Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.grüßen, die Rheinbrücke und Levin Schücking. Auf der Rheinbrücke, dem Sammelplatz Ein ungarisch er Husarenlieutnant. -- Das Constitntionclle Blatt für "Als Korporal bei Wilhelm Husaren mußte ich den ganzen Winter in der großen grüßen, die Rheinbrücke und Levin Schücking. Auf der Rheinbrücke, dem Sammelplatz Ein ungarisch er Husarenlieutnant. — Das Constitntionclle Blatt für „Als Korporal bei Wilhelm Husaren mußte ich den ganzen Winter in der großen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279791"/> <p xml:id="ID_843" prev="#ID_842"> grüßen, die Rheinbrücke und Levin Schücking. Auf der Rheinbrücke, dem Sammelplatz<lb/> von Kölns schöner Welt, suchte ich nach Bekannten. Es ist ein ziemlich unbegreifliches<lb/> Vergnügen sich hier aus- und abzudrängen, zwischen Karren, wilden Pferden, Solda¬<lb/> ten, Schiffsknechten und Waarenballen, man hat kaum Zeit, in dem Gewühl ein be¬<lb/> kanntes Gesicht zu erkennen, erst wenn man mehrmal aneinander vorbeigeschwommen ist,<lb/> gelingt dies. Dcmnncrachtet zieht es die Kölner immer wieder hin und die Fremden<lb/> ebenfalls, weil sie dort die renommirtcu Persönlichkeiten der Stadt am ersten kennen<lb/> lernen. Das Brückengeld muß ein hübsches Sümmchen abwerfen, wahrend der drei<lb/> Sommermonate. Ans dem Rückweg zum Bonner Bahnhof, als ich durch die Baum¬<lb/> reihen des stillen Ncumarkts schritt, fiel mir ein, daß hier ein Jugendfreund Hause,<lb/> Levin Schücking, der in's Rheinländische übersetzte Westphale. Seine Wohnung liegt<lb/> mitten in dem geräuschvollen engen Köln, in einem stillen, weiten Garten, die Apostel¬<lb/> kirche schaut hinein mit ihren schönen Thurmgestaltcn, ihre Glockcnmusik und ihre Or¬<lb/> geltöne machen das grüne schattige Plätzchen zu einer echten Dichterwohnung. Schücking,<lb/> den ich als rothwangigen Mnsenjünger, als fröhlichen Minnesänger gekannt hatte, ist<lb/> schmal und blaß geworden, die Windesbraut der Zeiten, in deren Wirbeln die Kölner<lb/> Zeitung, seine Principalin lavirt, hat ihn sichtlich auch angegriffen und athemlos ge¬<lb/> macht. Doch scheinen die Laren seines häuslichen Heerdes glückliche zu sein, zwei<lb/> holde Kinder und ein schönes Weib zeugen dafür. Ju einer Laube schimmerten die<lb/> Sterne durch die Herbstblätter und eine Astrallampe vom Gesellschaftstisch, es waren<lb/> Gäste da. Pfarrius, der Sänger des Nahethals mit seiner singenden und lachenden<lb/> Frau saß neben Philipp Engelhard Nathusius, Bettina'S poetischem Pflegesohn, und<lb/> seiner Gattin, der Verfasserin verschiedener Romane; Alexis Schwanbeck, der Fcuillcto-<lb/> »ist und noch mehrere auswendige und inwendige Dichter vollendeten den Kreis. Frau<lb/> Schücking, term Antornamc Louise von G. ist, las an jenem Abend Gedichte über<lb/> Ungarn vor, von denen das Feuilleton der Kölner Zeitung Proben brachte. Der schrille<lb/> Pfiff der Eisenbahn fuhr als SchrcckenSton in das fröhliche Gekrächz von uns guten<lb/> Käuzen, Nathusius eilte wieder in die sächsische Heimath, ich nach Bonn. Das<lb/> Schücking sche Haus ist die Poetenhcrberge am Rhein, wie das von Justinus Kerncr<lb/> M Schwaben, alle Zugvögel kennen das gastliche Dach.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_844"> Ein ungarisch er Husarenlieutnant. — Das Constitntionclle Blatt für<lb/> Böhmen, die beste Zeitung für Nachrichten in Oestreich, theilt in Ur. 257. folgendes<lb/> Bruchstück aus dem Brief eines Jünglings von guter Familie mit, der ans Enthu¬<lb/> siasmus für die ungarische Sache im vorigen Herbst bei einem Husarenregiment ein¬<lb/> getreten war. Jedenfalls ist der Schreiber ein Deutscher, denn sein Eintritt geschah<lb/> gegen den Willen seiner Familie. — Er schrieb einem Freunde in Preßburg:</p><lb/> <p xml:id="ID_845" next="#ID_846"> „Als Korporal bei Wilhelm Husaren mußte ich den ganzen Winter in der großen<lb/> Kälte den anstrengendsten Dienst versehen, Zurücksetzungen und Entbehrungen aller Art<lb/> "tragen; der gute Muth und die unbeschreibliche Hingebung und Anhänglichkeit meiner<lb/> Kameraden, der gemeinen Husaren zu mir, waren in dieser Lage mein einziger Trost.<lb/> Ein Kind unter diesen 8—!) Jahre gedienten Leuten, wurde ich auch als Kind von<lb/> ihnen behandelt; ohne ersucht worden zusein, verrichteten sie oftmals sür den „Ki^act-iir,"<lb/> ^le sie mich nannten, den Dienst — dennoch konnte ich die ungeheuren Strapatzcn auf<lb/> die Länge nicht ertragen und verzweiflungsvoll blickte ich in die Zukunft. Um Offizier<lb/> werden zu können, mußte man sich in der Schlacht ausgezeichnet haben. Ich, ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0243]
grüßen, die Rheinbrücke und Levin Schücking. Auf der Rheinbrücke, dem Sammelplatz
von Kölns schöner Welt, suchte ich nach Bekannten. Es ist ein ziemlich unbegreifliches
Vergnügen sich hier aus- und abzudrängen, zwischen Karren, wilden Pferden, Solda¬
ten, Schiffsknechten und Waarenballen, man hat kaum Zeit, in dem Gewühl ein be¬
kanntes Gesicht zu erkennen, erst wenn man mehrmal aneinander vorbeigeschwommen ist,
gelingt dies. Dcmnncrachtet zieht es die Kölner immer wieder hin und die Fremden
ebenfalls, weil sie dort die renommirtcu Persönlichkeiten der Stadt am ersten kennen
lernen. Das Brückengeld muß ein hübsches Sümmchen abwerfen, wahrend der drei
Sommermonate. Ans dem Rückweg zum Bonner Bahnhof, als ich durch die Baum¬
reihen des stillen Ncumarkts schritt, fiel mir ein, daß hier ein Jugendfreund Hause,
Levin Schücking, der in's Rheinländische übersetzte Westphale. Seine Wohnung liegt
mitten in dem geräuschvollen engen Köln, in einem stillen, weiten Garten, die Apostel¬
kirche schaut hinein mit ihren schönen Thurmgestaltcn, ihre Glockcnmusik und ihre Or¬
geltöne machen das grüne schattige Plätzchen zu einer echten Dichterwohnung. Schücking,
den ich als rothwangigen Mnsenjünger, als fröhlichen Minnesänger gekannt hatte, ist
schmal und blaß geworden, die Windesbraut der Zeiten, in deren Wirbeln die Kölner
Zeitung, seine Principalin lavirt, hat ihn sichtlich auch angegriffen und athemlos ge¬
macht. Doch scheinen die Laren seines häuslichen Heerdes glückliche zu sein, zwei
holde Kinder und ein schönes Weib zeugen dafür. Ju einer Laube schimmerten die
Sterne durch die Herbstblätter und eine Astrallampe vom Gesellschaftstisch, es waren
Gäste da. Pfarrius, der Sänger des Nahethals mit seiner singenden und lachenden
Frau saß neben Philipp Engelhard Nathusius, Bettina'S poetischem Pflegesohn, und
seiner Gattin, der Verfasserin verschiedener Romane; Alexis Schwanbeck, der Fcuillcto-
»ist und noch mehrere auswendige und inwendige Dichter vollendeten den Kreis. Frau
Schücking, term Antornamc Louise von G. ist, las an jenem Abend Gedichte über
Ungarn vor, von denen das Feuilleton der Kölner Zeitung Proben brachte. Der schrille
Pfiff der Eisenbahn fuhr als SchrcckenSton in das fröhliche Gekrächz von uns guten
Käuzen, Nathusius eilte wieder in die sächsische Heimath, ich nach Bonn. Das
Schücking sche Haus ist die Poetenhcrberge am Rhein, wie das von Justinus Kerncr
M Schwaben, alle Zugvögel kennen das gastliche Dach.
Ein ungarisch er Husarenlieutnant. — Das Constitntionclle Blatt für
Böhmen, die beste Zeitung für Nachrichten in Oestreich, theilt in Ur. 257. folgendes
Bruchstück aus dem Brief eines Jünglings von guter Familie mit, der ans Enthu¬
siasmus für die ungarische Sache im vorigen Herbst bei einem Husarenregiment ein¬
getreten war. Jedenfalls ist der Schreiber ein Deutscher, denn sein Eintritt geschah
gegen den Willen seiner Familie. — Er schrieb einem Freunde in Preßburg:
„Als Korporal bei Wilhelm Husaren mußte ich den ganzen Winter in der großen
Kälte den anstrengendsten Dienst versehen, Zurücksetzungen und Entbehrungen aller Art
"tragen; der gute Muth und die unbeschreibliche Hingebung und Anhänglichkeit meiner
Kameraden, der gemeinen Husaren zu mir, waren in dieser Lage mein einziger Trost.
Ein Kind unter diesen 8—!) Jahre gedienten Leuten, wurde ich auch als Kind von
ihnen behandelt; ohne ersucht worden zusein, verrichteten sie oftmals sür den „Ki^act-iir,"
^le sie mich nannten, den Dienst — dennoch konnte ich die ungeheuren Strapatzcn auf
die Länge nicht ertragen und verzweiflungsvoll blickte ich in die Zukunft. Um Offizier
werden zu können, mußte man sich in der Schlacht ausgezeichnet haben. Ich, ein
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |