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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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kann, du verstehst dich selber nicht, und noch weniger deinen Herrn und Meister,
selbst als Theolog bist dn keinen Schuß Pulver werth! -- Also in einem Staat,
in dem die Gottseligen das große Wort führen, wird die Bourgeoisie -- der In¬
begriff der Arbesit nach einem bewußten irdischen Zweck und des gesetzlichen Wissens,
die keine Schen hat vor dem Unbekannten und keine Ehrfurcht vor der Tradition
-- als der wahre Quell der Revolution bezeichnet werden, und man wird sie
brandmarken als die Canaille, welche vergessen hat, daß sie Ca-
naille ist.

Endlich ein dritter Ehrenmann, diesmal ein Wühler, ein biedrer Sohn des
Volks mit zottiger Hochbrust und hohlen Phrasen, die er aus einem beliebigen
Katechismus memorirt hat, oder ein zarter lyrischer Mondscheinpoet, der die Entwicke¬
lung der Menschheit dadurch fördert, daß er die Eichen mit grünen Fragezeichen
der Freiheit vergleicht, daß er in der Freiheit eine Sonne sieht, in dem Barrikaden¬
kampf einen Frühling wittert, in der Katzenmusik eine Lerche hört, wo seine Ju-
lia noch von Nachtigallen schwärmt, daß er endlich eine Reihe brennender Hänser
zu einer Morgenröthe combinirt. Sein Haß gegen das Königthum und den Adel
ist bedingt, denn er kennt eine Grenze, und er schließt Anerkennung ein. Eine
Grenze, denn er kann mit leichter Mühe sagen: hebt den Adel ans, wie in
Dessau, verbietet bei Todesstrafe sich Herr "von" zu nennen, oder noch besser,
guillotinirt sämmtliche Edelleute, so ist die Frage gelöst. Freilich würde das Beil
viel zu thun haben, aber zuletzt ist es doch möglich, daß die gesammte Race ver¬
nichtet ist, wie die Kiuder von Bethlehem zu den Zeiten des Herodes. Aber die
Bourgeoisie! Setzt die Guillotine aus ein Jahrhundert in Bewegung, köpfe Alles,
was nur im entferntesten im Verdacht der Bourgeoisie steht, und wenn ihr fertig
seid, wird die Bourgeoisie eben so stark sein, als da ihr ansinge! -- Denn der
Adel ist eine wirkliche Classe, eure Bourgeoisie nur eine Abstraction. Abstractionen
aber löst man dnrch's Köpfen nicht auf.

Der Adel wird gehaßt, aber mit gegenseitiger Anerkennung. Er ist von
anderer, böser Race, aber er ist von Race, er hat das Recht, ein Feind des
"Volks" zu sein; er ist, was er ist, indem er ist. Der Adel hetzt seine "ver-
thierten Söldlinge" ans das "Volt", das ist eine Anerkennung, er wirft die
Freiheitsmänner in's Gefängniß, oder schlachtet sie -- das ist ein Kompliment.
Aber was ist dieser Bourgeois? Ist er von andern: Blut, als wir, daß er im Wagen
fährt, währeud wir zu Fuße gehn? Daß er Lateinisch und Französisch versteht,
während wir uns mit Mühe in unserer Muttersprache ausdrücken? Daß er den
Lauf der Sterne mißt, während wir im Einmaleins stecken geblieben sind? Die
Menschen sollen gleich sein, der Adel widerstrebt freilich dieser Gleichheit, aber
das ist nicht seine Schuld; er ist als Feind der Gleichheit geboren, und sein Tod
führt das unfreiwillige Verbrechen an der Majestät der souveränen Lumperei.
Von dieser Bourgeoisie aber ist es mehr als Frevel, es ist Verrath! Wenn


kann, du verstehst dich selber nicht, und noch weniger deinen Herrn und Meister,
selbst als Theolog bist dn keinen Schuß Pulver werth! — Also in einem Staat,
in dem die Gottseligen das große Wort führen, wird die Bourgeoisie — der In¬
begriff der Arbesit nach einem bewußten irdischen Zweck und des gesetzlichen Wissens,
die keine Schen hat vor dem Unbekannten und keine Ehrfurcht vor der Tradition
— als der wahre Quell der Revolution bezeichnet werden, und man wird sie
brandmarken als die Canaille, welche vergessen hat, daß sie Ca-
naille ist.

Endlich ein dritter Ehrenmann, diesmal ein Wühler, ein biedrer Sohn des
Volks mit zottiger Hochbrust und hohlen Phrasen, die er aus einem beliebigen
Katechismus memorirt hat, oder ein zarter lyrischer Mondscheinpoet, der die Entwicke¬
lung der Menschheit dadurch fördert, daß er die Eichen mit grünen Fragezeichen
der Freiheit vergleicht, daß er in der Freiheit eine Sonne sieht, in dem Barrikaden¬
kampf einen Frühling wittert, in der Katzenmusik eine Lerche hört, wo seine Ju-
lia noch von Nachtigallen schwärmt, daß er endlich eine Reihe brennender Hänser
zu einer Morgenröthe combinirt. Sein Haß gegen das Königthum und den Adel
ist bedingt, denn er kennt eine Grenze, und er schließt Anerkennung ein. Eine
Grenze, denn er kann mit leichter Mühe sagen: hebt den Adel ans, wie in
Dessau, verbietet bei Todesstrafe sich Herr „von" zu nennen, oder noch besser,
guillotinirt sämmtliche Edelleute, so ist die Frage gelöst. Freilich würde das Beil
viel zu thun haben, aber zuletzt ist es doch möglich, daß die gesammte Race ver¬
nichtet ist, wie die Kiuder von Bethlehem zu den Zeiten des Herodes. Aber die
Bourgeoisie! Setzt die Guillotine aus ein Jahrhundert in Bewegung, köpfe Alles,
was nur im entferntesten im Verdacht der Bourgeoisie steht, und wenn ihr fertig
seid, wird die Bourgeoisie eben so stark sein, als da ihr ansinge! — Denn der
Adel ist eine wirkliche Classe, eure Bourgeoisie nur eine Abstraction. Abstractionen
aber löst man dnrch's Köpfen nicht auf.

Der Adel wird gehaßt, aber mit gegenseitiger Anerkennung. Er ist von
anderer, böser Race, aber er ist von Race, er hat das Recht, ein Feind des
„Volks" zu sein; er ist, was er ist, indem er ist. Der Adel hetzt seine „ver-
thierten Söldlinge" ans das „Volt", das ist eine Anerkennung, er wirft die
Freiheitsmänner in's Gefängniß, oder schlachtet sie — das ist ein Kompliment.
Aber was ist dieser Bourgeois? Ist er von andern: Blut, als wir, daß er im Wagen
fährt, währeud wir zu Fuße gehn? Daß er Lateinisch und Französisch versteht,
während wir uns mit Mühe in unserer Muttersprache ausdrücken? Daß er den
Lauf der Sterne mißt, während wir im Einmaleins stecken geblieben sind? Die
Menschen sollen gleich sein, der Adel widerstrebt freilich dieser Gleichheit, aber
das ist nicht seine Schuld; er ist als Feind der Gleichheit geboren, und sein Tod
führt das unfreiwillige Verbrechen an der Majestät der souveränen Lumperei.
Von dieser Bourgeoisie aber ist es mehr als Frevel, es ist Verrath! Wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/287>, abgerufen am 15.01.2025.