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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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machtgierige Soldaten liefern die Berichte, aus welchen der Minister alles, nur nicht
das Wahre, Nichtige zu entnehmen vermag.

Wir leben in einer traurigen sterilen Periode; viel Resignation und Bürgertugend
gehört dazu, in solchen Tagen die Verhältnisse kalt und unparteiisch zu beurtheilen.

Wir hassen das Ministerium Schwarzenberg in seiner Totalität aus vollem Her¬
zen, aber wir achten den Eiuzelminister Bach. Einen ehrlichen Mann wird
die Revolution, diese blutig schreckliche doch geboren haben zur
Sicherung ihrer Existenz? --


Ä. ZU.

Bemerkung der Redaktion. Wir drucken dies Urtheil eines hochgeachteten
Patrioten bereitwillig ab, nicht ohne ein gewisses Erstaunen. Daß es sich in Allem
als wahr ausweisen möge, wünschen wir von ganzem Herzen, daß es nicht ohne Grund
grade jetzt kommt, davon werden unsere Leser überzeugt sein. Es geht Etwas vor in
der obern Luft; mir die Götter wissen, ob dieser Aufsatz ein Sturmvogel, eins von
Mutter Karey's Küchlein ist, welches böses Unwetter für Oestreich anzeigt, oder eine
weiße Möve, die helleren Himmel und den langersehnten Sonnenschein prophezeiht.




Gesuch. -- M die preußische Gesandtschaft in Wien.
(Aus Wien.)

Im Auftrage eines zahlreichen Kreises achtungswerther, theils preußischer, theils östrei¬
chischer Staatsbürger richte ich die nachfolgenden Zeilen an die preußische Gesandtschaft
in Wien und die preußische Regierung in Berlin, um ihre kräftigste Verwendung für
einen unbescholtenen jungen Mann ans Breslau anzurufen, den ein sogenanntes kriegs-
rcchtlichcs Urtheil der Preßburger Militärbehörde gegen Recht, Billigkeit und gesunden
Menschenverstand verdammt hat, seine schönsten Jugendjahre im östreichischen Kerker zu
verliere". Die Wiener Militärbehörde hat seit dem 1. Januar !84N bis jetzt 1<U!>
Urtclssprüche gefällt, darunter viele hundert grausame und willkürliche, doch hat kaum einer
so allgemeine und tiefe Entrüstung hervorgerufen, wie die Preßburger Verurtheilung
Theodor Brand's, weil diese noch mehr als die Freiheit des Wortes und der Presse,
nämlich die Freiheit der Privatcorresvoudcnz in Frage stellt. Ich werde die harte
Strafe und das angebliche Verbrechen des jungen Mannes gegen einander abwägen,
muß jedoch um Entschuldigung bitten, wenn ich dabei nicht immer den Ernst und die
Würde behaupten kann, welche einem ordentlichen Gerichte gegenüber am Platze ist.
Wenn die Themis von Sinnen kommt, so wird die Schneide ihres Schwertes doppeltem
Schrecken einflößen, größere Achtung vor ihren Aussprüchen aber wird sie daraus si"
nicht verlangen können. ,e

"Theodor Brand, 2 t Jahre alt, Schriftsetzer, aus Breslau," erhielt für einig
Privatbricfe an seinen Vater vom Preßburger Militär-Gericht ein Honorar von
fü uf Jahren Schanzarbeit in leichten Eise n. Brand pflegte von Preßburg
aus seinem Vater in Preußisch - Schlesien neben seinen Privaterlebnissen auch
interessantesten Ereignisse des ungarischen Krieges mitzutheilen; der Alte trug


machtgierige Soldaten liefern die Berichte, aus welchen der Minister alles, nur nicht
das Wahre, Nichtige zu entnehmen vermag.

Wir leben in einer traurigen sterilen Periode; viel Resignation und Bürgertugend
gehört dazu, in solchen Tagen die Verhältnisse kalt und unparteiisch zu beurtheilen.

Wir hassen das Ministerium Schwarzenberg in seiner Totalität aus vollem Her¬
zen, aber wir achten den Eiuzelminister Bach. Einen ehrlichen Mann wird
die Revolution, diese blutig schreckliche doch geboren haben zur
Sicherung ihrer Existenz? —


Ä. ZU.

Bemerkung der Redaktion. Wir drucken dies Urtheil eines hochgeachteten
Patrioten bereitwillig ab, nicht ohne ein gewisses Erstaunen. Daß es sich in Allem
als wahr ausweisen möge, wünschen wir von ganzem Herzen, daß es nicht ohne Grund
grade jetzt kommt, davon werden unsere Leser überzeugt sein. Es geht Etwas vor in
der obern Luft; mir die Götter wissen, ob dieser Aufsatz ein Sturmvogel, eins von
Mutter Karey's Küchlein ist, welches böses Unwetter für Oestreich anzeigt, oder eine
weiße Möve, die helleren Himmel und den langersehnten Sonnenschein prophezeiht.




Gesuch. — M die preußische Gesandtschaft in Wien.
(Aus Wien.)

Im Auftrage eines zahlreichen Kreises achtungswerther, theils preußischer, theils östrei¬
chischer Staatsbürger richte ich die nachfolgenden Zeilen an die preußische Gesandtschaft
in Wien und die preußische Regierung in Berlin, um ihre kräftigste Verwendung für
einen unbescholtenen jungen Mann ans Breslau anzurufen, den ein sogenanntes kriegs-
rcchtlichcs Urtheil der Preßburger Militärbehörde gegen Recht, Billigkeit und gesunden
Menschenverstand verdammt hat, seine schönsten Jugendjahre im östreichischen Kerker zu
verliere». Die Wiener Militärbehörde hat seit dem 1. Januar !84N bis jetzt 1<U!>
Urtclssprüche gefällt, darunter viele hundert grausame und willkürliche, doch hat kaum einer
so allgemeine und tiefe Entrüstung hervorgerufen, wie die Preßburger Verurtheilung
Theodor Brand's, weil diese noch mehr als die Freiheit des Wortes und der Presse,
nämlich die Freiheit der Privatcorresvoudcnz in Frage stellt. Ich werde die harte
Strafe und das angebliche Verbrechen des jungen Mannes gegen einander abwägen,
muß jedoch um Entschuldigung bitten, wenn ich dabei nicht immer den Ernst und die
Würde behaupten kann, welche einem ordentlichen Gerichte gegenüber am Platze ist.
Wenn die Themis von Sinnen kommt, so wird die Schneide ihres Schwertes doppeltem
Schrecken einflößen, größere Achtung vor ihren Aussprüchen aber wird sie daraus si»
nicht verlangen können. ,e

„Theodor Brand, 2 t Jahre alt, Schriftsetzer, aus Breslau," erhielt für einig
Privatbricfe an seinen Vater vom Preßburger Militär-Gericht ein Honorar von
fü uf Jahren Schanzarbeit in leichten Eise n. Brand pflegte von Preßburg
aus seinem Vater in Preußisch - Schlesien neben seinen Privaterlebnissen auch
interessantesten Ereignisse des ungarischen Krieges mitzutheilen; der Alte trug


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/281>, abgerufen am 15.01.2025.