Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.erreicht haben, sind zum gemeinen Soldatenstande verpflichtet. Ausgenommen Der erste Ausnahmsfall beruht auf dem Umstände, daß in Polen und Ru߬ Ferner befreit das Gesetz die Ehegatten, welche Kinder haben. Natürlich erreicht haben, sind zum gemeinen Soldatenstande verpflichtet. Ausgenommen Der erste Ausnahmsfall beruht auf dem Umstände, daß in Polen und Ru߬ Ferner befreit das Gesetz die Ehegatten, welche Kinder haben. Natürlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279821"/> <p xml:id="ID_953" prev="#ID_952"> erreicht haben, sind zum gemeinen Soldatenstande verpflichtet. Ausgenommen<lb/> werden die „einzigen Söhne," „ein" Sohn in jeder Familie, und Personen,<lb/> welche bereits einen Ehestand begründet haben und wenigstens ein lebendiges Kind<lb/> besitzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_954"> Der erste Ausnahmsfall beruht auf dem Umstände, daß in Polen und Ru߬<lb/> land eine männliche Person einer ländlichen Wirthschaft nicht vorstehen kann.<lb/> Zwei sind nothwendig, da die eine fast fortwährend im unentgeltliche» Dienste<lb/> des Grundherrn beschäftigt ist. Hat der Bauer keinen Sohn, so muß er einen<lb/> Knecht halten; besitzt er einen Sohn, so vertritt er die Stelle des Knechtes, und<lb/> derselbe wird von Seiten der Regierung für ein so unentbehrliches Mitglied der<lb/> bäurischen Familie gehalten, daß er nicht zum Militärdienst gezogen werden<lb/> darf. — Sind in einer Familie mehrere Söhne vorhanden, so hat der Vater das<lb/> Recht, denjenigen zu wählen, welcher frei sein und bei ihm bleiben soll. Diese<lb/> Wahl wird wunderlicher Weise bei den Bauern die „Wahl des älterlichen<lb/> Vormundes" genannt, und unter dem Titel „väterlicher Vormund" er¬<lb/> hält der Bursche seiue Freilassung. Die Bauern in Rußland werden nämlich sehr<lb/> schnell unbrauchbar zur Arbeit; zu große Kraftanspannnng in der Jugend und<lb/> übermäßiger Branntweingenuß mögen Schuld sein. Ju dem fünften Jahrzehend<lb/> seines Lebens ist der Bauer gewöhnlich kraftlos und mir noch zu kleinen Verrich¬<lb/> tungen in Hütte und Stall tüchtig. Sobald er die Hauptarbeit nicht mehr be¬<lb/> sorgen kann, betrachtet er sich nicht mehr als das Oberhaupt der Familie und<lb/> Wirthschaft und gibt einem seiner Söhne diese Würde. Diesen nennt er seinen<lb/> Vormund (l)ni<!kann). Diese Pietät, mit welcher der Sohn den ihm in solchem<lb/> Verhältniß untergeordneten Vater zu behandeln pflegt, ist oft sehr rührend und<lb/> liebenswürdig.</p><lb/> <p xml:id="ID_955" next="#ID_956"> Ferner befreit das Gesetz die Ehegatten, welche Kinder haben. Natürlich<lb/> wünscht jeder Bauerbursche, um vom Militärdienst frei zu bleiben, Gatte und Va¬<lb/> ter zu sein. Daher werden Ehebündnisse sehr frühzeitig geschlossen. Oft schon<lb/> mit achtzehn Jahren. In den nächsten zwei Jahren hofft er denn Vater zu wer¬<lb/> den, und das ist das Höchste, um was sein angsterfülltes Herz seinen lieben Gott an¬<lb/> sieht. Noch lieber aber stellt sich der Bauer gleich bei der Heirath vor allen Tücken<lb/> des Zufalls sicher. Daher siud Wittwen, welche einige Kinder besitzen, ganz vor¬<lb/> züglich beliebt, sie können fest versichert sein, ,in der Jahreszeit der Conscription,<lb/> und noch gewisser vor der zu erwartenden Rekrutirung mit Leidenschaft auf's Neue<lb/> an den Altar geführt zu werden. Oft sieht man achtzehnjährige Knaben sich Frauen<lb/> als Gattinnen heimfahren, welche Söhne haben, die ebenfalls nach Wittwen her-<lb/> umsuchen. In einem Dorfe bei der Fabrikstadt Nowe-Miasto kam durch solche<lb/> Heirath ein ganz seltsames Verhältniß zu Stande. Zwei zwanzigjährige Bauern<lb/> nämlich verabredeten sich gegenseitig ihre Mütter zu freien, welche beide kinder¬<lb/> reiche Mütter warm. Der eine, welcher Maczek hieß, heirathete die Mutter des</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0273]
erreicht haben, sind zum gemeinen Soldatenstande verpflichtet. Ausgenommen
werden die „einzigen Söhne," „ein" Sohn in jeder Familie, und Personen,
welche bereits einen Ehestand begründet haben und wenigstens ein lebendiges Kind
besitzen.
Der erste Ausnahmsfall beruht auf dem Umstände, daß in Polen und Ru߬
land eine männliche Person einer ländlichen Wirthschaft nicht vorstehen kann.
Zwei sind nothwendig, da die eine fast fortwährend im unentgeltliche» Dienste
des Grundherrn beschäftigt ist. Hat der Bauer keinen Sohn, so muß er einen
Knecht halten; besitzt er einen Sohn, so vertritt er die Stelle des Knechtes, und
derselbe wird von Seiten der Regierung für ein so unentbehrliches Mitglied der
bäurischen Familie gehalten, daß er nicht zum Militärdienst gezogen werden
darf. — Sind in einer Familie mehrere Söhne vorhanden, so hat der Vater das
Recht, denjenigen zu wählen, welcher frei sein und bei ihm bleiben soll. Diese
Wahl wird wunderlicher Weise bei den Bauern die „Wahl des älterlichen
Vormundes" genannt, und unter dem Titel „väterlicher Vormund" er¬
hält der Bursche seiue Freilassung. Die Bauern in Rußland werden nämlich sehr
schnell unbrauchbar zur Arbeit; zu große Kraftanspannnng in der Jugend und
übermäßiger Branntweingenuß mögen Schuld sein. Ju dem fünften Jahrzehend
seines Lebens ist der Bauer gewöhnlich kraftlos und mir noch zu kleinen Verrich¬
tungen in Hütte und Stall tüchtig. Sobald er die Hauptarbeit nicht mehr be¬
sorgen kann, betrachtet er sich nicht mehr als das Oberhaupt der Familie und
Wirthschaft und gibt einem seiner Söhne diese Würde. Diesen nennt er seinen
Vormund (l)ni<!kann). Diese Pietät, mit welcher der Sohn den ihm in solchem
Verhältniß untergeordneten Vater zu behandeln pflegt, ist oft sehr rührend und
liebenswürdig.
Ferner befreit das Gesetz die Ehegatten, welche Kinder haben. Natürlich
wünscht jeder Bauerbursche, um vom Militärdienst frei zu bleiben, Gatte und Va¬
ter zu sein. Daher werden Ehebündnisse sehr frühzeitig geschlossen. Oft schon
mit achtzehn Jahren. In den nächsten zwei Jahren hofft er denn Vater zu wer¬
den, und das ist das Höchste, um was sein angsterfülltes Herz seinen lieben Gott an¬
sieht. Noch lieber aber stellt sich der Bauer gleich bei der Heirath vor allen Tücken
des Zufalls sicher. Daher siud Wittwen, welche einige Kinder besitzen, ganz vor¬
züglich beliebt, sie können fest versichert sein, ,in der Jahreszeit der Conscription,
und noch gewisser vor der zu erwartenden Rekrutirung mit Leidenschaft auf's Neue
an den Altar geführt zu werden. Oft sieht man achtzehnjährige Knaben sich Frauen
als Gattinnen heimfahren, welche Söhne haben, die ebenfalls nach Wittwen her-
umsuchen. In einem Dorfe bei der Fabrikstadt Nowe-Miasto kam durch solche
Heirath ein ganz seltsames Verhältniß zu Stande. Zwei zwanzigjährige Bauern
nämlich verabredeten sich gegenseitig ihre Mütter zu freien, welche beide kinder¬
reiche Mütter warm. Der eine, welcher Maczek hieß, heirathete die Mutter des
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