« peat müsse Alles sein. Wohl, wir nehmen
diesen Satz ans. Das souveräne Volk, der Staat sind Wir, und alle Revolu¬
tionen und Contrerevolntionen kommen uns zu Gute. Das ist leicht zu beweisen.
Kann der Adel sich zum Ganzen machen wollen? Nein, denn das hieße, den Adel
aufheben. Er kann sich nicht einmal bedeutend erweitern, ohne sein Wesen zu
schwächen. Kann das Proletariat die übrigen Stände absorbiren? Dann müßte
es verhungern. Jede Erweiterung des Proletariats ist eine Vergrößerung seines
Elends. Ein Staat ans Proletariern ist ebenso unmöglich, als ein Staat aus
Edelleute». Dagegen ist der freie Bürger um so besser daran, je mehr freie
Bürger ihm zur Seite stehen. Die Bourgeoisie muß das Volk absorbiren.
Das Wesen des Bourgeoisstaates ist die freie Selbstbestimmung des Einzelnen,
bedingt, begrenzt und geleitet durch das Gesetz. Das Wesen der Aristokratie ist
die Herrschaft der Convenienz in der herrschenden Klasse, der Gewalt im ganzen
Staat. Das Wesen der Massenregicrung ist die Herrschaft der Leidenschaft, der
Stimmung, des Tumults, das souveränen Unverstandes.
Mit der Demokratie haben wir es vorläufig nicht zu thun, sie ist für deu
Augenblick beseitigt. Wohl aber mit dem neumodischen Feudalstaat, der in den
„geistreichen" Philippiken der deutschen Reform seine heraldischen Ungeheuer aus
die rothe Fahne des Sozialismus geklebt hat. Mit vollem Recht hat dieser Cham¬
pion der altprenßisch-christlichen Legitimität das Wesen des Bourgeoisstaats darin
gefunden, daß es die willkürlichen Unterschiede der Convenienz — die Stände
aufhebt, und durch die constitutionelle Form die Negierung in die Hände der
Bourgeois spielt, d. h. derer, die im Stande sind, ein bestimmtes Interesse mit
Energie zu verfolgen, welches mit dem allgemeinen Interesse Hand in Hand
geht. Diesem Bourgeoisstaat stellt er sein mittelalterliches Ideal entgegen: ein
legitimer König, mit dem starken Schwert in der Hand, ein Reichsrath von Prin¬
zen, Fürsten, Grafen und Herren, die den Ministern auf die Finger sehn, damit
sie nicht etwa eine unbedachte Neuerung einführen, und eine Kammer, aus Hand¬
werkern und Bauern zusammengesetzt, der eine hohe Regierung jeden Augenblick
zurufen kann: „Ihr Esel! mengt euch nicht in Dinge, von denen ihr nichts ver-
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