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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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hier ganz unmöglich, Niemand hat Lust sich anzukaufen, und gar die Häuser in
den Städten, welche die große Last der Einquartirung zu tragen haben und denen
dabei die Aussicht erwächst dies noch viele Jahre thun zu müssen, sind weit über
die Hälfte im Preise gefallen. Zu allem diesen Verderben noch der Kriegszustand
der im ganzen Lande herrscht, und Gesetz und Recht aufhebt, die schauerlichen
Bluturtheile in Freiburg, Rastatt und Mannheim, die jedes menschliche Gefühl em¬
pören müssen, der l'leinliche-Polizeidruck, der sich häufig von den einheimischen Be¬
hörden, viel weniger von den preußischen Militärkommandantschasten bemerbar
macht. Ueberhaupt benehmen sich die Preußen, einzelne bramasireude Lieutenants,
die ihre politische Nahrung aus der Kreuzzeitung holen, abgerechnet, verhältni߬
mäßig sehr gut, und die gemeinen Soldaten erwerben sich durch ihre Bescheiden¬
heit und tüchtige Haltung fast allgemein gerechtes Lob. Es ist in dieser Bezie¬
hung ein merklicher Unterschied zwischen den preußischen und den hier gewesenen
mecklenburgischen, hessischen, nassanischen, würtembergischen und gar baienschen Sol¬
daten, welche Letztere sich besonders durch rohes Betragen ausgezeichnet haben.

Fährt man so fort, wie man in den letzten 6 Wochen begonnen hat, so steht
ein neuer Aufstand in sicherer Gewißheit, sobald nicht eine übermäßig starke preu¬
ßische Besatzung im Lande weilt, und das Uebel wird nur für den Augenblick
gewaltsam unterdrückt, nicht aber gründlich geheilt. Das Nothwendigste, was
für Baden geschehen muß, ist, daß seine Existenz als eigener Staat aufhöre.
Das Großherzogthmu Baden ist durch nichts dazu berechtigt, eiuen eigenen Staat
zu bilden. Es hat keine historische Vergangenheit, denn es ward größtentheils
1815 erst gebildet; es wird nicht vou gleichem Stamme bewohnt, denn der
Pfälzer, der bis nach Karlsruhe wohnt, ist von den Alemannen im Schwarzwald
und im Seekreis sehr weit verschieden, es hat keine Anhänglichkeit an seinen Re¬
genten, denn noch vor :!5 Jahren gehörte es 5--ti verschiedenen Herren, es gehört
endlich das Volk nicht derselben kirchlichen Secte an, da Katholizismus und Pro¬
testantismus bunt durch einander gemischt sind. Dagegen hat es eine ganz un¬
natürliche Länge bei einer sehr geringen Breite und an 120 Meilen Grenze gegen
zwei auswärtige, Deutschland gerade nicht übermäßig freundlich gesinnten Staaten,
bei nur iz Millionen Einwohner. Ganz Deutschland ist dabei betheiligt, daß
seine wichtigen Grenzen gegen Frankreich und die Schweiz in sicherern Händen
sind. Das Großherzogthum würde eine stattliche preußische Provinz abgeben,
und einigen Hofadel und ein paar Luxusarbeiter in Karlsruhe abgerechnet,
wurde sich Alles viel besser befinden, mau würde wenigstens einer starken,
festen und gut administrirenden Regierung angehören und die arg zerrütteten
Finanzen würden sich bessern, ohne daß neue, außerordentliche Steuern nöthig
wären. Auch das Heerwesen Badens würde leicht den Grad der Achtung sich
erwerben, den das Preußische allgemein einnimmt, während jetzt die Reorgani¬
sation desselben ans die größten Schwierigkeiten stößt. Jetzt fehlt es an Unter-


hier ganz unmöglich, Niemand hat Lust sich anzukaufen, und gar die Häuser in
den Städten, welche die große Last der Einquartirung zu tragen haben und denen
dabei die Aussicht erwächst dies noch viele Jahre thun zu müssen, sind weit über
die Hälfte im Preise gefallen. Zu allem diesen Verderben noch der Kriegszustand
der im ganzen Lande herrscht, und Gesetz und Recht aufhebt, die schauerlichen
Bluturtheile in Freiburg, Rastatt und Mannheim, die jedes menschliche Gefühl em¬
pören müssen, der l'leinliche-Polizeidruck, der sich häufig von den einheimischen Be¬
hörden, viel weniger von den preußischen Militärkommandantschasten bemerbar
macht. Ueberhaupt benehmen sich die Preußen, einzelne bramasireude Lieutenants,
die ihre politische Nahrung aus der Kreuzzeitung holen, abgerechnet, verhältni߬
mäßig sehr gut, und die gemeinen Soldaten erwerben sich durch ihre Bescheiden¬
heit und tüchtige Haltung fast allgemein gerechtes Lob. Es ist in dieser Bezie¬
hung ein merklicher Unterschied zwischen den preußischen und den hier gewesenen
mecklenburgischen, hessischen, nassanischen, würtembergischen und gar baienschen Sol¬
daten, welche Letztere sich besonders durch rohes Betragen ausgezeichnet haben.

Fährt man so fort, wie man in den letzten 6 Wochen begonnen hat, so steht
ein neuer Aufstand in sicherer Gewißheit, sobald nicht eine übermäßig starke preu¬
ßische Besatzung im Lande weilt, und das Uebel wird nur für den Augenblick
gewaltsam unterdrückt, nicht aber gründlich geheilt. Das Nothwendigste, was
für Baden geschehen muß, ist, daß seine Existenz als eigener Staat aufhöre.
Das Großherzogthmu Baden ist durch nichts dazu berechtigt, eiuen eigenen Staat
zu bilden. Es hat keine historische Vergangenheit, denn es ward größtentheils
1815 erst gebildet; es wird nicht vou gleichem Stamme bewohnt, denn der
Pfälzer, der bis nach Karlsruhe wohnt, ist von den Alemannen im Schwarzwald
und im Seekreis sehr weit verschieden, es hat keine Anhänglichkeit an seinen Re¬
genten, denn noch vor :!5 Jahren gehörte es 5—ti verschiedenen Herren, es gehört
endlich das Volk nicht derselben kirchlichen Secte an, da Katholizismus und Pro¬
testantismus bunt durch einander gemischt sind. Dagegen hat es eine ganz un¬
natürliche Länge bei einer sehr geringen Breite und an 120 Meilen Grenze gegen
zwei auswärtige, Deutschland gerade nicht übermäßig freundlich gesinnten Staaten,
bei nur iz Millionen Einwohner. Ganz Deutschland ist dabei betheiligt, daß
seine wichtigen Grenzen gegen Frankreich und die Schweiz in sicherern Händen
sind. Das Großherzogthum würde eine stattliche preußische Provinz abgeben,
und einigen Hofadel und ein paar Luxusarbeiter in Karlsruhe abgerechnet,
wurde sich Alles viel besser befinden, mau würde wenigstens einer starken,
festen und gut administrirenden Regierung angehören und die arg zerrütteten
Finanzen würden sich bessern, ohne daß neue, außerordentliche Steuern nöthig
wären. Auch das Heerwesen Badens würde leicht den Grad der Achtung sich
erwerben, den das Preußische allgemein einnimmt, während jetzt die Reorgani¬
sation desselben ans die größten Schwierigkeiten stößt. Jetzt fehlt es an Unter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/27>, abgerufen am 15.01.2025.