Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Wir kennen ihn aus einer Zeit, wo er in bürgerlicher Sphäre sich bewegte, nicht Es gibt Stadien der Revolution, welche dem echten staatsmännischen Charakter Wir kennen Moralisten jenes unpraktischen Schlages aus eigener Anschauung, sie Als die faulen Zustände Deutschlands, Italiens und Oestreichs zusammensanken, 35*
Wir kennen ihn aus einer Zeit, wo er in bürgerlicher Sphäre sich bewegte, nicht Es gibt Stadien der Revolution, welche dem echten staatsmännischen Charakter Wir kennen Moralisten jenes unpraktischen Schlages aus eigener Anschauung, sie Als die faulen Zustände Deutschlands, Italiens und Oestreichs zusammensanken, 35*
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Wir kennen ihn aus einer Zeit, wo er in bürgerlicher Sphäre sich bewegte, nicht
träumend, daß ihn die Welle der Zeit zu solcher Hohe tragen werde. Bach ist zu
tief ergrimmt gewesen, aus innigster Ueberzeugung gegen die vormärzlichen Zustände
der östreichischen Impotenz, um mit den Genossen jenes corrupten Systems ein Bünd¬
nis? schließen zu können, im Nückschrittssinne; er ist genial und schöpferisch und von deu
Ideen moderner Staatsansicht imprägnirt, unfähig, anders als im Sinne des Fort¬
schrittes zu handeln und zu denken; er war gleich im Beginne der Bewegung kalt be¬
rechnend, und besonnen, mancher ältere reifere Mann hat sich vom Sturme fortreißen
lassen; er verlor sein Steuer nie aus dem festen Auge; Bach war im Volke während
des Beginnes der Bewegung und hat da seine Studien gemacht, hat erkannt, was
wirklich des Volkes, was des fremden Eindringlings, des unpraktischen Schwärmers
Antheil war an der Bewegung.
Es gibt Stadien der Revolution, welche dem echten staatsmännischen Charakter
die Pflicht auflegen, sich dem Sturme zu beugen, mit dem Strome zu schwimmen, um
das Steuer nicht andern ungeschickten Händen zu überlassen, um das Fahrzeug in dia¬
gonaler Richtung dennoch ein's sichere Land zu geleiten. Mögen überspannte Moralisten
immerhin über Unlciuterkcit schreien, und die politische Moral über alles stellen, Moral
ohne Klugheit wird im Staatsleben nie wirken und schaffen.
Wir kennen Moralisten jenes unpraktischen Schlages aus eigener Anschauung, sie
machten Politik in aristokratischen Theesalons und als es zum Handeln kam, als eben
sie entscheidend, mildernd, vermittelnd auftreten sollten,-liefen sie davon, machten EhoruS
mit den Kanonen, und verbargen sich hinter die Schloßgitter des Hradschins. Wir
meinen die böhmische Aristokratie. Aus dem SicherhcitSausschusse in den Reichstag
und unmittelbar darauf in das Ministerium der Justiz gehoben, hat Bach Energie,
Muth, parlamentarischen Takt und ein organisirend schöpferisches Talent entwickelt, wel¬
chem, wir gestehen es unverholen, obgleich mit Beschämung, ein zweites in Oestreich
noch nicht an die Seite getreten ist; rasches Erkennen der Kapacitäten, um sie sich
beizugesellen, zeichnet Bach ebenfalls aus, uur wünschten wir ihm anch die Gabe, den
servilen Verräther der guten Sache in seiner Umgebung rasch zu erkennen.
Als die faulen Zustände Deutschlands, Italiens und Oestreichs zusammensanken,
sanken sie leider in ganz unproduktives Gerölle, in öden Schutt, in Deutschland, wie
in Oestreich wuchs gar schnell böses Unkraut, Distel und Nessel üppig darüber und gab
dem Ganzen den Anschein der vollkommenen Ruine. Oestreich hat nur ein Talent ge¬
zeugt, das sich zu halten verstand auf den Trümmern mit Geschick, das den Plan zum
großen Neubau der Ruine dennoch nicht aus dem Auge Verlor, das, um den schönen
Plan zu retten, momentan auf die zweifelhafte Glorie der Popularität zu verzichten
den Muth hatte, und dieses Talent ist Bach. Wir begrüßen in Bach das allein Übrig¬
gebliebene der ephemeren Errungenschaften der letzten Sturm- und Drangperiode. Wie
Paris, das im Februar 1848 der socialistischen Idee der Ouvriers preisgegebene, sich
durch Albert Ouvricr in der provisorischen Regierung gesichert glaubte, so ist Bach,
als Repräsentant des Bürgerthums, als Kind der Revolution unser einziger Hoffnungs¬
anker in dem zweifelhaften Untergrunde des Ministeriums. Wir halten fest an ihm,
weil wir ihn kennen, wir geben nicht alle Hoffnung auf, so lange Bach nicht aus dem
Ministerium scheidet; scheidet Bach aus, dann erst wird es vollkommen Nacht in Oest¬
reich, wenn er auch jetzt uur mit der Sicherheitslampe Dcwy's in den finstern Schach¬
ten heutigen Treibens nach der dünnen Silberader constitutionellen Prinzipes gräbt.
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