Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.schwaches Bürschchen unter diesen heldenmüthigen, tollkühnen, starken und gewandte" Die Flüchtlinge in Widdin. -- Es ist auffallend, wie unsicher und wider¬ Verlag von F. L. Hcrbig. -- Redacteure: Gustav Fveytaa. und Iulirn" Schmidt. Druck von Friedrich Andrä. schwaches Bürschchen unter diesen heldenmüthigen, tollkühnen, starken und gewandte» Die Flüchtlinge in Widdin. — Es ist auffallend, wie unsicher und wider¬ Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Fveytaa. und Iulirn» Schmidt. Druck von Friedrich Andrä. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279792"/> <p xml:id="ID_846" prev="#ID_845"> schwaches Bürschchen unter diesen heldenmüthigen, tollkühnen, starken und gewandte»<lb/> Soldaten — und auszeichnen! Unmöglicheres konnte von nur nicht gefordert werden,<lb/> es klang wie Satyre in meinen Ohren. >— Den Hals und Kops-mit Shawl und Tü¬<lb/> chern zur Vorsorge gegen die Hiebe der Kürassire' verbunden«, die Kapuze meiner zotti¬<lb/> ge» Kuba über den Kopf gezogen, sprengte ich eines Tages ans Befehl meiner Ab¬<lb/> theilung im Carriere den Dragonern entgegen, fest entschlossen, entweder einen Beweis<lb/> meiner Tapferkeit zu liefern oder wenn es Gottes Wille ist, zu fallen. I^rum Isioi»!<lb/> bevor ich mit meinem schwachen, der Fechtkunst unkundigen Arm einen Hieb sichren<lb/> konnte, hatten meine Kameraden schon wacker drcingehauen, ihre Pferde sprangen, als<lb/> wären sie dazu abgerichtet gewesen, rechts und links, vor- und rückwärts, je nachdem<lb/> es nothwendig war, während ich die stutzigen Capricen meines Gauls nicht bändige»<lb/> konnte und aus einer Verlegenheit in die andere kam; die Dragoner wurden zum Re-<lb/> tiriren gezwungen und ich hatte mich wieder — nicht ausgezeichnet. In Wuth und<lb/> Verzweiflung spornte ich mein Pferd, jagte den Fliehenden nach und in einigen Minuten<lb/> war ich ein desarmirter und blessirter Gefangener. Kaum hatte ich jedoch Zeit, über<lb/> meinen dummen Streich nachzudenken und mich in meine neue Lage zu schicken, als<lb/> wie vom Wind getragen meine Kameraden daher brausten und, zu. meiner Rettung,<lb/> das Gemetzel erneuerten. Bei zwanzig tapfere Husaren (Gott segne sie) fielen, ich<lb/> wurde gerettet, von den Uebrigen unter unaussprechlichem Jubel zur Truppe zurückge¬<lb/> bracht, und — so wurde ich Lieutenant. Freund! das ist kein vereinzelter Fall,<lb/> um den Zngscommandante» zu retten, ist so mancher Zug unserer Husaren auf dem<lb/> Schlachtfelde geblieben."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_847"> Die Flüchtlinge in Widdin. — Es ist auffallend, wie unsicher und wider¬<lb/> sprechend die Nachrichten find, welche die Zeitungen über die flüchtigen Ungarn in der<lb/> Türkei bringen. Am Ende ist doch sowohl über Constantinopel, als über Buckarcst,<lb/> ja sogar durch Belgrad eine Postverbindung mit den Flüchtigen durchzusetzen, aber bis<lb/> jetzt hat man Grund, allen Notizen, namentlich denen der Wiener Blatter, zu mi߬<lb/> trauen. Bald soll Kossuth in Widdin von fanatischen Türken gequält sein, dann wie¬<lb/> der in Constantinopel in der Nähe des Hafens wohnen, mit einer Ehrenwache, in einem<lb/> stattlichen Hause. Und Bem liegt heut todtkrank zu Widdin, morgen wohnt er wieder<lb/> einmal" in Scntari in einem prachtvollen Landhause, ist Türke geworden, heißt Amnrath<lb/> Pascha, wird Chef der türkischen Artillerie und hat sogar eine wunderschöne Tscherkessin<lb/> Namens Fatime zum Geschenk erhalten. Der alte Bem mit einer Tscherkessin auf dem<lb/> Polster sitzend! Es ist aber nicht nnr Neugierde und menschliches Interesse an den<lb/> Führern der flüchtigen Schaar, welche uns diese Ungewißheit und die widersprechenden<lb/> Nachrichten lästig macht. Nicht wenige Familien anch ans Deutschland haben Söhne<lb/> und Verwandte in dem Strudel dieses unseligen Krieges aus den Augen verloren und<lb/> ihre letzte Hoffnung hängt, an dem türkischen Asyl, in welchem sie dieselben lebend mehr<lb/> wünschen als hoffen. Jede zuverlässige Nachricht aus Privatbricscn über die Anzahl<lb/> der Flüchtlinge, ihre Lage, vielleicht sogar über einzelne Namen, würde Viele zu Dank<lb/> Verpflichten. Falls eine solche sichere Nachricht in dem Briefe eines Flüchtigen, etwa<lb/> über England oder Galizien oder Böhmen in die Hände eines unsrer Leser gekommen<lb/> sein sollte, würde die Redaktion, nicht nur im eigenen Interesse, für die Mittheilung<lb/> derselben sehr dankbar sein. Sie bittet ihrer Discretion zu vertrauen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Fveytaa. und Iulirn» Schmidt.<lb/> Druck von Friedrich Andrä.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0244]
schwaches Bürschchen unter diesen heldenmüthigen, tollkühnen, starken und gewandte»
Soldaten — und auszeichnen! Unmöglicheres konnte von nur nicht gefordert werden,
es klang wie Satyre in meinen Ohren. >— Den Hals und Kops-mit Shawl und Tü¬
chern zur Vorsorge gegen die Hiebe der Kürassire' verbunden«, die Kapuze meiner zotti¬
ge» Kuba über den Kopf gezogen, sprengte ich eines Tages ans Befehl meiner Ab¬
theilung im Carriere den Dragonern entgegen, fest entschlossen, entweder einen Beweis
meiner Tapferkeit zu liefern oder wenn es Gottes Wille ist, zu fallen. I^rum Isioi»!
bevor ich mit meinem schwachen, der Fechtkunst unkundigen Arm einen Hieb sichren
konnte, hatten meine Kameraden schon wacker drcingehauen, ihre Pferde sprangen, als
wären sie dazu abgerichtet gewesen, rechts und links, vor- und rückwärts, je nachdem
es nothwendig war, während ich die stutzigen Capricen meines Gauls nicht bändige»
konnte und aus einer Verlegenheit in die andere kam; die Dragoner wurden zum Re-
tiriren gezwungen und ich hatte mich wieder — nicht ausgezeichnet. In Wuth und
Verzweiflung spornte ich mein Pferd, jagte den Fliehenden nach und in einigen Minuten
war ich ein desarmirter und blessirter Gefangener. Kaum hatte ich jedoch Zeit, über
meinen dummen Streich nachzudenken und mich in meine neue Lage zu schicken, als
wie vom Wind getragen meine Kameraden daher brausten und, zu. meiner Rettung,
das Gemetzel erneuerten. Bei zwanzig tapfere Husaren (Gott segne sie) fielen, ich
wurde gerettet, von den Uebrigen unter unaussprechlichem Jubel zur Truppe zurückge¬
bracht, und — so wurde ich Lieutenant. Freund! das ist kein vereinzelter Fall,
um den Zngscommandante» zu retten, ist so mancher Zug unserer Husaren auf dem
Schlachtfelde geblieben."
Die Flüchtlinge in Widdin. — Es ist auffallend, wie unsicher und wider¬
sprechend die Nachrichten find, welche die Zeitungen über die flüchtigen Ungarn in der
Türkei bringen. Am Ende ist doch sowohl über Constantinopel, als über Buckarcst,
ja sogar durch Belgrad eine Postverbindung mit den Flüchtigen durchzusetzen, aber bis
jetzt hat man Grund, allen Notizen, namentlich denen der Wiener Blatter, zu mi߬
trauen. Bald soll Kossuth in Widdin von fanatischen Türken gequält sein, dann wie¬
der in Constantinopel in der Nähe des Hafens wohnen, mit einer Ehrenwache, in einem
stattlichen Hause. Und Bem liegt heut todtkrank zu Widdin, morgen wohnt er wieder
einmal" in Scntari in einem prachtvollen Landhause, ist Türke geworden, heißt Amnrath
Pascha, wird Chef der türkischen Artillerie und hat sogar eine wunderschöne Tscherkessin
Namens Fatime zum Geschenk erhalten. Der alte Bem mit einer Tscherkessin auf dem
Polster sitzend! Es ist aber nicht nnr Neugierde und menschliches Interesse an den
Führern der flüchtigen Schaar, welche uns diese Ungewißheit und die widersprechenden
Nachrichten lästig macht. Nicht wenige Familien anch ans Deutschland haben Söhne
und Verwandte in dem Strudel dieses unseligen Krieges aus den Augen verloren und
ihre letzte Hoffnung hängt, an dem türkischen Asyl, in welchem sie dieselben lebend mehr
wünschen als hoffen. Jede zuverlässige Nachricht aus Privatbricscn über die Anzahl
der Flüchtlinge, ihre Lage, vielleicht sogar über einzelne Namen, würde Viele zu Dank
Verpflichten. Falls eine solche sichere Nachricht in dem Briefe eines Flüchtigen, etwa
über England oder Galizien oder Böhmen in die Hände eines unsrer Leser gekommen
sein sollte, würde die Redaktion, nicht nur im eigenen Interesse, für die Mittheilung
derselben sehr dankbar sein. Sie bittet ihrer Discretion zu vertrauen.
Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Fveytaa. und Iulirn» Schmidt.
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