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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Eorrefpond"mz<in und Notizen.



Ein Urtheil über den t. k. Ltaatsminister Älemnder ?5ach.
(Aus Prag.)

Wir fanden in Ur. 30. dieser Blätter einen Aufsatz der Redaction, welcher die
östreichischen Zustände mit kritischer Schärft, leider richtig, beurtheilt, und nachweiset,
die östreichische Regierung, worunter nach constitutionellen Prinzipien nur das Mini¬
sterium verstanden werden kann, sei eine Regierung der Minorität. -- Wir müssen
das zugeben; dennoch aber können wir nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen,
daß der Constitutionalismus in Oestreich sich in höherer Region besonders noch lange nicht
Bahn gebrochen hat, daß die Verantwortlichkeit nicht auf dem Ministerium allein ruht,
daß dies manchem verderblichen Einflüsse ausgesetzt ist, dessen Träger und Leitkette viel¬
leicht blos ein Mitglied des Ministeriums sein mag.

Kennen wir den Jntervcntionsvcrtrag mit Rußland und seine Stipulationen?
Vermögen wir zu errathen, ob russische Intervention nicht auch die Ministcrentschlüsse
bestimme? Vielfältig, oft mit Recht, ist Stadion getadelt worden; er war kein parla¬
mentarisch constitutioneller Münster, aber er war, wir rufen es ihm nach in seine
Gruft des Irrsinns, er war ein ehrlicher Bureaukrat, er ahnte, was man Oestreichs
Ehre schuldig sei. Wäre Stadion'S Ansicht bei rechter Zeit durchgedrungen, so
war die Möglichkeit geboten, jener entsetzlichen Kalamität der russischen Intervention
zuvorzukommen. Als endlich der Wechsel im Militärkommando selbst dem Chcfpräsiden-
tcn unerläßlich schien, da freilich war es zu spät, Oestreich durch eigene Kräfte auf¬
recht zu halten; die Armee war entmuthigt, erbittert, die Völker waren durch die
ReichstagSauflösuug schwierig, eine Appellation an diese Völker vielleicht bedenklich.

In diesem Krankhcitöstadium der Diskrasic, griff man zum äußersten Mittel jener
Intervention, welche die Beendigung der ungarischen Erhebung zwar mit Gewißheit
verbürgend, die fernere Selbständigkeit und Selbstentschlicßung Oestreichs bedenklich in
Zweifel setzte.

Stadion ist wahnsinnig geworden durch diese traurige Heilmethode, und wir achten
den in Nacht des Irrsinns versunkenen Manu, wir kennen, seit wir ihn verloren, sei°
man Werth.

Indem wir uns vorbehalten, die einzelnen Persönlichkeiten des heutigen Ministeri¬
ums zu charakterisiren, und dadurch zu beweisen, daß die Majorität desselben vielleicht
besseres zu wollen, und durchzuführen vermochte, wäre die Gesammtheit nicht selber
mehr oder weniger uuter dem allgewaltigen Einflüsse Martis, -- müssen wir vor allem
den Minister Alexander Bach als den Mann hervorheben, an welchem wir, allen ge¬
rechten Klagen über das Gcscimmtministcrium und seine Thaten zum Trotze, unsere
Zukunftshossnuugen knüpfen, welchem wir noch immer vertrauen, welchem,wir unsere
Achtung auch heute nicht versagen, mag man bei oberflächlicher Ansicht der Dinge im¬
merhin Vorwurf aus Vorwurf gegen ihn häufen.


Eorrefpond«mz<in und Notizen.



Ein Urtheil über den t. k. Ltaatsminister Älemnder ?5ach.
(Aus Prag.)

Wir fanden in Ur. 30. dieser Blätter einen Aufsatz der Redaction, welcher die
östreichischen Zustände mit kritischer Schärft, leider richtig, beurtheilt, und nachweiset,
die östreichische Regierung, worunter nach constitutionellen Prinzipien nur das Mini¬
sterium verstanden werden kann, sei eine Regierung der Minorität. — Wir müssen
das zugeben; dennoch aber können wir nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen,
daß der Constitutionalismus in Oestreich sich in höherer Region besonders noch lange nicht
Bahn gebrochen hat, daß die Verantwortlichkeit nicht auf dem Ministerium allein ruht,
daß dies manchem verderblichen Einflüsse ausgesetzt ist, dessen Träger und Leitkette viel¬
leicht blos ein Mitglied des Ministeriums sein mag.

Kennen wir den Jntervcntionsvcrtrag mit Rußland und seine Stipulationen?
Vermögen wir zu errathen, ob russische Intervention nicht auch die Ministcrentschlüsse
bestimme? Vielfältig, oft mit Recht, ist Stadion getadelt worden; er war kein parla¬
mentarisch constitutioneller Münster, aber er war, wir rufen es ihm nach in seine
Gruft des Irrsinns, er war ein ehrlicher Bureaukrat, er ahnte, was man Oestreichs
Ehre schuldig sei. Wäre Stadion'S Ansicht bei rechter Zeit durchgedrungen, so
war die Möglichkeit geboten, jener entsetzlichen Kalamität der russischen Intervention
zuvorzukommen. Als endlich der Wechsel im Militärkommando selbst dem Chcfpräsiden-
tcn unerläßlich schien, da freilich war es zu spät, Oestreich durch eigene Kräfte auf¬
recht zu halten; die Armee war entmuthigt, erbittert, die Völker waren durch die
ReichstagSauflösuug schwierig, eine Appellation an diese Völker vielleicht bedenklich.

In diesem Krankhcitöstadium der Diskrasic, griff man zum äußersten Mittel jener
Intervention, welche die Beendigung der ungarischen Erhebung zwar mit Gewißheit
verbürgend, die fernere Selbständigkeit und Selbstentschlicßung Oestreichs bedenklich in
Zweifel setzte.

Stadion ist wahnsinnig geworden durch diese traurige Heilmethode, und wir achten
den in Nacht des Irrsinns versunkenen Manu, wir kennen, seit wir ihn verloren, sei°
man Werth.

Indem wir uns vorbehalten, die einzelnen Persönlichkeiten des heutigen Ministeri¬
ums zu charakterisiren, und dadurch zu beweisen, daß die Majorität desselben vielleicht
besseres zu wollen, und durchzuführen vermochte, wäre die Gesammtheit nicht selber
mehr oder weniger uuter dem allgewaltigen Einflüsse Martis, — müssen wir vor allem
den Minister Alexander Bach als den Mann hervorheben, an welchem wir, allen ge¬
rechten Klagen über das Gcscimmtministcrium und seine Thaten zum Trotze, unsere
Zukunftshossnuugen knüpfen, welchem wir noch immer vertrauen, welchem,wir unsere
Achtung auch heute nicht versagen, mag man bei oberflächlicher Ansicht der Dinge im¬
merhin Vorwurf aus Vorwurf gegen ihn häufen.


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[0277] Eorrefpond«mz<in und Notizen. Ein Urtheil über den t. k. Ltaatsminister Älemnder ?5ach. (Aus Prag.) Wir fanden in Ur. 30. dieser Blätter einen Aufsatz der Redaction, welcher die östreichischen Zustände mit kritischer Schärft, leider richtig, beurtheilt, und nachweiset, die östreichische Regierung, worunter nach constitutionellen Prinzipien nur das Mini¬ sterium verstanden werden kann, sei eine Regierung der Minorität. — Wir müssen das zugeben; dennoch aber können wir nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, daß der Constitutionalismus in Oestreich sich in höherer Region besonders noch lange nicht Bahn gebrochen hat, daß die Verantwortlichkeit nicht auf dem Ministerium allein ruht, daß dies manchem verderblichen Einflüsse ausgesetzt ist, dessen Träger und Leitkette viel¬ leicht blos ein Mitglied des Ministeriums sein mag. Kennen wir den Jntervcntionsvcrtrag mit Rußland und seine Stipulationen? Vermögen wir zu errathen, ob russische Intervention nicht auch die Ministcrentschlüsse bestimme? Vielfältig, oft mit Recht, ist Stadion getadelt worden; er war kein parla¬ mentarisch constitutioneller Münster, aber er war, wir rufen es ihm nach in seine Gruft des Irrsinns, er war ein ehrlicher Bureaukrat, er ahnte, was man Oestreichs Ehre schuldig sei. Wäre Stadion'S Ansicht bei rechter Zeit durchgedrungen, so war die Möglichkeit geboten, jener entsetzlichen Kalamität der russischen Intervention zuvorzukommen. Als endlich der Wechsel im Militärkommando selbst dem Chcfpräsiden- tcn unerläßlich schien, da freilich war es zu spät, Oestreich durch eigene Kräfte auf¬ recht zu halten; die Armee war entmuthigt, erbittert, die Völker waren durch die ReichstagSauflösuug schwierig, eine Appellation an diese Völker vielleicht bedenklich. In diesem Krankhcitöstadium der Diskrasic, griff man zum äußersten Mittel jener Intervention, welche die Beendigung der ungarischen Erhebung zwar mit Gewißheit verbürgend, die fernere Selbständigkeit und Selbstentschlicßung Oestreichs bedenklich in Zweifel setzte. Stadion ist wahnsinnig geworden durch diese traurige Heilmethode, und wir achten den in Nacht des Irrsinns versunkenen Manu, wir kennen, seit wir ihn verloren, sei° man Werth. Indem wir uns vorbehalten, die einzelnen Persönlichkeiten des heutigen Ministeri¬ ums zu charakterisiren, und dadurch zu beweisen, daß die Majorität desselben vielleicht besseres zu wollen, und durchzuführen vermochte, wäre die Gesammtheit nicht selber mehr oder weniger uuter dem allgewaltigen Einflüsse Martis, — müssen wir vor allem den Minister Alexander Bach als den Mann hervorheben, an welchem wir, allen ge¬ rechten Klagen über das Gcscimmtministcrium und seine Thaten zum Trotze, unsere Zukunftshossnuugen knüpfen, welchem wir noch immer vertrauen, welchem,wir unsere Achtung auch heute nicht versagen, mag man bei oberflächlicher Ansicht der Dinge im¬ merhin Vorwurf aus Vorwurf gegen ihn häufen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/277>, abgerufen am 15.01.2025.