Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.an geheimer Sympathie, ein zarter gastlicher Aufmerksamkeit im Gebrauch des Langsam kehrte Kathi in's Haus zurück, ohne die jungen Burschen anzusehen, Die Erinnerung an diese Scene beschäftigte mich bis Wels, wo eine schwarz¬ an geheimer Sympathie, ein zarter gastlicher Aufmerksamkeit im Gebrauch des Langsam kehrte Kathi in's Haus zurück, ohne die jungen Burschen anzusehen, Die Erinnerung an diese Scene beschäftigte mich bis Wels, wo eine schwarz¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279819"/> <p xml:id="ID_945" prev="#ID_944"> an geheimer Sympathie, ein zarter gastlicher Aufmerksamkeit im Gebrauch des<lb/> eine» magyarischen Wortes lag, und klatschte freudig seinem Roß auf den Rücken<lb/> und das Rößlein, mehr berauscht vom wohlbekannten Klang des Eljen als von<lb/> dem Schluck rothen Ungarwcins, hob den Kopf auf, schüttelte die Mähne und<lb/> wieherte dreimal in schmetternd widerhallenden Tönen, — dann setzte sich der<lb/> Zug in Bewegung.</p><lb/> <p xml:id="ID_946"> Langsam kehrte Kathi in's Haus zurück, ohne die jungen Burschen anzusehen,<lb/> deren Toast ihr gegolten hatte, und band sich die Schleifen des schwarzseidenen<lb/> oberöstreichischen Kopftuches zurecht, obwohl sie richtig geknüpft waren und nach<lb/> Gebühr über die linke Schulter niedcrflattertcn, aber denke ich an die Thränen,<lb/> die in ihren großen schwimmenden blauen Augen hingen und an den tiefen kindlichen<lb/> Schmerzenszug, der ihren schwellenden Mund halb geöffnet hatte und die vollen<lb/> Lippe» beben machte, so rufe ich immer noch Eljen Kathi! Nein, nicht blos Eljen,<lb/> sondern Eviva, Zivio, Hoch! In allen zehn Sprachen, die der zweiköpfige kaiser¬<lb/> liche Adler spricht, vor Allem aber auf Deutsch, möge Kathi leben und alle<lb/> Mädchen, die ihr gleichen. Es gibt ihrer, gottlob, viele in Ober-und Unteröstreich!</p><lb/> <p xml:id="ID_947"> Die Erinnerung an diese Scene beschäftigte mich bis Wels, wo eine schwarz¬<lb/> gelbe Bauerfrau sich zu mir ius Coupv setzte und meinen Gedanken eine andere<lb/> Richtung gab. Ihr Kopf war buchstäblich schwarzgelb, sie trug nämlich, wie<lb/> Kathi, das oberöstreichische Turbantnch und aus ihrem Gesichte sprach die Gelb¬<lb/> sucht. — Gelobt sei Jesus Christus! war ihr Gruß beim Einsteigen. — Bald<lb/> sollte ich mich überzeugen, daß auch ihr Herz die Farbe ihres Kopfes hatte, denn<lb/> das Gespräch führte uus auf die Eisenbahn und die „ueiche" (neue) Freiheit.<lb/> Die Pferdeeisenbahu ist ein Zwitterding, welches die Gleichmäßigkeit des Schrit¬<lb/> tes nud das eintönige Gerassel des Dampfwagens mit der Schnelligkeit eines<lb/> besonnenen Postwagens vereinigt. Sie scheint nur zur Bequemlichkeit von Zug-<lb/> thiercn erfunden, welche auf der Schiene die schwersten Lasten mit Leichtigkeit<lb/> schleppen. Auch sehen alle Pferde, die auf dieser Bahn zwischen Budweis<lb/> und Gmunden angestellt sind, fett und glatt wie die Domherrn ans. Ich ließ<lb/> eine Bemerkung der Art fallen. — Für uns Oberöstreicher, antwortete die<lb/> Fran, ist die Bahn geschwind genug. Wir haben Nichts zu versäumen, wir<lb/> können uus Zeit lassen. Mit dem Dampf t'ntschirt ohnedies nnr alle Frvmmhcit<lb/> und Gottesfurcht aus dem Land. Und darauf begann sie über die „ueiche Frei¬<lb/> heit" zu jammern und über die „ueiche Religion" (den Deutschkatholicismus), »ut<lb/> schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als ich sie versicherte, daß der Kaiser<lb/> Jeden, der da wolle, ungestraft zur neuen Religion übergehen lasse! — Keine<lb/> Religion ist mehr, Niemand hält auf seine» Stand, und die Welt steht noch!<lb/> rief sie verwundert, mit gefalteten Händen, und blickte zu den Wolken über dem<lb/> Lambacher Klosterwalde aus, ob sie nicht etwas Pech und Schwefel vorräthig<lb/> hätten. —</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271]
an geheimer Sympathie, ein zarter gastlicher Aufmerksamkeit im Gebrauch des
eine» magyarischen Wortes lag, und klatschte freudig seinem Roß auf den Rücken
und das Rößlein, mehr berauscht vom wohlbekannten Klang des Eljen als von
dem Schluck rothen Ungarwcins, hob den Kopf auf, schüttelte die Mähne und
wieherte dreimal in schmetternd widerhallenden Tönen, — dann setzte sich der
Zug in Bewegung.
Langsam kehrte Kathi in's Haus zurück, ohne die jungen Burschen anzusehen,
deren Toast ihr gegolten hatte, und band sich die Schleifen des schwarzseidenen
oberöstreichischen Kopftuches zurecht, obwohl sie richtig geknüpft waren und nach
Gebühr über die linke Schulter niedcrflattertcn, aber denke ich an die Thränen,
die in ihren großen schwimmenden blauen Augen hingen und an den tiefen kindlichen
Schmerzenszug, der ihren schwellenden Mund halb geöffnet hatte und die vollen
Lippe» beben machte, so rufe ich immer noch Eljen Kathi! Nein, nicht blos Eljen,
sondern Eviva, Zivio, Hoch! In allen zehn Sprachen, die der zweiköpfige kaiser¬
liche Adler spricht, vor Allem aber auf Deutsch, möge Kathi leben und alle
Mädchen, die ihr gleichen. Es gibt ihrer, gottlob, viele in Ober-und Unteröstreich!
Die Erinnerung an diese Scene beschäftigte mich bis Wels, wo eine schwarz¬
gelbe Bauerfrau sich zu mir ius Coupv setzte und meinen Gedanken eine andere
Richtung gab. Ihr Kopf war buchstäblich schwarzgelb, sie trug nämlich, wie
Kathi, das oberöstreichische Turbantnch und aus ihrem Gesichte sprach die Gelb¬
sucht. — Gelobt sei Jesus Christus! war ihr Gruß beim Einsteigen. — Bald
sollte ich mich überzeugen, daß auch ihr Herz die Farbe ihres Kopfes hatte, denn
das Gespräch führte uus auf die Eisenbahn und die „ueiche" (neue) Freiheit.
Die Pferdeeisenbahu ist ein Zwitterding, welches die Gleichmäßigkeit des Schrit¬
tes nud das eintönige Gerassel des Dampfwagens mit der Schnelligkeit eines
besonnenen Postwagens vereinigt. Sie scheint nur zur Bequemlichkeit von Zug-
thiercn erfunden, welche auf der Schiene die schwersten Lasten mit Leichtigkeit
schleppen. Auch sehen alle Pferde, die auf dieser Bahn zwischen Budweis
und Gmunden angestellt sind, fett und glatt wie die Domherrn ans. Ich ließ
eine Bemerkung der Art fallen. — Für uns Oberöstreicher, antwortete die
Fran, ist die Bahn geschwind genug. Wir haben Nichts zu versäumen, wir
können uus Zeit lassen. Mit dem Dampf t'ntschirt ohnedies nnr alle Frvmmhcit
und Gottesfurcht aus dem Land. Und darauf begann sie über die „ueiche Frei¬
heit" zu jammern und über die „ueiche Religion" (den Deutschkatholicismus), »ut
schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als ich sie versicherte, daß der Kaiser
Jeden, der da wolle, ungestraft zur neuen Religion übergehen lasse! — Keine
Religion ist mehr, Niemand hält auf seine» Stand, und die Welt steht noch!
rief sie verwundert, mit gefalteten Händen, und blickte zu den Wolken über dem
Lambacher Klosterwalde aus, ob sie nicht etwas Pech und Schwefel vorräthig
hätten. —
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